Samstag, Januar 11

Der PUK-Bericht verteidigt die Abschreibung von nachrangigen Anleihen der CS in Höhe von 16 Milliarden Franken. Und liefert neuen Stoff für Hunderte Rechtsverfahren gegen die Bundesbehörden.

Es ist die giftigste Altlast der UBS-CS-Notfusion im März 2023: die von der Finanzmarktaufsicht (Finma) angeordnete Abschreibung von nachrangigen Anleihen der Credit Suisse in Höhe von 16 Milliarden Franken. In der Schweiz wurde der Vorgang zunächst kaum registriert, als ein Kollateralschaden der Übernahme abgetan. Im Ausland war das Aufbegehren von Anfang an gross. Über dreihundert Beschwerden wurden seither beim Bundesverwaltungsgericht in St. Gallen, Dutzende weitere in den USA und in Asien eingereicht.

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Lange geschah nichts. Doch nach der Publikation des Berichts der parlamentarischen Untersuchungskommission (PUK) vor Weihnachten kam wieder Bewegung in die Sache. Denn aus Sicht der klagenden Gläubiger liefert der Bericht eine verlässliche Faktengrundlage. Er sei eine regelrechte «Goldgrube», aus der man sich bedienen könne, um die Klagen zu garnieren, so ein Anwalt.

Am Mittwoch hat bereits die amerikanische Kanzlei Quinn Emanuel Urquhart eine im vergangenen Juni in New York eingereichte Beschwerde gegen die Eidgenossenschaft revidiert: Sie wurde von 8 auf 39 Kläger ausgeweitet und die Klagesumme von 82 auf 370 Millionen Dollar erhöht. Bei den neuen Klägern handelt es sich hauptsächlich um professionelle Investoren.

Eckpfeiler der Transaktion

Der federführende amerikanische Anwalt der Kanzlei hebt aber hervor, dass darunter auch Privatanleger und Personen seien, die für ihre Pensionierung gespart und nun einen finanziellen Schaden erlitten hätten. Die amerikanischen Kläger werfen dem Bund vor, dass er sich während der Fusionsgespräche wie eine Investmentbank aufgeführt und die UBS bevorzugt habe, ohne andere potenzielle Käufer zu berücksichtigen. Zudem hätten die Schweizer Behörden «praktisch allen Forderungen der UBS nachgegeben», heisst es in der Klageschrift.

Der PUK-Bericht stützt eine solche Lesart. Denn um die Verhandlungen voranzubringen, waren es zuletzt vor allem das Finanzdepartement, die Finma und auch der Nationalbankpräsident Thomas Jordan, welche die CS-Spitze zu einer Annahme der Fusionsbedingungen motivierten.

Der Bericht hat auch verdeutlicht, dass die AT1-Abschreibung ein Eckpfeiler der Transaktion war. Ohne diese vom Staat angeordnete Wertvernichtung wäre die CS-Übernahme durch die UBS in dieser Form nicht zustande gekommen.

AT1 (Additional Tier 1) sind spezifisch nach der letzten Finanzkrise entwickelte Anleihen, die im Notfall abgeschrieben oder in Eigenkapital gewandelt werden können, um eine Bank zu stabilisieren. Ob die Anleihen im Fall CS ihren ursprünglichen Zweck erfüllt haben, ist bis heute umstritten.

Sicher ist: Wären die AT1 nicht abgeschrieben worden, hätte Finanzministerin Karin Keller-Sutter der UBS weitaus höhere Sicherheiten geben müssen als die 9 Milliarden Franken (nebst den milliardenhohen Liquiditätshilfen der Schweizerischen Nationalbank für die CS), mit denen die Schweizer Steuerzahler schliesslich ins Risiko gehen mussten, damit der Deal mit der UBS zustande kommt.

Abschreibung war in beidseitigem Interesse

Der Bericht räumt aber auch mit dem Mythos auf, die UBS habe auf die Abschreibung keinen Einfluss gehabt. Nach der Notrettung im März 2023 sagte der UBS-Präsident Colm Kelleher zur NZZ: «Mit dem AT1-Entscheid hatten wir nichts zu tun. Die Anweisung, die AT1-Anleihen abzuschreiben, erfolgte durch die Finma.» Tatsächlich war es die Finma, die die CS anwies, diese durchzuführen. Die Abschreibung war aber auch Teil des revidierten Forderungskatalogs, den die UBS am 16. März spätabends den Behörden einreichte.

Gemäss PUK-Bericht kontaktierte der SNB-Präsident Thomas Jordan daraufhin Kelleher, weil die neuen Forderungen seines Erachtens zu weit gingen – ob sich Jordan dabei auch spezifisch auf die Abschreibung bezog, ist nicht überliefert. Kelleher erklärte derweil, der neue Forderungskatalog sei «ohne sein Wissen» erstellt worden, die UBS würde eine «bessere Lösung» in Aussicht stellen.

Die AT1-Abschreibung blieb bis zum Schluss eine Forderung der UBS – und wurde durch die Finma gegen den Willen der CS durchgesetzt.

Für Kelleher und die UBS dürfte es letztlich nicht um die AT1 gegangen sein. Die Bank wollte primär an Garantien («Downside Protection», Risikoschutz) in Höhe von 25 Milliarden Franken kommen, um für sich die Transaktion und Restrukturierung abzusichern. Karin Keller-Sutter und der Bund ihrerseits waren nicht gewillt, der UBS Staatsgarantien in solcher Höhe auszusprechen. Es wäre politisch auch kaum vertretbar gewesen. Insofern war das Opfern der AT1-Gläubiger der CS im beidseitigen Interesse.

Von der NZZ befragte Anwälte glauben nicht, dass, weil die UBS die AT1 in ihre Forderungen aufgenommen hat, sich an der rechtlichen Situation grundlegend etwas ändert. Letztlich habe die Finma die Abschreibung angeordnet und dabei zusätzlich auf Notrecht zurückgegriffen. Der PUK-Bericht liefere somit keine zusätzlichen Angriffsflächen zuungunsten der UBS, sondern solche zuungunsten des Schweizer Staats, so ein Rechtsexperte.

PUK nimmt Finma in Schutz

Die UBS nimmt auf Anfrage keine Stellung zu den Vorgängen. Auch zu Rückstellungen für allfällige Kosten wegen der AT1-Verfahren sagt die Bank nichts. Fest steht, die Abschreibung und der daraus entstandene «Badwill» haben für die Grossbank ihren Zweck erfüllt: Im zweiten Quartal 2023 nahm die UBS tatsächlich Bewertungsanpassungen und Rückstellungen in Höhe von insgesamt 24,8 Milliarden Dollar vor – schrieb aber gleichzeitig einen rekordhohen Gewinn von 28,9 Milliarden.

Mit der Notwendigkeit, diese finanziellen Löcher zu füllen, legitimiert auch die PUK die Abschreibung, und sie gibt der Finma auch sonst volle Rückendeckung. Sie unterstreicht zwar, dass sie wegen der hängigen Verfahren keine Rechtsfragen beurteilt habe. Dennoch ist ihre Haltung klar: Angesichts der Krisensituation erscheine die Vorbereitung der Anordnung zur AT1-Abschreibung als «zweckmässig».

Zudem sei glaubwürdig, «dass die UBS dem Zusammenschluss mit der CS ohne Abschreibung der AT1-Anleihen nur zugestimmt hätte, wenn der Bund weitaus höhere Garantien zugesprochen hätte». Sogar den Einsatz von Notrecht, um der Finma eine zusätzliche «klare Rechtsgrundlage für die Abschreibung zu schaffen», nimmt die PUK in Schutz.

Der Bericht legt zudem nahe, dass, wenn die UBS-Übernahme nicht zustande gekommen wäre, die AT1-Gläubiger auch im Falle einer Sanierung oder einer vorübergehenden Verstaatlichung mit einem (Total-)Verlust hätten rechnen müssen: Die Abschreibung sei bereits im Oktober Thema bei den Behörden gewesen und sei nicht eine spontane Idee der letzten Minute am historischen März-Wochenende gewesen.

AT1 haben ihren Zweck nicht erfüllt

Ein Beobachter zeigt sich angesichts der politischen Dimension des Berichts wenig erstaunt, dass die PUK in dieser Hinsicht eine «parlamentsfreundliche Position» vertrete und die Finma in Schutz nehme. Für die PUK haben die AT1-Bonds bei der CS-Rettung ihren Zweck erfüllt. Aber das ist umstritten.

Für Hans Gersbach, Co-Leiter der Konjunkturforschungsstelle (KOF) und Wirtschaftsprofessor an der ETH, wurden die Anleihen zwar nicht zweckentfremdet, ein solcher Ablauf sei aber nicht vorgesehen gewesen. Ihren Zweck, die notleidende CS automatisch zu rekapitalisieren und Verluste abzufedern, bevor sie kollabiere, hätten sie nicht erfüllt.

Gersbach plädiert deshalb für eine höhere Auslöseschwelle bei den Kapitalquoten, aber auch für ein neues Verfahren, damit die Behörden die Konvertierung oder die Abschreibung solcher Bonds künftig geordnet vornehmen können. Bevor diese «Grundprobleme» der AT1-Instrumente nicht gelöst seien, sollten Banken ihre Finanzierung mit solchen Bonds nicht erhöhen, so der Finanzexperte.

Investoren schrecken solche Bedenken nicht ab. «Das CS-Ereignis hat den Markt stark belebt», das Interesse an diesen Bonds sei sehr gross, sagt Jackie Ineke, Anlagechefin bei Spring Investments, die einen auf AT1-Bonds spezialisierten Fonds verwaltet. Und davon profitiert die UBS in besonderem Masse.

Die AT1-Bonds der neuen Grossbank seien nämlich die «Lieblinge des Marktes» und gälten als die Anleihen mit der höchsten Qualität, sagt die Investorin. Dies nicht wegen einer impliziten Staatsgarantie, sondern wegen des soliden Geschäftsmodells der Bank, aber auch wegen der hohen regulatorischen Aufmerksamkeit. Die UBS profitiert heute also doppelt vom AT1-Drama.

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