Dienstag, November 26

Beim Dortmunder 2:1-Erfolg gegen den Tabellenzweiten RB Leipzig dominiert die Mannschaft des zuletzt stark kritisierten Trainers Nuri Sahin. Von einer Wende zu sprechen, käme verfrüht.

Erleichterung: Nichts anderes kennzeichnete die Reaktionen der Dortmunder am Samstagabend nach dem 2:1-Heimsieg gegen RB Leipzig im Bundesliga-Spitzenspiel. Ein Sieg, der nur auf den ersten Blick knapp erschien, denn die Dortmunder hatten ein deutliches Übergewicht an Chancen; sie waren das bessere Team gegen einen Widersacher, der keineswegs als Aussenseiter ins Westfalenstadion gereist war.

Dabei wäre ein solches Ergebnis des BVB in einer halbwegs normalen Saison keinesfalls als Indikator einer beginnenden Genesung interpretiert worden. Vielmehr hätte man vorausgesetzt, dass es notwendig ist, direkte Konkurrenten um einen Platz in der Champions League im eigenen Stadion zu schlagen.

Was sich in Dortmund nach dem Schlusspfiff abspielte, glich fast einer Zeremonie. Deren Meister war der Sportdirektor Sebastian Kehl, der im Sieg einen Beleg dafür sah, im jüngst arg umstrittenen Nuri Sahin den richtigen Trainer zu unterstützen. Der gegnerische Trainer Marco Rose, einst für nur ein Jahr in Dortmund unter Vertrag, bescheinigte dem BVB an diesem Abend hohe Qualität: Klarer, besser, schärfer – mit solchen Vokabeln beschrieb Rose das Spiel seines ehemaligen Arbeitgebers.

Der Sieg für Sahin ist auch einer für dessen Unterstützer. Der Sportdirektor Kehl nutzte die Gelegenheit, um zu erklären, wie gut der «Matchplan» des neuen BVB-Trainers gewesen sei. Er wies zugleich darauf hin, dass bei der 0:1-Niederlage in Wolfsburg im Cup Sahin ebenso richtig disponiert habe. Genauso sei das 2:5 bei Real Madrid nicht das Ergebnis grundsätzlich falscher Überlegungen gewesen.

Kehls Engagement für den jungen Trainer zeigt, dass sich dieser noch im Lernstadium befindet. Über Sahins Fehler beim 2:5 gegen den Seriensieger der Champions League ist intensiv diskutiert worden. Immerhin ist er nach dem Match gegen Leipzig nicht mehr ein negativer Referenzpunkt.

Sahin überraschte mit der Aussage, er würde für seine Spieler «durchs Feuer gehen»

Niemand würde bestreiten, dass dieses 2:1 Sahins wichtigster Sieg gewesen ist, wie es nun allerorten in den Medien hiess. Doch wird der Trainer dadurch ein anderer? Sahins öffentliche Auftritte bei Pressekonferenzen wirken nach wie vor etwas bemüht, als fühle sich der Coach in seiner Rolle nicht wirklich wohl. Und Vieles von dem, was er sagt, hat den Charakter von Plattitüden: «Auch wenn wir siebenmal hintereinander verlieren würden, ich glaube an diese Mannschaft, und die Jungs glauben an sich. Das ist der Weg, den wir gehen müssen.»

Natürlich hält eine solche Aussage einer Überprüfung nicht stand, und die Frage ist, ob Sahin in der Lage ist, vor der Mannschaft anders aufzutreten. Vor einigen Wochen überraschte er mit der Aussage, er würde für seine Spieler «durchs Feuer gehen». Da hatte der junge Trainer die Verhältnisse verkannt: Es müsste genau umgekehrt sein.

Nicht nur aus diesem Grund darf man Zweifel daran hegen, ob das, was der BVB gegen das zuvor in 19 Bundesligaspielen ungeschlagene Leipzig ablieferte, das war, was nun als «Befreiungsschlag» gewertet wird. Zu viele Unwägbarkeiten spielen mit. Zum einen darf nicht vergessen werden, dass der BVB zu Hause nur schwer zu überwinden ist – 80 000 Fans im Westfalenstadion schaffen eine leistungsfördernde Atmosphäre. Ausserdem ist die Liste der Verletzten lang; zehn Spieler sind mehr oder minder stark angeschlagen, weswegen Sahin gegen Leipzig gezwungen war, zu improvisieren.

Schlecht kam es aber nicht heraus: Der als Innenverteidiger aufgebotene Routinier Emre Can wurde hinterher für seine gelungene Aktion gar als «Dortmunder Maldini» gefeiert. Doch nicht nur die Fans stellen sich die Frage, warum bereits früh in dieser Saison eine derartige Verletzungsmisere das Kader heimsucht. Die Mannschaft gehe «auf dem Zahnfleisch», sagte Sahin am Samstagabend, und fuhr fort: «Es würde mich nicht mehr überraschen, wenn jetzt noch einige dazukommen.» Einige Spieler seien schliesslich schon angeschlagen in den Match gegen Leipzig gegangen.

Sogar die Aufgabe gegen den österreichischen Meister könnte heikel werden

Einstweilen hofft der Trainer, sich in die Länderspielpause retten zu können. Zuerst einmal geht es am Dienstag in der Champions League gegen den österreichischen Meister Sturm Graz – auf dem Papier keine harte Prüfung, doch in dieser Situation eine heikle Aufgabe, erst recht für eine Mannschaft, die zuletzt im Final dieses Wettbewerbs gestanden hat. Und wenn Sahin davon spricht, dass er hofft, «so viele Leute wie möglich» zusammenzubekommen, dann klingt das unfreiwillig etwa so, als bereite er ein Auswärtsspiel einer Betriebssportgruppe vor.

Nur hatte der Match gegen Leipzig auch ein paar andere Aspekte. Er stand unter dem Vorzeichen, dass Jürgen Klopp, der ewige Über-Trainer der Dortmunder, demnächst für die Geschicke des Red-Bull-Konzerns verantwortlich zeichnen wird, zu dem RB Leipzig gehört. In grösseren Dissonanzen schlug sich dies nicht nieder, wenngleich etliche BVB-Anhänger Klopp diesen Schritt nach seinem Engagement in Liverpool verübelt hatten. Aber es blieb an diesem Samstagabend für so etwas auch gar keine Zeit. Denn die BVB-Fans waren froh zu erkennen, dass ihr Team gegen eine Spitzenmannschaft durchaus noch konkurrenzfähig sein kann.

Exit mobile version