Freitag, Oktober 4

Im Rahmen einer Rettungsaktion soll die angeschlagene deutsche Meyer Werft vorübergehend verstaatlicht werden. In der Politik findet die Hilfe breite Unterstützung, Ökonomen erheben ernste Bedenken.

Der staatliche Rettungsplan für die kriselnde deutsche Meyer Werft Gruppe steht. Der Bund und das Bundesland Niedersachsen wollen sich vorübergehend mit je 40,4 Prozent am Eigenkapital des Unternehmens beteiligen. Dies verlautete am Freitag aus Kreisen des deutschen Wirtschaftsministeriums. Die Beteiligungen kosten je 200 Millionen Euro. Darüber hinaus bürgen der Bund und das Bundesland zu 80 Prozent für einen Kreditrahmen von insgesamt 2,6 Milliarden Euro. Die restlichen 20 Prozent übernehmen die Banken auf eigenes Risiko.

Nachwehen der Pandemie

Die Meyer Werft Gruppe ist ein 1795 gegründetes Familienunternehmen mit rund 7000 Mitarbeitern. Sie ist vor allem für den Bau von Kreuzfahrtschiffen bekannt und bezeichnet sich selbst als «eine der grössten und modernsten Werften der Welt» . Neben dem Stammwerk im niedersächsischen Papenburg gehören die Neptun Werft in Rostock (Mecklenburg-Vorpommern) und ein Werk im finnischen Turku zur Gruppe.

Das Unternehmen kämpft seit Monaten ums Überleben. Eine wichtige Rolle spielt dabei das Zusammenspiel von branchenüblichen Zahlungsgepflogenheiten, langen Produktionszyklen und Corona: Reedereien leisten in der Regel für bestellte Schiffe eine Anzahlung von 20 Prozent und zahlen den Rest bei Auslieferung.

Dieses Modell funktioniert, solange kontinuierlich Aufträge hereinkommen und Schiffe ausgeliefert werden. Während der Pandemie mit ihren Reisebeschränkungen und Lockdowns schoben die Reedereien aber Lieferungen und neue Aufträge zurück. Hinzu kamen Preissteigerungen bei Vorleistungen aufgrund des Ukraine-Kriegs. Diese konnten nicht an die Kunden weitergegeben werden, weil offenbar viele Verträge keine Preisanpassung erlauben.

Liquidität fehlt

Inzwischen sind die Auftragsbücher wieder voll, aber es fehlt an flüssigen Mitteln. Deshalb hatte die Werft um Unterstützung gebeten, um einen Liquiditätsbedarf von 3 Milliarden Euro in den kommenden Jahren decken zu können.

Der Rettungsplan sei mit dem Kanzleramt und dem Finanzministerium abgestimmt und nun dem Haushaltsausschuss des Bundestags vorgelegt worden, hiess es am Freitag aus dem Wirtschaftsministerium. Die Hilfe werde «beihilfefrei», also mindestens zu Marktkonditionen, erfolgen. Der Ausschuss muss noch zustimmen. Ähnliches läuft auf Landesebene ab. Ziel ist es, die Bürgschaftserklärung bis spätestens am 15. September wirksam und die Eigenkapitalzuführung verbindlich zu machen. Denn ab diesem Datum wäre die Finanzierung der Werft ansonsten nicht mehr gesichert.

Dass der Staat einspringen würde, zeichnete sich spätestens bei einem Firmenbesuch von Bundeskanzler Olaf Scholz am 22. August ab. Der Sozialdemokrat sprach in Papenburg von einem «industriellen Kronjuwel unseres Landes». Es gehe um über 3000 Arbeitsplätze allein in der Stammwerft, knapp 6000 Beschäftige in Zulieferbetrieben und über 17 000 Arbeitsplätze deutschlandweit, die auf die eine oder andere Weise von der Meyer Werft abhängen würden. Diese sei «systemrelevant für die maritime Wirtschaft und den Schiffbau in Deutschland». Man wolle ihr eine stabile Brücke in die Zukunft bauen, wie man es während Corona für die Lufthansa oder den Reisekonzern TUI getan habe.

Das Wirtschaftsministerium hält die Chancen für eine Rückkehr zur Rentabilität unter Berufung auf ein Gutachten für gut. Dafür spreche auch die hohe Nachfrage nach Kreuzfahrtschiffen bei wenigen Anbietern. Perspektivisch könne die Werft durch den Bau von Konverter-Plattformen für Offshore-Windparks zur Energiewende beitragen.

Ökonomen runzeln die Stirn

Aus der Politik gibt es breite Unterstützung für die Rettungsaktion. Selbst die Liberalen von Finanzminister Christian Lindner stehen hinter dem Plan, wenn auch mit Zähneknirschen und dem Pochen auf Bedingungen. Auch die CDU, die in Niedersachsen wie auf Bundesebene in der Opposition steht, signalisierte Zustimmung.

Erhebliche Bedenken haben hingegen prominente Ökonomen, darunter Clemens Fuest, der liberale Chef des Münchner ifo-Instituts, aber auch der eher links stehende DIW-Chef Marcel Fratzscher. Letzterer bezeichnete es als Alarmsignal, dass private Investoren sich nicht einmal zu einem kleinen Teil an der Rettung beteiligen wollten.

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