Donnerstag, Oktober 3

Ungewohnterweise hat die Schweizer Währung in diesem Jahr gegenüber dem Euro und dem Dollar nachgegeben. Woran das liegt, was das für Sparer heisst und womit Währungsspezialisten nun rechnen.

Die Berichte über einen Angriff Israels auf Iran sorgen für Nervosität an den Finanzmärkten. Investoren machen sich Sorgen über eine Ausbreitung des Konflikts im Nahen Osten – dies belastet die Aktienbörse und sorgt für eine Flucht in die «sicheren Häfen» des Kapitalmarkts.

Dazu gehört traditionell auch der Franken. Am Freitag sank der Euro zum Franken kurzzeitig unter die Marke von 96 Rappen, um dann bis zum Nachmittag allerdings wieder bis über den Stand von 97 Rappen zu steigen.

Seit dem Jahresstart hat sich die Schweizer Währung aber trotz den anhaltenden geopolitischen Unsicherheiten schwächer gegenüber Euro und Dollar gezeigt. Wurden Anfang Jahr für einen Euro weniger als 93 Rappen bezahlt, waren es Anfang April bis zu 98,32 Rappen – da rückte sogar die Parität wieder in Reichweite.

Der Euro im Aufwärtstrend zum Franken

Euro in Franken

Zum Dollar hat der Franken seit Anfang Jahr noch stärker nachgegeben. Am Freitagnachmittag mussten für einen Dollar etwas weniger als 91 Rappen bezahlt werden. Anfang dieses Jahres waren es noch bloss rund 84 Rappen.

Gründe für die Abschwächung des Frankens

Die Schwäche des Frankens in diesem Jahr fällt auf, zumal die Währung sich in den Jahren davor als sehr stark erwiesen hat. «Der Devisenmarkt ist keine Einbahnstrasse», sagt Christian Apelt, Währungsstratege bei der deutschen Bank Helaba. Die Gründe dafür, dass der Franken in diesem Jahr gegenüber dem Euro und dem Dollar nachgegeben hat, sind vielfältig.

Überraschende Leitzinssenkung der SNB: Einer der Hauptgründe für den etwas schwächeren Franken ist die überraschende Leitzinssenkung der Schweizerischen Nationalbank (SNB) im März. Sie senkte den Zins unerwartet um 0,25 Prozentpunkte auf 1,5 Prozent. Laut Claudio Wewel, Devisenspezialist bei der Bank J. Safra Sarasin, lastet seitdem der grössere Zinsnachteil von Franken-Anlagen auf der Schweizer Währung.

Möglich wurde die Leitzinssenkung der SNB, weil die Inflation in der Schweiz stärker zurückgegangen war als erwartet. Im Dezember letzten Jahres habe die Nationalbank noch mit einer Inflation von 1,9 Prozent im Jahr 2024 gerechnet, sagt Alim Remtulla, Chefstratege Devisenhandel bei der EFG Bank. Im März sei sie dann von nur noch 1,4 Prozent ausgegangen. Marktbeobachter rechnen nun mit weiteren Zinssenkungen der SNB.

Der Franken als Ziel von Carry-Tradern: Der Franken wurde zuletzt sogar zum bevorzugten Ziel von sogenannten Carry-Tradern, wie die Nachrichtenagentur Bloomberg berichtet. Bei solchen Geschäften verschulden sich Anleger in Niedrigzins-Währungen und legen das Geld in Devisen mit höheren Zinsen an. Traditionell war der japanische Yen in den letzten Jahren hierfür der Favorit der Händler. Mitte März hatte die japanische Zentralbank zum ersten Mal seit dem Jahr 2007 die Leitzinsen erhöht, und zwar von –0,1 Prozent auf 0,0 bis 0,1 Prozent. Nun schwenken die Trader offenbar vermehrt vom Yen auf den Franken um.

«Geldpolitische Divergenz» und stärkerer Dollar: Laut Aaron Hurd, Managing Director bei State Street Global Advisors, stehen die Zinssenkung der SNB vom März sowie die Hinweise der Europäischen Zentralbank (EZB) auf eine mögliche Zinssenkung im Juni in krassem Gegensatz zu den neuen Erwartungen der Marktteilnehmer, was die Geldpolitik der US-Notenbank Federal Reserve (Fed) angeht.

Die Anleger rechnen nun mit weniger starken Leitzinssenkungen des Fed in diesem Jahr. Anfang des Jahres hatten sie noch erwartet, dass der Leitzins in den USA 2024 um 1,5 Prozentpunkte gesenkt werden dürfte. Nun sind es nur noch 0,5 Prozentpunkte. Es gebe eine «geldpolitische Divergenz», und diese habe den Euro und den Franken im Vergleich mit dem Dollar stark belastet, teilt Hurd mit. Die Inflationszahlen in den USA sind jüngst leicht höher ausgefallen als erwartet, hinzu kommt die weiterhin robuste Konjunktur in den USA, die Zinssenkungen entgegensteht.

Höhere Renditen in den USA: Die Renditen von US-Staatsanleihen sind wegen der veränderten Erwartungen in diesem Jahr deutlich gestiegen. Laut Hurd rentieren zweijährige US-Staatspapiere um 0,84 Prozentpunkte höher als an ihren diesjährigen Tiefpunkten im Januar. Am Freitag brachten zweijährige amerikanische Staatsanleihen eine Rendite von 4,96 Prozent, zehnjährige eine solche von 4,60 Prozent. Schweizer Staatsanleihen rentierten indessen mit 0,84 (zweijährige) beziehungsweise 0,67 Prozent (zehnjährige).

Starke Aktienmärkte: Laut Apelt könnte auch die gute Entwicklung der Aktienmärkte den Franken in diesem Jahr geschwächt haben. Die risikobereite Stimmung an den Finanzmärkten sei «sicherlich keine Unterstützung» für die Schweizer Währung gewesen, die traditionell eine Rolle als sicherer Hafen hat.

Wird der Franken weiter für Carry-Trades genutzt?

Wewel geht nicht davon aus, dass sich der Franken in den kommenden Monaten deutlich erholt. Die Schwäche der Schweizer Wirtschaft spreche für eine weitere Zinssenkung der SNB im Juni. Eine Reihe anhaltender geopolitischer Krisen, im Speziellen der Iran-Israel- Konflikt, hätten jedoch das Potenzial, dem Franken – als sicherem Hafen – wieder zu etwas Auftrieb zu verhelfen.

Laut Remtulla haben die Trends der Deglobalisierung und der Entdollarisierung den Franken in den vergangenen Jahrzehnten unterstützt. Setzten sich diese Trends fort, dürfte die Schweizer Währung laut dem Devisenspezialisten ein sicherer Hafen bleiben. Werde indessen der freie Verkehr von Gütern, Dienstleistungen, Kapital und Menschen gestärkt, sei davon auszugehen, dass der Franken hinter die Währungen von dynamischeren Volkswirtschaften zurückfalle.

Darüber, ob der Franken in grösserem Stil für Carry-Trades genutzt werden wird, gehen die Meinungen auseinander. Hurd erwartet dies. Der Franken habe unter den zehn meistgehandelten Währungen die zweitniedrigsten Renditen. Berechnungen des langfristigen fairen Werts von Währungen zeigten, dass er gegenüber dem Dollar mit 13 Prozent und gegenüber dem Euro mit 20 Prozent überbewertet sei. Dies spreche dafür.

Wewel glaubt hingegen nicht, dass der Franken den Yen dauerhaft als bevorzugte Währung für Carry-Trades ablösen wird. Mit 1,5 Prozent liege der Leitzins der SNB immer noch weit mehr als einen Prozentpunkt über demjenigen der Bank of Japan, und die Realzinsen auf Franken-Anlagen seien nochmals deutlich höher als jene auf japanischen Anlagen. Die hohe japanische Staatsverschuldung werde zudem den Spielraum der Bank of Japan für weitere Zinsschritte sehr stark einengen.

Franken gegenüber anderen Währungen aufgewertet

Was bedeuten die jüngsten Entwicklungen für Sparer und Anleger? Wewel rät Schweizer Anlegern, tendenziell ein Übergewicht in Franken-Anlagen («home bias») zu haben. Schliesslich habe der Franken in den vergangenen Jahren gegenüber anderen Währungen immer weiter aufgewertet. Auch Hurd hält einen gewissen «home bias» in einer einigermassen gut geführten Wirtschaft für fast immer sinnvoll. Schliesslich müssten Investoren ja Verbindlichkeiten in der Heimwährung bedienen.

Bei Aktien und anderen Risiko-Anlagen gilt ein «home bias» für Schweizer Investoren indessen als weniger gerechtfertigt. Mit Anlagen im Ausland können Schweizer Investoren ihre Gelder breiter diversifizieren und Gelder in Sektoren anlegen, die in der Schweiz weniger stark vertreten sind.

Vor allem bei Obligationenanlagen ist es derweil sinnvoll (aber leider oft auch teuer), das Währungsrisiko abzusichern. Sonst besteht die Gefahr, dass die Rendite rasch von Währungsschwankungen «aufgefressen» wird.

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