Sonntag, April 20

Aus einem kleinen niederländischen Händler hat der Finanzinvestor 3i in wenigen Jahren einen Milliardenkonzern geformt. Mit Billigprodukten im Non-Food-Bereich erzielt er stolze Margen und macht die etablierte Konkurrenz nervös.

Es ist fast etwas unheimlich: 2011 kaufte die britische Private-Equity-Gesellschaft 3i einen Anteil am niederländischen Discounter Action. 13 Jahre rasantes Wachstum später ist der Umsatz von rund 700 Millionen Euro auf über 11 Milliarden Euro gestiegen. Heute gibt es in ganz Europa mehr als 2500 Action-Filialen, und die Firma beschäftigt rund 70 000 Mitarbeiter. Wie ist das möglich?

Das Geschäftsmodell von Action ist eigentlich unspektakulär, aber vielleicht gerade deswegen erfolgreich. Die Läden sind in der Regel etwa 1000 Quadratmeter gross. Das Sortiment besteht aus rund 6000 Artikeln – darunter wenige Markenprodukte und zum Teil Eigenmarken.

Keine Frischprodukte und Kühltheken

Action verkauft abgesehen von einem kleinen Sortiment mit Snacks, Süsswaren und Softdrinks nur Non-Food-Artikel. Das hat den Vorteil, dass die aufwendige Bewirtschaftung und Bereitstellung von Lebensmitteln mit Ablaufdaten und Frischprodukten wegfällt. Es braucht auch keine stromfressenden Kühltheken.

Wie eine Action-Filiale aussieht, lässt sich in Weil am Rhein, gleich hinter der deutschen Grenze bei Basel, besichtigen. Die Filialleitung entschuldigt sich mit einem Schild für die Unannehmlichkeiten aufgrund der Umgestaltung. Tatsächlich macht die Warenauslage zum Teil einen unordentlichen Eindruck. Mehrere Mitarbeiter sind damit beschäftigt, Kartons aufzureissen und Gestelle einzuräumen. Von den Kassen ist zunächst nur eine einzige besetzt.

Das Sortiment umfasst zwar viele Kategorien wie Dekoration, Bekleidung, Haushaltswaren, Heimwerkerbedarf, Spielzeug oder Körperpflegeprodukte. Doch die Auswahl ist ziemlich beschränkt. Wer bezüglich Marke, Farbe, Grösse oder Material fixe Vorstellungen hat, dürfte oft nicht fündig werden.

Das ist ein anderes Konzept – und eines mit geringerem logistischem Aufwand – als ein herkömmlicher Supermarkt mit 10 000 bis 20 000 Produkten, von denen die Kundschaft zudem ganz selbstverständlich erwartet, dass jedes täglich bis Ladenschluss verfügbar ist.

Socken und Werkzeug braucht man doch immer

Sehr wahrscheinlich wird ein Action-Besucher das Geschäft dennoch nicht mit leeren Händen verlassen. Denn Socken, ein Werkzeug-Set oder eine Sonnenbrille kann man ja immer brauchen.

Angesichts der tiefen Preise dürften die meisten Kunden nicht allzu lange überlegen. Mehr als 60 Prozent der verkauften Produkte gehen laut Action für 2 Euro oder weniger über den Ladentisch. Gerade einmal 8 Prozent kosten mehr als 5 Euro.

Nur rund ein Drittel des Sortiments ist fix, der Rest wechselt regelmässig. Jede Woche gibt es 150 neue Artikel. Ziel ist es, die Kunden öfter in die Läden zu locken und sie – in der Hoffnung auf ein neues Schnäppchen – länger im Geschäft zu behalten.

Action weist in Unterlagen für Investoren stolz auf das einfache Geschäftsmodell hin, das eine nahtlose Expansion über Landesgrenzen hinweg erlaubt. So ist der Händler heute bereits in den Niederlanden, Belgien, Frankreich, Deutschland, Luxemburg, Österreich, Polen, der Tschechischen Republik, Italien, Spanien und der Slowakei präsent. Dieses Jahr erfolgte die erste Eröffnung in Portugal.

Ladenflächen in der Schweiz gesucht

Ein weisser Fleck auf der Europakarte ist die Schweiz – noch. Denn auch hierzulande sucht das Unternehmen nach Ladenflächen und Personal, wie es in der Branche heisst. Es ist allerdings davon auszugehen, dass der Markteintritt nicht vor 2025 erfolgt.

Das Tempo, mit dem Action Läden eröffnet, macht etablierte Händler nervös. So ist er etwa für die deutschen Lebensmittel-Discounter Aldi und Lidl im Non-Food-Bereich eine Konkurrenz. Laut Schätzungen der «Lebensmittel-Zeitung» macht Action europaweit bereits mehr Umsatz als Lidl im Non-Food. Die Wühltische bei Aldi und Lidl mit der wechselnden Auswahl an leichten Jacken, Handstaubsaugern und Ähnlichem sind ein wichtiges Element, um Kunden in die Läden zu locken.

Mit 526 Filialen (2023) ist Action in Deutschland noch deutlich kleiner als Lidl mit seinen rund 3250 Läden. In Frankreich, dem mit Abstand grössten Markt, hat Action mit 799 Geschäften aber schon mehr als halb so viele Filialen wie Lidl (1500).

Stadtrand und Fachmarktzentren

Um die Kosten tief zu halten, konzentriert sich Action auf Standorte mit günstigen Mieten und Parkplätzen, also eher am Stadtrand sowie in Einkaufs- oder Fachmarktzentren. Das wird in der Schweiz ähnlich sein.

Bei den Zentren der Migros werden aufgrund der Schliessungen oder des Verkaufs der Fachmärkte Melectronics und SportX Flächen frei. Der Schweizer Detailhändler wird es sich aber zweimal überlegen, ob er diese Quadratmeter einem Billigkonkurrenten vermieten will. Dieser bringt zwar möglicherweise mehr Frequenz für ein Center, dürfte aber auch die Umsätze der Migros-Läden konkurrenzieren.

Das Expansionstempo hängt davon ab, wie rasch Action geeignete Standorte finden wird. Im bevölkerungsmässig ähnlich grossen Österreich hatte das Unternehmen nach zweieinhalb Jahren die 25. Filiale eröffnet. Heute, rund neun Jahre nach dem Start im Nachbarland, sind es dort über 100 Läden.

Es wird interessant sein, zu sehen, ob Action hierzulande an den Erfolg im restlichen Europa anknüpfen kann. Erschwerend ist zunächst die Tatsache, dass die Schweiz im Vergleich mit anderen Ländern bereits eine relativ hohe Ladendichte hat. Weiter fragt sich, wie billig Action sein Sortiment angesichts der hohen Schweizer Mieten und Löhne anbieten kann.

Wie günstig kann es werden?

Denn vom Preis hängt es auch ab, wie sehr sich die Niederländer von etablierten Detailhändlern im Billigsegment mit zum Teil ähnlichen Sortimenten abgrenzen können – beispielsweise von Otto’s und dessen Restposten-Tochter Radikal Liquidationen oder der mehr aufs Wohnen ausgerichteten Kette Gifi, die hauptsächlich in der Westschweiz, aber vereinzelt auch diesseits des Röstigrabens präsent ist.

Obwohl die Inflation hierzulande im Vergleich mit anderen Ländern deutlich tiefer sei, so planten doch viele Leute, vermehrt auf Aktionen zu achten oder bei günstigeren Anbietern einzukaufen, sagt Karine Szegedi, Leiterin Konsumgüterindustrie beim Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsunternehmen Deloitte, das im vergangenen November eine Umfrage zu dem Thema durchgeführt hat.

Natürlich könne eine solche Haltung dazu führen, dass öfter bei Billiganbietern eingekauft werde. Das ändere allerdings nichts an der Tatsache, dass die Schweiz für ausländische Detailhändler ein schwieriges Terrain sei. «Es lässt sich nicht jedes Geschäftsmodell importieren», sagt sie mit Verweis auf verschiedene ausländische Unternehmen, die in den letzten Jahren das Land mangels Erfolg wieder verlassen haben.

Zumindest im übrigen Europa scheint das Action-Rezept jedenfalls zu funktionieren. Auf der Deloitte-Rangliste der grössten Detailhändler zählt Action weltweit zur Gruppe der 50 am schnellsten wachsenden Firmen. Und im globalen Ranking nach Umsatz ist der Discounter innerhalb eines Jahres um 24 Ränge vorgerückt und steht nun auf Platz 144.

Milliarden für die Investoren

Egal, wie rasch Action dereinst in der Schweiz vorwärtsmachen wird: Für den Private-Equity-Eigentümer 3i ist Action ein äusserst erfolgreiches Investment. Das 1993 gegründete Unternehmen, das auf Rob Wagemaker und die Brüder Gerard und Boris Deen, alles Niederländer, zurückgeht, hat über die vergangenen zwölf Jahre umgerechnet rund 3 Milliarden Franken an den Finanzinvestor ausgeschüttet.

Seit dem Einstieg von 3i wächst die Zahl der Filialen stark. Zeitweise konnten in Frankreich die Verteilzentren mit dem Expansionstempo nicht mithalten, so dass sich die Eröffnung von Geschäften verzögerte. Laut Action dauert es unterdessen weniger als zwölf Monate, bis ein neuer Laden Geld verdient.

Beim Betriebsgewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) weist Action einen stolzen Wert von über 14 Prozent aus. Bei der – nicht 1:1 vergleichbaren – Coop-Gruppe betrug diese Kennziffer in den letzten Jahren jeweils um die 7 Prozent.

Stolze Bewertung

Per Ende 2023 bewertete 3i selber ihren Anteil von knapp 55 Prozent an Action mit 13,7 Milliarden Pfund oder umgerechnet 15,7 Milliarden Franken. Das ganze Unternehmen, von dem 3i ein weiteres Paket mit 30 Prozent der Aktien für andere Investoren verwaltet, wäre somit theoretisch 28 Milliarden Franken wert.

Diese stolze Zahl ist allerdings mit grosser Vorsicht zu geniessen. Denn es ist unklar, wer tatsächlich bereit wäre, so viel für den Discounter zu bezahlen – oder wie die Börse das Unternehmen einschätzen würde.

Doch 3i scheint im Moment sowieso nicht an einen Ausstieg zu denken, obwohl man schon viel länger als die übliche Haltedauer von drei bis fünf Jahren beim Discounter investiert ist: «Action ist ein Langzeitinvestment für 3i», sagt ein Sprecher der Finanzfirma.

Nicht mehr dabei ist die Schweizer Private-Equity-Firma Partners Group. Sie hat 2019 einen kleinen Anteil an Action nach acht Jahren verkauft und dabei «einen sehr attraktiven Gewinn» erzielt, wie es im Jahresbericht heisst.

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