Donnerstag, November 28

Kein Team der National League büsste auf dem Transfermarkt so viel Substanz ein wie der EHC Biel, der Finalist von 2023. Gelingt es dem neuen Coach Martin Filander, den Umbruch ohne jähen Absturz zu moderieren?

Der Sommer ist die Zeit der Hoffnung im Eishockey. In der National League keimt von Ajoie bis Zug diese Hoffnung, dass alles besser wird. Hier ein brillanter neuer Coach, dort ein verheissungsvoller Transfer. Immer gewürzt vom Pep des Marketings: Das wird unser Jahr, jetzt aber schnell ein Saisonabonnement kaufen.

Der EHC Biel ist in diesem Jahr so etwas wie die Antithese zu diesem Mechanismus. Der Finalist von 2023 ist stark geschwächt in die Saison gestiegen, nachdem mehrere Teamstützen weitergezogen waren: Mike Künzle nach Zug, Yannick Rathgeb nach Freiburg und Beat Forster in den Sonnenuntergang des Ruhestands. «Wir befinden uns in einer Erneuerungsphase und benötigen Geduld», sagt der Sportchef Martin Steinegger. So klar formuliert hört man das selten in einer Branche, in der Zeit ein kostbares Gut ist, weil man bei Misserfolg sehr schnell ohne Job dastehen kann. Egal, welche Meriten im Palmarès stehen.

Aber Biel funktioniert anders, in den Schlüsselpositionen herrscht eindrückliche Kontinuität: Der Ur-Bieler Steinegger befindet sich seit 2008 im Klub, der CEO Daniel Villard sogar schon seit 2003. Die beiden leiten den Verein mit Umsicht. Und revidieren die Meinung nicht nach jeder Niederlage.

Verliebt sich kein Milliardär in diesen Klub, bleiben die Budgets der Topteams auch auf Sicht Utopie

Schon gar nicht nach dem 1:3 gegen den Meister ZSC zum Saisonauftakt am Dienstag. Biels Zweitliniencenter hiess Jérémie Bärtschi, er ist ein 22-jähriges Talent, das in den letzten drei Jahren regelmässig in die Swiss League ausgeliehen wurde. Seine Nomination an so prominenter Stelle war Verletzungssorgen geschuldet, aber sie zeigt exemplarisch auf, wie viel Substanz Biel derzeit von den Topteams trennt.

Der CEO Villard sieht das pragmatisch, er sagt: «Wir müssen uns heute nicht mit dem ZSC vergleichen, das ist ein Verein mit ganz anderen Mitteln. Unser Ziel muss es sein, das Optimum aus unseren Möglichkeiten herauszuholen.» Die finanziellen Unterschiede werden auch auf Sicht bestehen – Villard rechnet damit, dass der Klub mittelfristig maximal eine Million Franken an zusätzlichen Mitteln generieren kann. Er sagt: «Die Sprünge werden kleiner. Es gibt Limiten, was in der Stadt und der Region Biel wirtschaftlich möglich ist.»

Sollte sich kein Milliardär unsterblich in den EHC verlieben, wird der Verein auch in Zukunft kein Budget wie die Topteams Zürich, Lausanne und Genf stemmen können.

Will Biel zurück an die Spitze, wird es andere Wege finden müssen. Immerhin könnte der Klub dafür den richtigen Coach gefunden haben. Gegen den ZSC hielt der Aussenseiter wacker mit, er gefiel mit schnörkellosem Tempohockey; die Ideen des neuen Trainers Martin Filander scheinen deutlich besser zu diesem Team zu passen als jene seines im Februar entlassenen Vorgängers Petri Matikainen.

Filander ist 43, gemahnt ein bisschen an einen Soziologiestudenten und hat viel Erfahrung damit, Underdogs anzuleiten: Der schwedische Kleinstklub Oskarshamn ärgerte unter ihm in den letzten Jahren regelmässig die Grossen der Liga. Bis die finanziellen Limiten nicht mehr zu kaschieren waren und der Verein im Frühjahr abstieg.

Damien Brunners Wunsch nach der ewigen Jugend: «Schade, bin ich nicht zehn Jahre jünger»

Unter Filander spielt Biel ähnlich wie unter dem Erfolgscoach Antti Törmänen, der sein Amt im Frühling 2023 nach dem verlorenen Play-off-Final gegen Genf/Servette aufgrund einer Krebserkrankung abgab. Einer, der Filander jetzt schon lobt, ist der Routinier Damien Brunner. Der 38-jährige Stürmer sagt: «Er passt zu uns. Er ist ein sehr guter Kommunikator, der weiss, wie man Spielern etwas beibringt. Das brauchen wir jetzt. Wir sind nicht mehr gut genug, um alleine vom Talent zu leben. Die Tage sind besser organisiert, wir machen Fortschritte.»

Filander ist nicht der einzige Zugang, von dem Brunner schwärmt: Da ist auch Lias Andersson, ein schwedischer Angreifer. Dieser war im NHL-Draft von 2017 bereits an siebter Stelle ausgewählt worden, fand das Glück bei den New York Rangers aber nie. Brunner sagt: «Das ist einer der besten Transfers der letzten Jahre. Schade, bin ich nicht zehn Jahre jünger. Er ist so stark, dass es hätte kommen können wie damals mit Josh Holden . . .» Neben dem Kanadier Holden war Brunner 2012 im EV Zug Liga-Topskorer geworden. Holden, 46, hat seine Karriere 2018 beendet und wirkt inzwischen als Cheftrainer des HC Davos.

Ein nach Lust und Laune skorendes Duo wie damals Brunner/Holden benötigt Biel vor allem jetzt, zum Saisonstart. Der wichtigste Center und Captain Gaëtan Haas dürfte frühestens in zehn Tagen wieder einsatzfähig sein, und gegen den ZSC verletzte sich zudem der finnische Kunstschütze Toni Rajala. Biel verfügt längst nicht mehr über die Kaderbreite, um derart gewichtige Ausfälle kompensieren zu können.

Es könnte ein kniffliger Saisonstart werden für dieses Team – es würde nicht überraschen, müsste der Manager Steinegger dem Anhang seine Bitte nach Geduld in den kommenden Tagen noch ein paarmal ins Gedächtnis rufen.

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