Sonntag, November 24

Noch vor einem Jahr übertrafen die Klotener als Aufsteiger alle Erwartungen. Heute ist von dieser Ausgelassenheit nicht mehr viel übrig. Die Transferpolitik und Aussagen von Larry Mitchell sorgen für Irritationen.

Vor Jahresfrist wirkte der EHC Kloten als Aufsteiger wie ein prosperierendes Biotop, in dem allerlei gedieh. Die Geschichte des gesundheitlich angeschlagenen Trainers Jeff Tomlinson berührte und inspirierte, der junge Verteidiger David Reinbacher spielte eine Saison für die Ewigkeit und wurde von Montréal im NHL-Draft an fünfter Stelle gezogen. Sportlich übertraf das Klotener Kollektiv mit dem Einzug ins Pre-Play-off alle Erwartungen.

Heute ist von dieser Ausgelassenheit nicht mehr viel übrig. Kloten ist Zweitletzter und verliert oft. Der Sportchef Larry Mitchell musste den von ihm im Sommer als Wunschlösung präsentierten Chefcoach Gerry Fleming schon im November entlassen; seither übt Mitchell in einem Doppelmandat auch den Trainerjob aus.

Ist es nicht der Klotener Plan, Perspektivspieler zu verpflichten, die anderswo nicht glücklich geworden sind?

Der Erfolg ist, na ja, überschaubar. Mitchell fiel zuletzt mit zweierlei auf: dass er in der Stunde der Not lieber als Assistenztrainer des Team Canada am Spengler-Cup weilte, anstatt in Kloten das Training zu leiten. Und mit der verblüffenden Aussage in einem «Blick»-Interview, wonach es aus seiner Sicht «fahrlässig» wäre, die «gute Beziehung» zwischen ihm und der Mannschaft mit der Einstellung eines neuen Mannes zu gefährden. Es ist eine bemerkenswerte Wahrnehmung angesichts der oft desolaten Klotener Auftritte der letzten Wochen.

Es fragt sich, ob Mitchell, 56 Jahre alt, in Kloten eine Zukunft hat. Als Trainer offenkundig nicht – die Suche nach einem Nachfolger läuft auf Hochtouren. Wobei es auch sein kann, dass dieser erst auf die nächste Saison hin engagiert wird. Mitchell war als Sportchef im Oktober 2022 als Nachfolger von Patrik Bärtschi ohne allzu tiefe Vorkenntnis über das Schweizer Eishockey mit einem unbefristeten Vertrag eingestellt worden.

Mitchell hat unterdessen auch in dieser Funktion im buntscheckigen Klotener Umfeld an Rückhalt eingebüsst. Der kurz nach Saisonstart verpflichtete Verteidiger Nathan Beaulieu ist bis dato eine herbe Enttäuschung. Für die Saison 2024/25 hat der EHC noch immer keinen Nummer-1-Goalie unter Vertrag, es hagelte in den letzten Monaten Absagen. Dafür erhielt Tyler Morley, ein Kanadier, der in 25 Spielen 14 Skorerpunkte produzierte, eine vorzeitige Vertragsverlängerung um zwei Jahre. Und die Verpflichtung des Centers Nolan Diem, eines 30 Jahre alten Mitläufers bei den SCL Tigers, sorgte für Erstaunen.

Ist es nicht der Klotener Plan, Perspektivspieler zu verpflichten, die anderswo nicht glücklich geworden sind? So wie das die Rapperswil-Jona Lakers, Ambri-Piotta und Langnau tun?

«Larry Mitchell geniesst unser vollstes Vertrauen», sagt jener Mann, auf dessen Meinung es ankommt: der Unternehmer Jan Schibli, der dem Klub seit drei Jahrzehnten verbunden ist und schon verschiedenste Funktionen bekleidet hat. Seit dem Herbst führt er den EHC im Co-Präsidium mit Jan Sommerhalder.

In dieser Woche zeigte sich die Rückwärtsgewandtheit – der Meistertrainer Suhonen meldete sich

Am Donnerstagnachmittag sitzt Schibli in seinem Zürcher Büro und ist darum bemüht, die Dinge in Relationen zu setzen. Er sagt: «Der Abstiegskampf ist für uns eine Enttäuschung, aber keine Überraschung. Wir dürfen nicht vergessen, woher wir kommen und was unsere finanzielle Möglichkeiten sind. In den meisten Prognosen vor der Saison lagen wir auf Platz 13. Und da stehen wir jetzt auch.» Er fügt an: «Wir sind nicht mehr das Kloten von Felix Hollenstein, welches um den Titel mitspielt. Unsere Realität ist nun eine andere, sie spielt sich in der unteren Tabellenhälfte ab.»

Es ist zehn Jahre her, seit Kloten in der National League eine Play-off-Serie gewonnen hat. Aber es gibt viele, die dem Glanz von einst nachtrauern, auch wenn diese Zeit kaum je zurückkommen wird. Es sei denn, es findet sich ein solventer Geldgeber, der gerne mehrere Millionen Franken pro Winter verpulvert.

In dieser Woche zeigte sich die Rückwärtsgewandtheit im Umfeld exemplarisch: Der «Tages-Anzeiger» veröffentlichte einen kritischen Artikel zu Mitchell, zu dem Alpo Suhonen auf Facebook kommentierte, dass «kanadisches Hockey nicht nach Kloten passt». Suhonen, 75, war 1996 Klotens letzter Meistertrainer, er ist heute in Finnland im Ruhestand.

Seine These ist natürlich Unsinn, Tomlinson widerlegte sie in den vergangenen zwei Jahren eindrücklich, aber die Episode veranschaulicht, wie schwer es manchen fällt, die Vergangenheit loszulassen.

Die Perspektiven bleiben nicht rosig. Der EHC müsse wachsen, sagt Schibli. Und das brauche Zeit, es bedürfe dreier bis fünf Jahre, um jenes Fundament zu schaffen, das er sich vorstelle. Es gibt Pläne für zusätzliche Logen und den Ausbau der Stadiongastronomie. 2024/25 soll ein neuer Videowürfel weitere Marketingmöglichkeiten eröffnen.

Die Zusatzeinnahmen brauchte es, denn der EHC Kloten ist trotz ansprechendem Zuschauerzuspruch von knapp 5500 Besuchern pro Spiel ein hochdefizitäres Unternehmen. Die acht Haupteigentümer, zu denen Schibli und sein Vorgänger Mike Schälchli gehören, müssen jährlich ein strukturelles Defizit von knapp zwei Millionen Franken deckeln.

Die Krise der Aufstiegskandidaten in der Swiss League lindert die Klotener Sorgen

Jeder Franken zählt in Kloten, Schibli fährt eine Politik der Vernunft. Schon nur weil er die schwierigsten Stunden der Klubgeschichte intensiv miterlebte: Er gehörte zu jenen Menschen, die den Verein retteten, nachdem dieser 2012 nach Jahren der Misswirtschaft beinahe im Konkurs versunken wäre.

Schibli plädiert deshalb auch in der Stunde des sportlichen Tiefgangs für Besonnenheit. Was nicht bedeutet, dass er mit der Situation zufrieden wäre. Nach der 0:4-Heimniederlage gegen Biel vor Wochenfrist richtete er in der Kabine deutliche Worte an die Mannschaft. In diesen Tagen wird die Verpflichtung eines Mentaltrainers finalisiert.

Es fehlt im Klotener Team an vielem in dieser Saison, nicht nur an Qualität. Die Ausländer sind fast durchs Band weit hinter den Erwartungen zurückgeblieben. Der einstige Vorkämpfer und Teamleader Marc Marchon ist seit Wochen ein Ärgernis – und wechselt nach dem Saisonende nach Bern. Reinbacher ist kaum wiederzuerkennen, die Leichtigkeit aus dem Vorjahr ist weit weg.

Unabhängig davon, wer dieses Team bald verantworten wird: Die Aufgabe ist sehr anspruchsvoll. Klotens Glück ist, dass aus der Swiss League kaum Ungemach droht. Einzig Visp und Olten haben die Lizenz für einen Aufstieg erhalten. Visp liegt trotz üppigem Budget und mit Heinz Ehlers als teuerstem Coach der Klubgeschichte unfassbarerweise nur auf dem neunten Platz und droht das Play-off zu verpassen. Olten steht unter Spardruck und befindet sich in einer Existenzkrise, die am Donnerstag in der Entlassung des Trainers Lars Leuenberger gipfelte. Es gibt also doch noch gute Nachrichten für den Klotener Kosmos.

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