Donnerstag, November 28

Der tschechische Weltmeister Dominik Kubalik ist nach Ambri zurückgekehrt. Kann er den ewigen Aussenseiter noch einmal so hoch fliegen lassen wie in der Saison 2018/19?

Im Mai wird Tschechien in Prag Weltmeister, Dominik Kubalik steuert fünf Treffer bei und ist drittbester Skorer seines Teams. In Sementina verfolgt Ambris Trainer Luca Cereda die WM am TV und denkt: Was für ein Spieler. Kubalik, 29, ist in Pilsen gross geworden, ehe sein Stern in Ambri aufging zwischen Dezember 2017 und dem Frühjahr 2019. Kubalik wurde Topskorer der National League, mit Dominic Zwerger bildete er die aufregendste Flügelzange der Liga. Ihr Modus Operandi, Zwergers Querpass und Kubaliks Abschluss, war ein Torgarant.

Kubalik war für Ambri mehr als ein Skorer, er wurde zur Lichtgestalt und veränderte das Selbstverständnis dieses ewigen Aussenseiters. Es sind die Menschen der Leventina, die den Mythos Ambri erschaffen haben. Der Klub kannte seine Dorfkönige, die Celios und Zamberlanis. Aber oft waren es ausländische Spieler, die sich unsterblich machten: Dale McCourt, Oleg Petrow, Jean-Guy Trudel. Und Kubalik.

Seit dem Jahr 2000 hat der Dorfverein keine Play-off-Serie mehr gewonnen, in den letzten achtzehn Spielzeiten schaffte das Team die Qualifikation nur zwei Mal. Mit Kubalik wurde Ambri 2019 Fünfter, es war das beste Abschneiden seit 2002 und katapultierte den Verein in die Champions Hockey League.

Der Sportchef Duca führt Kubalik zwei Mal nach Ambri

Es gab im Sommer Gerüchte, dass der Flügelstürmer zurückkehren könnte. Ambris Sportchef Paolo Duca hatte über die Jahre wohlweislich engen Kontakt gehalten. Auch er glaubte nicht wirklich an den Coup, aber es hat sich bei diesem Spieler ja schon einmal ausgezahlt, zu träumen: Nachdem er Kubalik an der WM 2017 in Paris im Training gesehen hatte, war er von seiner Klasse derart begeistert, dass er Ambris damaligen tschechischen Stürmer Lukas Lhotak damit beauftragte, die Handynummer zu organisieren.

Kubalik stand für 2017/18 zwar längst bei Salawat Ufa in der KHL im Wort, aber Duca fand, man könne nie wissen, gerade in Russland, wo die Versprechen gross seien und die Personalfluktuation noch grösser, weil die Manager sich nicht immer an ihr Wort hielten. Ducas Instinkt täuschte ihn nicht: Als Kubalik überzählig und unzufrieden war, finanzierte Ambri seine Ausstiegsklausel. Es war der Beginn einer Amour fou.

Im Sommer 2024 ist der Fall schwieriger gelagert. Schliesslich ist es erst zwei Jahre her, dass Kubalik für die Detroit Red Wings in 81 Spielen 45 Skorerpunkte produzierte. Es besteht kein Zweifel daran, dass er gut genug für die NHL ist. Doch je länger die erhoffte Vertragsofferte aus Übersee ausblieb, desto stärker keimte in Ambri die Hoffnung. Mehr im Umfeld als bei der sportlichen Führung. Diese verpflichtet Ende August mit Kodie Curran einen dritten ausländischen Verteidiger.

Ein paar Tage später meldet sich Kubalik: Er wolle nicht mehr warten, sondern spielen. Cereda sagt: «Wir hatten gerade ein Vorbereitungsspiel in Herisau absolviert, da kam der Anruf. Und ich dachte: ‹Porco troia›, es passiert tatsächlich. Ich war wirklich überrascht.»

Bis zum 15. Dezember kann Kubalik aus seinem Vertrag aussteigen, es kann sein, dass er morgen weg ist. Doch seine Ankunft hat etwas ausgelöst rund um den Klub. Der im Sommer eingesetzte CEO Andreas Fischer spricht von einer Euphorie; der Verein liess extra «Kuba»-Shirts drucken, die sich sehr gut verkauften, vielleicht auch wegen der Doppeldeutigkeit mit der sozialistischen Republik in der traditionell linksorientierten Curva Sud.

Personenkult ist selten im Schweizer Eishockey, der ZSC verkaufte in der letzten Saison weniger als 200 Trikots von Denis Malgin, dem strahlenden NHL-Rückkehrer und Aushängeschild. Der Anteil der Menschen, die sich ein Ticket sichern, weil sie einen Einzelspieler sehen wollen, ist klein. So ist das, wenn die Stars allesamt in der NHL spielen. Kubalik kann eine Ausnahme sein, er stellt für Ambri und die Liga eine Bereicherung dar.

Am Freitagabend kurz nach 22 Uhr steht Kubalik in der Swiss-Life-Arena vor der Gästegarderobe, sein Team hat dem Meister ZSC alles abverlangt, aber trotz dreimaliger Führung in der Verlängerung verloren, 4:5. Man merkt Kubalik an, dass er die letzten fünf Jahre in der NHL verbracht hat; seine Antworten sind knapp und bestimmt.

In Europa sei für ihn nur Ambri infrage gekommen, er habe allerbeste Erinnerungen an seine Zeit hier. Und er habe auch in Übersee an jedem Spieltag die Resultate gecheckt. Er denke heute nicht an die NHL, sondern wolle diesem Klub helfen und hätte auch kein Problem damit, die gesamte Saison hier zu verbringen. Er habe die Valascia geliebt, aber der Komfort in der 2021 eröffneten Gottardo-Arena bedeute schon eine Aufwertung, die Arbeitsbedingungen seien viel besser.

Kompensiert Kubalik Ambris eklatante Mängel in der Defensive?

Ein paar Meter neben ihm hat sich der Trainer Cereda einen Teller Gemüse geschnappt und findet warnende Worte: «Man darf nicht vergessen, dass Eishockey ein Mannschaftssport ist. Kuba ist eine enorme Verstärkung für uns. Aber man darf nicht denken, dass er alle unsere Probleme löst, er kann es nicht alleine richten.»

Cereda und Duca stehen Ambri in der achten Saison vor und kommen nicht darum herum, sehr viel Energie darauf zu verwenden, die Erwartungshaltung zu dämpfen. Es ist eine Sisyphosaufgabe, die nicht zuletzt der Präsident Filippo Lombardi mit seiner gutmütigen Art regelmässig sabotiert – der ehemalige CVP-Ständerat sieht seinen Klub notorisch kurz davor, den ganz grossen Wurf zu landen. Es ist mit ein Grund dafür, dass die sportliche Führung in den letzten Jahren Ermüdungserscheinungen offenbart hat; Cereda und Duca sinnierten lange über einen Rücktritt.

Sie entschieden sich dagegen, auch aus Liebe zum Klub, sie beide sind Söhne der Leventina und dem Verein tief verbunden. Aber sie stehen unter Erfolgsdruck nach mehreren sportlich schwierigen Jahren mit dem einsamen Höhepunkt des Spengler-Cup-Triumphs von 2022. Mit Kubalik sei die Top 10 Pflicht, eigentlich sogar die direkte Play-off-Qualifikation, das ist der Tenor im Umfeld.

Dabei gibt es keine Garantie dafür, dass Kubalik die eklatanten Schwächen dieses Teams in der Defensive und auf der Torhüterposition kompensieren kann – und wenn doch: für wie lange? Immerhin: Am Samstag sicherte der Starstürmer Ambri im Penaltyschiessen den ersten Saisonsieg, ein 3:2 gegen Kloten, bei dem der Favorit abermals eine Führung verspielte. Die ersten drei Meisterschaftsrunden geben Cereda recht: Selbst Kubalik kann Ambri nicht allein zum Glück führen.

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