Mittwoch, März 12

Markus Ritter führte einen beispiellosen Wahlkampf. Doch als mächtiger Bauernpräsident hat er sich viele Gegner gemacht.

Markus Ritter ist es gewohnt, dass seine Kalkulationen aufgehen. «Wir brauchen mindestens 100 National-, 23 Stände- und 4 Bundesräte, die unsere Positionen teilen», lautet die Erfolgsformel des Bauernpräsidenten. Für einmal aber hat er sich verrechnet. Am Mittwoch verfehlte sein Konkurrent Martin Pfister das absolute Mehr schon im ersten Wahlgang mit 122 Stimmen nur äusserst knapp. Um 9 Uhr 37 war der Urnengang entschieden: Im zweiten Wahlgang wählte die Vereinigte Bundesversammlung Pfister mit 134 Stimmen zum Bundesrat. Ritter kam auf 110 Stimmen.

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Nach der Niederlage gab er sich als souveräner Verlierer. «Ich hätte das sehr gerne gemacht, mit Freude, mit Herzblut und mit letzter Kraft», räumte er vor den Medien in Bern ein. Die Kandidatur sei für ihn eine grosse Ehre und eine reiche Erfahrung gewesen. Mit Pfister arbeitete Ritter gut zusammen. Er habe diesen nicht gekannt, aber einen Freund gewonnen, sagte er. «Ich wünsche Martin Pfister nur das Beste und Gottes Segen.» Ritter erinnerte daran, dass er nicht vorgehabt hatte, zu kandidieren, sich aufgrund der vielen Absagen jedoch dazu entschloss.

Selbstbewusster Auftritt

Der 57-jährige St. Galler war als Favorit gestartet und hatte einen beispiellosen Wahlkampf geführt. Seit längerem tat kein Politiker mehr derart offensiv kund, dass er unbedingt Bundesrat werden will – mit der Ausnahme von Daniel Jositsch (SP). Seine Kandidatur lancierte Ritter im historischen Saal der früheren Kreisdirektion IV der SBB im St. Galler Hauptbahnhof. In einem Land, das das Understatement mag, strotzte er vor Selbstbewusstsein. Er habe den Bauernverband mit seinem Team zu einer der modernsten und effizientesten Organisationen der Schweiz gemacht, stellte Ritter klar. «Der Verband funktioniert wie eine gut geölte Maschine, zuverlässig und leistungsfähig.»

Tatsächlich ist Ritters Erfolgsbilanz eindrücklich. Er brachte den Bauernverband auf Linie und verhinderte wiederholt Budgetkürzungen. Er gewann alle wichtigen Volksabstimmungen, half, die Pestizid- und die Trinkwasserinitiative zu versenken, und brachte eine Agrarreform zu Fall. Bei den neuen und revidierten Abkommen mit der EU erreichten die Bauern, was in der Schweiz viele gerne hätten: Für Streitfälle ist beim Landwirtschaftsabkommen ein Schiedsgericht geplant, aber ohne Einbezug des Europäischen Gerichtshofs (EuGH).

Die Nichtwahl ist der Knick in der Karriere des konservativen Rheintalers. 2011 schaffte er für die damalige CVP die Wahl in den Nationalrat, im Folgejahr übernahm er das Präsidium des Bauernverbandes. Besser hätte Ritter auf nationaler Ebene nicht starten können, schrieb das «St. Galler Tagblatt». Nun hat der Machtbewusste gegen einen Aussenseiter verloren. Starke Figuren haben es bei Bundesratswahlen meist schwerer. Eher wählt die Vereinigte Bundesversammlung die opportunen und durchschnittlichen Kandidaten. Dass ein Politiker die Wahl in den Bundesrat schafft, der nicht im Parlament sitzt oder sass, ist seit Eveline Widmer-Schlumpf nicht mehr vorgekommen.

Ritter stand sich mit seinem forschen Auftreten selber im Weg. Die Wirtschaftskraft der urbanen Regionen und Städte ist überdurchschnittlich gross. Ritter aber tönte an, nur auf dem Land wisse man noch, was Arbeit bedeute. In der städtischen Schweiz würden die Leute fehlen, die diese Belastung wollten, sagte er den Tamedia-Zeitungen. Er sei es gewohnt, fast 365 Tage im Jahr zu arbeiten. «Mehr schaffen kannst du gar nicht, auch nicht als Bundesrat.»

Die unversöhnliche Seite

Ritter hatte am Mittwoch vor den Medien Mühe, seine Niederlage zu erklären. Die Fraktionen hätten auch taktische Überlegungen angestellt, sagte er. Doch klar ist, dass sich der Bauernpräsident im Parlament viele Gegner gemacht hat, besonders im umweltfreundlichen Lager von den Grünen über die SP bis zu den Grünliberalen. Im Streit mit den Umweltverbänden zeigte sich die unversöhnliche Seite des Biobauern.

Diese griffen ihn und den Bauernverband 2020 mit der Negativkampagne «Agrarlobby stoppen!» an, die für Schweizer Verhältnisse weit ging. Ein Video im Vorfeld der Trinkwasser- und der Pestizidinitiative zeigte sterbende Bienen, tote Fische und den lächelnden Ritter vor dem Bundeshaus und mit Champagner. Für ihn war damit eine rote Linie überschritten. «Der Bauernverband und seine Exponenten wurden auf eine Weise diskreditiert und verunglimpft, die weh tat», sagte er Ende 2023 der «NZZ am Sonntag». Bis heute warte er auf eine Entschuldigung. Fortan setzte er auf eine Zusammenarbeit mit den Wirtschaftsverbänden, von den Linken als «Geld-und-Gülle-Allianz» verspottet.

Auch bei weiten Teilen der Freisinnigen war die Skepsis jedoch gross, einen weiteren Bauern in die Regierung zu wählen, der den Freihandel kritisch sieht. Langjährige Parlamentarier haben nicht vergessen, wie der Bauernpräsident den früheren Bundesrat Johann Schneider-Ammann (FDP) bei der Agrarreform wie einen Schulbuben vorführte. Ritter versicherte im Wahlkampf zwar, er werde im VBS bleiben, bis die Arbeit gemacht sei. Doch in einigen Jahren hätte er wohl die Chance gehabt, das Wirtschaftsdepartement zu übernehmen, wenn Guy Parmelin (SVP) abtritt.

Mit einer Mischung aus Unnachgiebigkeit und Opportunismus ist Ritter weit gekommen. Bei den Bundesratswahlen half ihm dies jedoch nicht. Europafreundliche Parlamentarier etwa verärgerte er mit Aussagen in einem Fragebogen der Zeitungen von CH Media. So antwortete er auf die Frage, ob es bei den neuen und revidierten Abkommen mit der EU das Ständemehr brauche: «Ich bin dafür, da es sonst im Abstimmungskampf gegen das Paket verwendet wird.»

Ritter bleibt nun dem Bauernverband erhalten, um weitere Kämpfe zu führen. Er versuchte, der Niederlage vor den Medien denn auch eine positive Seite abzugewinnen. Er richtete sich an «seine Bäuerinnen und Bauern»: Es werde viele geben, die an diesem Tag aufatmeten. Er werde seine Aufgaben als Nationalrat, Präsident des Bauernverbandes und Mitglied der Wirtschaftskommission weiterhin mit Freude ausüben. In drei Jahren ist allerdings Schluss: 2028 tritt Ritter als Bauernpräsident zurück, wie er bereits angekündigt hat.

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