Mittwoch, Oktober 9

Wer ist die schönste digitale Diva? Eine Jury aus zwei echten Menschen und zwei bekannten KI-generierten Influencerinnen kürt am Freitag die Gewinnerin.

An Schönheitswettbewerben für Frauen scheiden sich die Geister. Die Blütezeit der Wettbewerbe – in den 1960ern und 70ern verfolgten mehr als zwei Drittel der amerikanischen TV-Zuschauer die Wahlen zur Miss America vor den Bildschirmen – scheint zwar vorbei. Doch noch immer träumen Mädchen von einer Karriere auf dem Laufsteg, «Germany’s Next Topmodel» lässt grüssen.

Kritikerinnen und Kritiker sehen in den Events eine blosse Fleischbeschau, die Frauen zum Sexobjekt degradiere. Ein Vorwurf lautet, die Teilnehmerinnen mit dem vielen Bling-Bling und dem aufgesetzten Lächeln wirkten künstlich.

Treten bald digitale Misses gegen echte Menschen an?

Doch richtig künstlich wird es jetzt: Mit der «Miss AI»-Wahl gibt es zum ersten Mal einen Wettbewerb, an dem durch künstliche Intelligenz kreierte «Frauen» gegeneinander antreten. Ins Leben gerufen wurde der Anlass von den World AI Creator Awards (Waica). Für die Bewerbung kann dort noch bis Freitag das computergenerierte Bild einer Frau eingereicht werden. Der Wettbewerb soll die Leistungen von KI-Schöpfern weltweit anerkennen. Es winken Preisgelder in Höhe von 20 000 Dollar. Ende Mai soll die Gewinnerin im Netz bekanntgegeben werden.

Die digitalen Diven werden nach ihrem Äusseren bewertet und nach ihrer Fähigkeit, Fragen zu beantworten. Ihr Einfluss in den sozialen Netzwerken, zum Beispiel die Zahl ihrer Follower und die Interaktionen mit diesen, spielen ebenfalls eine Rolle. Ein besonderes Augenmerk liegt auf Details wie Händen, Augen und Hintergrund.

Die Jury setzt sich aus zwei Menschen und zwei KI-Models zusammen. Zu Letzteren gehört Aitana Lopez, Schöpfung einer Werbeagentur aus Barcelona. Auf Instagram folgen dem Fitnessmodel mit der pinkfarbenen Frisur 313 000 User, die meisten von ihnen männlich, was mit Lopez’ leichter Bekleidung und ihren aufreizenden Posen zu tun haben könnte. Ähnlich die andere KI-Jurorin: Die Influencerin Emily Pelligrini ist eine künstliche Schönheit, die behauptet, aus Italien zu sein. Sowohl mit Lopez als mit Pelligrini kann man auf der Plattform Fanvue chatten, dort teilen sie gegen Gebühr auch erotische Bilder und Videos. Beide wurden von prominenten Followern schon für echte Frauen gehalten. Ihren Erfindern bescheren sie zumindest echtes Geld, durch Abos auf Fanvue oder indem sie für Bekleidungsfirmen modeln. So generieren Aitana Lopez und Emily Pelligrini laut Zeitungsberichten bis zu 10 000 Dollar im Monat. Und die Bedeutung solcher digitalen Influencerinnen wächst stetig, schliesslich stellen sie selbst keine Gehaltsforderungen. Marken wie Victoria’s Secret und Nike setzen bereits auf solche digitalen Werbeträger.

Sally-Ann Fawcett, eine britische Historikerin, die sich auf Schönheitswettbewerbe spezialisiert hat und in der Jury sitzt, sagte der «Sun», dass in den kommenden Jahren die Teilnahme von KI-Kandidatinnen an Wettbewerben wie «Miss Universe» denkbar sei. Die meisten Beauty-Queens, mit denen sie gesprochen habe, fänden die Vorstellung bizarr, fühlten sich aber nicht bedroht, so Fawcett.

Image der Wettbewerbe im Wandel

Abzuwarten bleibt, wie vielfältig die digitalen Wettbewerberinnen sein werden. In den vergangenen Jahrzehnten sind die Veranstaltungen mit menschlichen Misses immer diverser geworden. 1984 gewann Vanessa Williams als erste Afroamerikanerin den Titel der Miss America. Seit 2012 dürfen auch als biologische Männer geborene Transfrauen an den Wahlen zur Miss Universe teilnehmen. Auch Verheiratete und Mütter sind nicht mehr von der Teilnahme ausgeschlossen.

Viele Wettbewerbe haben sich ein neues Image verpasst, weg von der Fleischbeschau im Bikini hin zur Macherin. So wirbt der Veranstalter von «Miss Germany» ausdrücklich mit der «Auszeichnung für Frauen, die Verantwortung übernehmen».

Ob sich dies nun wieder umkehrt? Denn die KI-Modelle treiben gängige Schönheitsvorstellungen auf die Spitze. Und Algorithmen haben sich schon mehrfach als wenig objektiv und dafür voller Vorurteile erwiesen. Beispielsweise filterten vor einigen Jahren Algorithmen, die Schönheit bewerten sollten, konsequent die Bilder schwarzer Menschen heraus.

Eine der Fragen, die die «Frauen» im KI-Wettbewerb beantworten werden müssen, ist ein Klassiker, den schon Tausende von Kandidatinnen in den vergangenen Jahrzehnten beantworten mussten: «Was wäre Ihr einziger Traum, um die Welt besser zu machen?»

Fragt man Chat-GTP, wie die Antwort lauten könnte, antwortet das KI-Programm: «Mein Traum wäre es, dass KI-Modelle nicht nur als Werkzeuge der Zukunft betrachtet werden, sondern auch als Botschafter für positive Veränderungen in der Welt. Durch die Teilnahme an einem Schönheitswettbewerb für KI-Models könnten wir die Vielfalt und das Potenzial dieser Technologie feiern und gleichzeitig neue Wege finden, um die Welt zu einem besseren Ort für alle zu machen.»

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