Freitag, Oktober 4


Die neusten Entwicklungen

Die Vorwürfe wegen Sexualverbrechen gegen den Filmproduzenten Harvey Weinstein erschütterte 2017 Hollywood und löste die weltweite #MeToo-Bewegung aus. Nun wurde das wegweisende Urteil von 2020 aufgehoben. Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Die neusten Entwicklungen

  • Der frühere Filmmogul Harvey Weinstein ist wegen eines akuten gesundheitlichen Notfalls von der New Yorker Gefängnisinsel Rikers Island in eine Klinik verlegt worden. Dies bestätigte der Anwalt des 72-Jährigen, Arthur Aidala, am Montag (9. 9.) Weinstein habe schwere gesundheitliche Probleme, unter anderem ein Herzleiden. Laut US-Medien muss Weinstein am Herzen operiert werden. Weinstein ist trotz dem aufgehobenen New Yorker Urteil weiter in Haft, weil er 2023 in einem anderen Strafprozess in Los Angeles, in dem es ebenfalls um Sexualverbrechen ging, zu 16 Jahren Gefängnis verurteilt wurde. Seine Verteidiger fechten auch dieses Urteil an.
  • Die britische Anklagebehörde Crown Prosecution Service (CPS) stellt das strafrechtliche Verfahren gegen Harvey Weinstein ein. CPS hatte im Juni 2022 wegen eines mutmasslichen sexuellen Übergriffs aus dem Jahr 1996 Anklage gegen Weinstein erhoben. Doch das Verfahren soll nun nicht weitergeführt werden. «Wir haben entschieden, dass es keine realistische Aussicht mehr für eine Verurteilung gibt», teilte die Behörde mit.
  • Ein Richter in New York hat den Starttermin für einen neu aufgerollten Prozess gegen Harvey Weinstein vorläufig auf den 12. November festgelegt. Falls die Vorbereitungen rascher abgeschlossen seien, sei aber auch ein früherer Starttermin möglich, sagte Richter Curtis Farber laut übereinstimmenden US-Medienberichten am Dienstag (21. 8.)
  • Bei einem neu aufgerollten Prozess gegen den früheren Filmmogul Harvey Weinstein in New York könnten nach Einschätzung der Staatsanwaltschaft deutlich mehr betroffene Frauen aussagen als noch im ersten Verfahren. «Einige Menschen, die 2020 nicht bereit waren, auszusagen, scheinen jetzt bereit, das 2024 zu tun», sagte die stellvertretende Staatsanwältin Nicole Blumberg am Mittwoch (29. 5.) bei einer Anhörung vor einem Gericht in New York, bei der auch der 72-jährige Weinstein im Rollstuhl sitzend anwesend war. Zuvor hatte ein Berufungsgericht in New York die historische Verurteilung überraschend aufgehoben. Mit knapper Mehrheit befand das Gremium, dass bei dem damaligen Prozess Verfahrensfehler gemacht wurden. Weinstein ist aber weiter in Haft, weil er 2023 in einem anderen Strafprozess in Los Angeles, in dem es ebenfalls um Sexualverbrechen ging, zu 16 Jahren Gefängnis verurteilt worden war.

Harvey Weinstein, einer der einflussreichsten Filmproduzenten Hollywoods, wurde im März 2020 in New York wegen Vergewaltigung und sexueller Nötigung zu 23 Jahren Haft verurteilt. Die Vorwürfe von mehr als Hundert Frauen hatten ab 2017 die Filmbranche erschüttert und die weltweite #MeToo-Bewegung ausgelöst. Das Urteil in New York gilt als wegweisend für das Bewusstsein über Sexismus, sexualisierter Gewalt und Machtmissbrauch.

Weinstein wurde in weiteren Fällen auch in Los Angeles zu einer Freiheitsstrafe von 16 Jahren verurteilt. Er ist nun 72 Jahre alt und sitzt seit Jahren im Gefängnis. Doch Weinsteins Anwaltsteam hatte Berufung gegen das Urteil in New York eingelegt. Am 25. April 2024 wurde dem Antrag wegen Verfahrensfehlern stattgegeben. Die Staatsanwaltschaft kündigte daraufhin an, den Prozess neu aufzurollen. Dies soll ab November 2024 passieren.

Worum ging es beim Prozess in New York? Und was hat die #MeToo-Bewegung mit dem Fall zu tun?

Der Prozess in New York

Der Prozess hatte Anfang Januar 2020 am New Yorker Strafgericht begonnen. Weinstein war wegen Vergewaltigung, sexueller Nötigung und «predatory sexual assault» angeklagt – Letztgenanntes bedeutet übersetzt in etwa «triebhafte sexuelle Gewalt». Die Staatsanwaltschaft wollte beweisen, dass Weinstein sich Frauen gegenüber wie ein «predator» verhielt, also wie ein Raubtier. Einige der Frauen, die Weinstein in den vergangenen Jahren sexuelle Übergriffe vorgeworfen hatten, waren als Zuschauerinnen im Gericht anwesend.

Da viele Fälle bereits verjährt waren oder nicht zur Anzeige gebracht wurden, drehte sich der Prozess aber nur um die Vorwürfe von zwei Frauen. Eine von ihnen, eine ehemalige Produktionsassistentin der Weinstein Company namens Mimi Haleyi, soll vom ehemaligen Hollywood-Mogul im Jahr 2006 zum Oralsex gezwungen worden sein. Die andere Frau, die ehemalige Schauspielerin Jessica Mann, soll von Weinstein 2013 vergewaltigt worden sein.

Insgesamt hatten 28 Zeugen in dem Prozess ausgesagt, von der Verteidigung wurden weitere 7 Personen gehört. Unter den Zeugen waren auch Frauen, die Weinstein Vergewaltigung vorwarfen, deren Fälle aber verjährt waren und strafrechtlich nicht mehr verfolgt werden konnten. Im April 2024 kam ein Berufungsgericht zum Schluss, dass diese Zeugenaussagen nicht zulässig waren, weshalb das Urteil gegen Weinstein aufgehoben wurde.

Worum ging es bei dem zweiten Prozess in Los Angeles?

Mit dem Verfahren in Kalifornien stand Weinstein ein weiteres Mal wegen sexueller Übergriffe vor Gericht. Es ging um sieben Anklagepunkte, darunter Vergewaltigung und andere sexuelle Übergriffe. Die Vorwürfe stammten von vier Frauen in einem Zeitraum von 2004 bis 2013. Die meisten Übergriffe sollen in Hotels in Beverly Hills stattgefunden haben.

Die Geschworenen sprachen Weinstein am 19. Dezember 2022 wegen Sexualverbrechen in drei Anklagepunkten, darunter Vergewaltigung, schuldig. In einem Punkt wurde er freigesprochen, in drei weiteren Punkten gab es keine Einigung. Die Geschworenen, acht Männer und vier Frauen, mussten in jedem Anklagepunkt ein einstimmiges Urteil fällen. Dies war ihnen in drei Punkten nicht gelungen. Ihre Beratungen über zehn Tage hinweg dauerten über 40 Stunden an.

In dem mehrwöchigen Prozess in Kalifornien hatten die vier Klägerinnen teils unter Tränen und mit drastischen Details angebliche Übergriffe von Weinstein beschrieben. Nach Darstellung von Weinsteins Verteidigern waren sexuelle Handlungen einvernehmlich oder einige der vorgebrachten Vorwürfe von den Frauen frei erfunden. Weinsteins Anwälten zufolge hätten die Klägerinnen mit dem einflussreichen Filmproduzenten Sex gehabt, um in Hollywood weiterzukommen.

Die Staatsanwaltschaft hatte den Angeklagten als «degenerierten Vergewaltiger» dargestellt, der seine Macht dazu benutzt habe, Frauen nachzustellen und wie ein Raubtier zu handeln.

Unter den Klägerinnen war unter anderem Jennifer Siebel, die jetzige Ehefrau des kalifornischen Gouverneurs Gavin Newsom. Als angehende Schauspielerin und Produzentin habe sie 2005 mit Weinstein über berufliche Projekte sprechen wollen, sei aber dabei in einem Hotelzimmer von ihm vergewaltigt worden, sagte sie im Zeugenstand aus. In den beiden Anklagepunkten, die Siebel betrafen, konnte die Jury kein einstimmiges Urteil fällen.

Weinstein plädierte vor Gericht auf nicht schuldig. Auch frühere Vorwürfe von sexuellen Übergriffen hatte der ehemalige Hollywood-Mogul stets abgestritten mit der Begründung, jegliche sexuelle Handlung hätte einvernehmlich stattgefunden. Doch Weinstein wurde nicht geglaubt. Die Richter verurteilten ihn wegen Sexualverbrechen zu weiteren 16 Jahren Gefängnis.

Wer ist Harvey Weinstein, und was hat die #MeToo-Bewegung mit seinem Fall zu tun?

Bevor der Skandal um seine Person wegen sexueller Übergriffe ins Rollen kam, gehörte Harvey Weinstein zu den einflussreichsten Filmproduzenten Hollywoods. Der einst schwerreiche Filmmogul dominierte die Branche mit Filmen wie «Pulp Fiction», «Good Will Hunting» oder «Gangs of New York». Für «Shakespeare in Love» wurde er als Produzent mit einem Oscar ausgezeichnet.

Gleichzeitig waren die Anschuldigungen gegen Weinstein bezüglich seiner angeblichen sexuellen Übergriffe in Hollywood jahrelang ein offenes Geheimnis. Doch erst im Herbst 2017 wurden sie durch die «New York Times» und das Magazin «New Yorker» weltweit bekannt. Danach ging es Schlag auf Schlag, und es wurden immer mehr Vorwürfe gegen Weinstein von immer mehr Frauen erhoben. Mittlerweile werfen über 80 Frauen Weinstein sexuelle Übergriffe vor, auch weltweit bekannte Schauspielerinnen wie Angelina Jolie, Ashley Judd, Uma Thurman oder Salma Hayek.

Die später mit dem Pulitzerpreis ausgezeichneten Artikel von «New York Times» und «New Yorker» lösten aber vor allem die weltweite #MeToo-Bewegung aus. Denn die Vorwürfe gegen Weinstein ergaben ein Muster: Der schwerreiche Filmproduzent, der die Branche dominierte und für Filme wie «Pulp Fiction» unter anderem mit dem Oscar ausgezeichnet wurde, soll seine Macht gezielt ausgenutzt haben, um junge Frauen gefügig zu machen. Im Gegenzug soll er ihnen die grosse Karriere versprochen haben.

Überall auf der Welt erkannten nach den ersten Weinstein-Enthüllungen deshalb Frauen und auch Männer ihre eigenen Erfahrungen in denen der mutmasslichen Weinstein-Opfer wieder und begannen, sie in den sozialen Netzwerken unter dem Schlagwort #MeToo öffentlich zu machen. Das Spektrum der Vorwürfe war dabei gross und reichte von anzüglichen Sprüchen und unflätigem Verhalten über Machtmissbrauch bis hin zu jahrelanger (sexueller) Gewalt.

Mit Agenturmaterial.

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