Der begabte Flügelspieler Jadon Sancho ist zumindest temporär zurück im BVB, er ist bis zum Saisonende von Manchester United ausgeliehen. Doch schon jetzt gibt es Zweifel an der Sinnhaftigkeit dieser Aktion.
Das Dortmunder Westfalenstadion ist ein Ort, an den Fussballer wie Fans gerne zurückkehren. An guten Tagen vibriert es dort, wenn knapp 80 000 Zuschauer die Teams unterstützen, wenn 25 000 von den Stehplätzen der Südtribüne die Borussia nach vorn treiben. Kann es da verwundern, dass Jadon Sancho die Möglichkeit gerne wahrnahm, wieder in Dortmund zu spielen, nachdem er dort zu den gefeierten Figuren gehört hatte?
Damals, in den Jahren von 2017 bis 2021, gelangen dem Flügelspieler in 104 Spielen 38 Tore. In der letzten Winterpause nun kehrte der mittlerweile 23-jährige Engländer, der für 80 Millionen Euro zu Manchester United gewechselt war, zum BVB zurück.
Es ist ein Engagement auf Zeit. Dortmund hat ihn ausgeliehen, bis zum Ende der Saison. Der immer wieder verletzte Sancho war in Manchester nicht zurechtgekommen. Und die Borussia hat offenbar nichts dagegen einzuwenden, sich fussballerische Potenz auf dem Flügel auszuborgen. Nach den ersten Eindrücken lässt sich allerdings festhalten: Die Effekte, die sie sich von der Ausleihe Sanchos versprochen hat, sind nicht eingetreten.
Er liess einst die Fans Ousmane Dembélé vergessen
Gestartet war Sancho furios; in seinem ersten Spiel gelang ihm ein Treffer. Bloss währte der Elan nicht lange, Sancho war kurz danach angeschlagen und fiel aus. Erste Zweifel an der Sinnhaftigkeit der Wiederbeschaffung kamen auf.
Sie sind durchaus angebracht. Die Frage, was es bringen soll, jemanden für eine Halbsaison auszuleihen, lag bereits bei seiner Ankunft auf der Hand, bedenkt man, dass Sancho über wenig Spielpraxis verfügte und solche Profis erfahrungsgemäss eine Weile brauchen, um wieder in Tritt zu kommen. Und Sancho ist nicht irgendeiner: Als ehemals erfolgreicher BVB-Spieler kreisen viele Diskussionen um ihn. Läuft es dem Team nicht gut, bringt er Unruhe in den Klub, ohne dass er explizit etwas dafür könnte.
Schliesslich wird einer nicht an den gegenwärtigen Möglichkeiten gemessen, sondern an jenen Szenen, die in Dortmund in Erinnerung geblieben sind. Sancho hat einen prächtigen Eindruck hinterlassen. Er liess die Fans Ousmane Dembélé vergessen, der sich den Weg zum FC Barcelona freigestreikt hatte und den Dortmundern Transfereinnahmen von mehr als 130 Millionen Euro einbrachte.
Unter dem Trainer Lucien Favre spielte sich Sancho in den Fokus europäischer Grossklubs, Manchester United griff zu. Es lief für ihn, er avancierte sogar zum englischen Nationalspieler. Im Final der EM 2021 im Londoner Wembley-Stadion jedoch wurde er zur tragischen Gestalt, als er im Penaltyschiessen verschoss. Nicht England, sondern Italien gewann den Titel.
Ebenso interessant ist, dass der derzeitige Dortmunder Trainer Edin Terzic sich anlässlich von Sanchos Comeback gegenüber dem Sender Sky unentschlossen äusserte: «Wir sind bereit, ihm die Chance zu geben, zu zeigen, dass er es noch mal kann, dass er noch lange nicht fertig ist. Aber ich habe keine Zeit. Er hat keine Zeit. Wir haben keine Zeit. Also, wenn er hierhin kommen will und Zeit fordert, das geht nicht.»
Terzics Einschätzung klingt alles andere als naiv. In ihr schwingt Skepsis mit. Der Coach ist erfahren genug, um zu wissen, dass die Integration in ein Team, das keine einfache Saison erlebt, sich nicht von heute auf morgen vollzieht. Es scheint daher rätselhaft, was den BVB bewogen hat, sich in Sancho einen Spieler auszuleihen, der zwar über grosse Fähigkeiten verfügt, aber ohne Routine kommt.
Einzig Mats Hummels, der zwischendurch in München spielte, kann unter den Rückkehrern als Leistungsträger gelten
Der Fall zeigt, dass der BVB zum wiederholten Male anfällig für Sentimentalitäten ist. Sancho ist nicht der Erste, der zum Klub zurückkommt. Man denke an Nuri Sahin, der bei Real Madrid gescheitert war. Oder Shinji Kagawa, der bei Manchester United auch nicht zurechtgekommen war. Selbst Mario Götze traf auf offene Türen, als er beim Rivalen Bayern München unglücklich war.
All diese Aktionen haben eine Gemeinsamkeit: Sie erwiesen sich als teure Fehlinvestitionen. Einzig Mats Hummels, der zwischendurch auch in München spielte, kann unter den Rückkehrern als Leistungsträger gelten. Dass sich Sancho unter die Erstgenannten einreiht, ist nicht unwahrscheinlich.