Nach dem 2:2 von Leverkusen in Freiburg können die Münchner nicht mehr von der Tabellenspitze verdrängt werden. Der Trainer Vincent Kompany erreicht in seinem ersten Jahr mit den Bayern das Minimalziel. Doch dem Klub stehen grosse Veränderungen bevor.
Selbst im erfolgsverwöhnten FC Bayern gibt es Fussballer, für die ein Meistertitel eine Premiere ist. Das ist umso erstaunlicher, wenn es sich bei ihnen um Spieler handelt, die sich mit Fug und Recht der Weltklasse zugehörig fühlen dürfen. Wie den Engländer Harry Kane.
Im Sommer 2023 war er zu den Bayern gewechselt, ohne mit Tottenham Hotspur je einen Titel gewonnen zu haben. In seinem ersten Jahr mussten sich die Bayern den Leverkusenern geschlagen geben. Insofern hatte es eine geradezu komische Note, dass der Stürmer gar nicht auf dem Spielfeld stand, als die Bayern am Samstagabend ihren Meistertitel in Leipzig feiern wollten. Kane hatte sich in der Woche zuvor mit seiner fünften gelben Karte eine Sperre eingehandelt.
Mit Kane sollte der Durchbruch erfolgen
Mit den Sitten und Gebräuchen der Bundesliga war er offenbar noch nicht gut genug vertraut am Ende seiner zweiten Saison. So hat er nicht gewusst, dass die gelben Karten nach der Hinrunde nicht gelöscht werden – anders als in England. Damit wurde Harry Kane um den Match gebracht, der bei seinem ersten Titelgewinn auf dem letzten Wegstück lag.
Ein Malheur, das auf den ersten Blick nur ein persönliches ist. Und doch passt es irgendwie auch zur Saison des FC Bayern. Denn niemand anders als Harry Kane ist vor zwei Jahren verpflichtet worden, um die Münchner wieder zu einem europäischen Spitzenklub zu machen. Die rund 100 Millionen Euro, die in die Ablösesumme des englischen Nationalstürmers investiert wurden, sollten den erneuten Durchbruch ermöglichen.
Niemand wird behaupten, dass Kane seinen Teil der Abmachung nicht eingehalten hat. Auch wenn er in den Spitzenspielen in der Champions League weitaus weniger trifft als in der Bundesliga, ist seine Torquote trotzdem beeindruckend. Und doch genügt dies nicht, um die Bayern auf das altbekannte Niveau zu hieven. An zu vielen Stellen im Kader hapert es, und dies zu beheben, wird die grösste Herausforderung der nächsten Monate beim deutschen Rekordchampion sein.
Thomas Müller redet von Übergang
Jüngst meldete sich im Branchenmagazin der Bundesliga ein Experte zu Wort und sprach über seinen FC Bayern: «Wir sind durch mehrere verschiedene Übergangsphasen gegangen, so fühlt es sich zumindest an. Seit Pep Guardiola hatte es in der Kombination zwischen Trainer und Mannschaft nicht mehr richtig ‹klick› gemacht.»
Er klang wie Thomas Müller, jener legendäre Profi, mit dem die Bayern in der kommenden Saison nicht mehr planen. Solche Sätze sollten aufhorchen lassen, denn Müller beschreibt mit obiger Einlassung nicht mehr und nicht weniger als einen permanenten Umbruch, der partout nicht gelingen will.
Josep Guardiola, der für Müller kein bequemer Trainer war, verliess die Bayern 2016 und heuerte bei Manchester City an. Danach kam Carlo Ancelotti, Jupp Heynckes half aus, Niko Kovac scheiterte. Hansi Flick gewann als Interimscoach die Champions League, aber sowohl Julian Nagelsmann als auch Thomas Tuchel verfehlten die Erwartungen, die Vincent Kompany in seiner ersten Saison als Bayern-Coach zumindest nicht vollumfänglich enttäuscht.
Eine solche Liste innerhalb von neun Jahren spricht für sich. Und vor diesem Hintergrund erscheint sogar der grösste Triumph des letzten Jahrzehnts, das Triple unter dem in Barcelona gegenwärtig stark umjubelten Hansi Flick, wie ein Betriebsunfall unter glücklichen Vorzeichen. Denn Müller verrät kein Geheimnis, wenn er erklärt, dass es auch mit Flick nicht sonderlich harmonisch zuging, weil der im Team beliebte Trainer sich an der Vereinsführung in Gestalt des Sportdirektors Hasan Salihamidzic rieb.
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— FC Bayern München (@FCBayern) May 4, 2025
Welchen Einfluss wird der Trainer Kompany haben?
Dass unter Kompany die von Müller schmerzlich vermisste Harmonie auf Dauer einkehren wird, ist zu bezweifeln, obschon der Angreifer dem Belgier das bestmögliche Urteil ausstellt: Kompany stehe für Offensivfussball, was sowohl die Mannschaft als auch die Fans schätzten.
Nur hängt im FC Bayern in mehrfacher Hinsicht nicht alles von Stilfragen ab. Kompany ist zum Erfolg verdammt, und letztlich ist für die Stimmung im Klub der Trainer nicht allein verantwortlich. Die öffentlich formulierte Unzufriedenheit des Ehrenpräsidenten Uli Hoeness über die finanziellen Verhältnisse der Bayern kündet ebenso von Unruhe wie die Diskrepanzen über die nicht erfolgte Vertragsverlängerung mit Thomas Müller.
In einem solchen Milieu kann ein Trainer für eine Weile für Beruhigung sorgen. Dauerhaft befrieden kann er es nicht. Dafür werden die Münchner Altvorderen schon selbst sorgen müssen.