Samstag, November 30

Mit dem Trainer Vincent Kompany haben sich die Bayern neu aufgestellt. Der Belgier überzeugt mit seiner gewinnenden Art und lernt bereits bayrische Redewendungen – er will lange in München bleiben.

Im Sport, vor allem im Fussball, wird gerne der Begriff «historisch» verwendet, wenn es darum geht, ausserordentliche Ereignisse zu beschreiben. «Historisch» kann ein Torrekord, eine Siegesserie oder einfach nur ein Turniererfolg sein – also Dinge, die zwar bemerkenswert, aber nicht unbedingt weltbewegend sind.

Insofern sollte es niemanden wundern, wenn die kommende Bundesligasaison wieder einmal mit diesem Begriff belegt wird, insbesondere, wenn der Blick auf Bayern München gerichtet wird. Der Grund dafür ist relativ einfach: Unter den jüngeren Fussballfans dürften sich die meisten nur daran erinnern, dass die Bayern als Titelverteidiger in eine Saison gehen.

Die Münchner waren nur auf Rang drei

Zum ersten Mal seit 2013 ist das in diesem Jahr jedoch nicht der Fall, da sie vom VfB Stuttgart und vor allem von den fabelhaften Leverkusenern, die als erster Bundesligaklub eine Saison ohne Niederlage abgeschlossen haben, auf Rang drei verwiesen wurden.

Dieser Umstand allein kommt einer Demütigung gleich – zumal nach wie vor kein Kader teurer ist als jenes des FC Bayern und kein anderes Team nominell über ein so hohes Mass an Klasse verfügt, mit Spielern wie Manuel Neuer, Joshua Kimmich, Kingsley Coman und Harry Kane.

Mit diesem Kader entsprechend zu arbeiten, haben – nach Ansicht der Bayern – allerdings nicht viele Trainer verstanden. Hansi Flick, der die Bayern interimistisch übernahm, gewann 2020 immerhin die Champions League. Zuvor genügten Carlo Ancelotti und Niko Kovac den Ansprüchen in München nicht; nach Flick wurde Julian Nagelsmann, der gegenwärtige Bundestrainer, gewogen und für zu leicht befunden. Thomas Tuchel, ein international renommierter Coach, verliess den FC Bayern nach der vergangenen Saison gewissermassen durch die Hintertür, weswegen die Frage, ob es allein an den Trainern liegt, mit einer gewissen Regelmässigkeit gestellt wird. So auch nun, da der Belgier Vincent Company das Training leitet.

Hoeness kritisiert Tuchels Arbeit

Für Uli Hoeness, den Ehrenvorsitzenden, der unverändert grossen Einfluss auf die Geschicke des Klubs nimmt, ist indes klar, wo die Gründe liegen. Als er jüngst auf die Saisonvorbereitung der Bayern angesprochen wurde, erklärte Hoeness in der ihm eigenen, deutlichen Art, dass er den Eindruck habe, es werde nun wieder gearbeitet, und dass sich das sicher auch in den Ergebnissen niederschlagen werde.

Auf die Nachfrage, ob er der Ansicht sei, dass in der vergangenen Saison nicht entsprechend gearbeitet worden sei, entgegnete Hoeness, er meine die Dinge normalerweise so, wie er sie sage.

Eine solche Aussage kann nur als fundamentale Kritik an der Arbeit von Thomas Tuchel verstanden werden. Dieser übernahm den FC Bayern im März 2023 als Coach, nachdem Julian Nagelsmann in München nicht mehr zurechtgekommen war. Die schnelle Besserung, die sich die Klubverantwortlichen erhofft hatten, blieb jedoch aus. Die Meisterschaft gewann der Klub zwar mit Ach und Krach, doch die Folgesaison war die schlechteste seit einer Ewigkeit. Positiv verbucht werden konnte einzig, dass die Mannschaft erstmals seit einigen Jahren wieder in den Halbfinal der Champions League einzog.

Für die Ansprüche der Bayern ist das jedoch zu wenig. Allerdings sind die Zeiten seit längerem turbulent. Im Jahr zuvor, nicht lange nach Nagelsmanns Entlassung, hatten sich die Bayern neu aufgestellt: Sie setzten den Vorstandsvorsitzenden Oliver Kahn und den Sportdirektor Hasan Salihamidzic vor die Tür. Uli Hoeness und der ehemalige Vorstandsvorsitzende Karl-Heinz Rummenigge nehmen nun wieder verstärkt Einfluss.

Der Nachfolger des Sportdirektors Salihamidzic ist das ehemalige Gladbacher und Leipziger Mastermind Max Eberl, ein gebürtiger Münchner, der dem FC Bayern und vor allem Uli Hoeness durchaus verbunden ist. An Eberls Sachverstand zweifelt niemand. Die Frage, ob er, der sich unter grossem Aufsehen in Mönchengladbach verabschiedete und erklärte, er wolle «mit diesem Fussball» nichts mehr zu tun haben, dem Münchner Klima gewachsen ist, dürfte sich bald klären.

Der Leverkusener Geschäftsführer Fernando Carro und Eberl gerieten erst kürzlich aneinander, weil sich die beiden Klubs nicht über einen Transfer des deutschen Innenverteidigers Jonathan Tah einig wurden.

Von Max Eberl, so Carro, halte er gar nichts. Und er würde auch nicht mit ihm reden. Dass Carro sich schnell entschuldigte und sein Temperament für die Aussage verantwortlich machte, zeugt zwar davon, dass die Bayern nach wie vor eine respektable Grösse im deutschen Fussball sind. Es ist aber fraglich, ob Carro sich ein solches Verhalten auch herausgenommen hätte, wenn der Bayern-Manager noch immer Uli Hoeness geheissen hätte.

Transfer mit Verspätung

All diese Vorgänge im und um den Klub herum sind keineswegs bloss Lappalien. Sie verweisen darauf, dass es in München durchaus um fundamentale Dinge geht. Es handelt sich nicht um ein paar kleine Korrekturen, für die es bloss ein wenig Kosmetik braucht – es geht um weit mehr als den defensiven Mittelfeldspieler, den Thomas Tuchel stets forderte, aber nicht bekam. Nun ist er da: João Palhinha, allerdings mit einer Verzögerung von einem Jahr, weil sich die Einigung zuvor als äusserst harzig erwies.

Vincent Kompany, der neue Bayern-Coach, wird all diese Vorgänge aufmerksam beobachtet haben. Als ihn die Münchner verpflichteten, war die Erleichterung gross. Aber nicht, weil Kompany von Anfang an ihr Wunschkandidat gewesen wäre, sondern weil eine quälend lange Suche zu Ende ging, die den Bayern viele Absagen eingebracht hatte – zuallererst die des österreichischen Nationaltrainers Ralf Rangnick.

Kompany verfügt als Coach über wenig Erfahrung. Bisher hat er lediglich Burnley zum Aufstieg in die Premier League geführt, war aber nicht in der Lage, den Klub in der höchsten englischen Liga zu halten. Der ehemalige belgische Innenverteidiger war der Adjutant von Josep Guardiola bei Manchester City, dessen Fussball etwa dem Ideal entspricht, das Kompany vorschwebt.

Kompany präsentiert sich schlagfertig

Die ersten Eindrücke sprechen für den Coach: Die Mannschaft wirkte in der Vorbereitung und im DFB-Cup durchaus engagiert, zudem verfügt der Trainer über eine gewinnende Art. Mittlerweile hält er seine Pressekonferenzen durchgängig auf Deutsch. Schlagfertigkeit und Humor sind zudem Eigenschaften, die das Leben in München ein wenig erträglicher machen können.

Kompany jedenfalls möchte sich offenbar etwas länger in München einrichten: So sprach er darüber, dass er dabei sei, bayrische Redewendungen zu erlernen. Schliesslich seien er und sein Staff in den nächsten «vier, fünf, sechs oder sieben Jahren adoptierte bayrische Leute». Das zeugt von einem soliden Selbstbewusstsein. Denn selbst wenn er nur vier Jahre bleiben sollte, würde Kompany in München Massstäbe in Sachen Verweildauer setzen.

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