Donnerstag, November 28

Harry Kane trifft gegen den Underdog gleich vier Mal. Doch sein Trainer bleibt vorsichtig und wiegelt ab.

Elf Tore in einem Champions-League-Match – hat es das je gegeben? Ein Blick in die Geschichte des Wettbewerbs zeigt: Nein. Diese Marke war dem FC Bayern vorbehalten, der am Dienstag sein Auftaktspiel im neuen Format gegen Dinamo Zagreb 9:2 gewann. Ein Resultat, das vorher niemand auf dem Zettel gehabt hatte.

Vier Tore erzielte Harry Kane, der englische Goalgetter, der all die Erwartungen erfüllt, die die Münchner in ihn gesetzt haben. Dass drei Elfmeter darunter waren, schmälert seine Leistung nicht, vielmehr verdeutlicht es seine Effizienz, aus allen Lagen treffen zu können.

Kane, der in der vergangenen Saison für 100 Millionen Euro von Tottenham Hotspur kam, ist nicht nur wegen seiner Qualitäten als Stürmer ein Phänomen. Mit seinen 31 Jahren ist ihm trotz all seiner Klasse bisher nicht gelungen, einen Titel zu erringen. Der beste Stürmer der Premier League zu sein und nun der Bundesliga: Das ist zweifellos eine imposante Leistung. Doch sie bedeutet für ihn so lange nichts, wie er keinen Titel gewinnt.

Der Sieg hat wenig Aussagekraft

Und so lenkte der Angreifer, der es gewohnt ist, routiniert an den Trophäen vorbeizuschreiten, den Blick sofort auf das Kollektiv, als er auf seinen Auftritt gegen Zagreb angesprochen wurde: «Es war ein tolles Spiel und eine beeindruckende Leistung von uns.»

Ähnlich äusserte sich Vincent Kompany, der neue Coach der Bayern: Er habe die Tore nicht geschossen, daher freue er sich «für die Jungs», sagte der Belgier. Und: «Wir haben jetzt ein Spiel gemacht, nicht mehr. Jetzt geht es wieder um das nächste Spiel.» Für Zagrebs Trainer Sergej Jakirovic sind die Bayern «schlicht eine andere Welt. Es ist eine Lehre für uns».

Schnörkelloser lassen sich die Dinge nach einer solchen Nacht nicht auf den Punkt bringen. Und vielleicht hat Kompany gute Gründe, die Erwartungen zu dämpfen. Einstweilen lässt sich sein Einstand zwar als gelungen bezeichnen; am Wochenende zuvor hatte seine Mannschaft den Aufsteiger Holstein Kiel auswärts mit 6:1 abgefertigt. Aber Kompany weiss eben auch, dass ein Team wie Zagreb nicht der Gradmesser sein kann. Rekorde hin oder her: Über grosse Aussagekraft verfügt diese Gala nicht.

Zwar genügt es, um den Anspruch zu bekräftigen, nach einem titellosen Jahr wieder die Meisterschaft zu gewinnen. Doch dabei müsste sich das eigentliche Ziel der Bayern wie von selbst formulieren: Am Ende der Saison wird im Münchner Stadion zu Fröttmaning der Champions-League-Final ausgetragen, wie schon 2012. Damals nannten die Bayern das Ereignis «Finale dahoam», ein Sieg vor eigenem Publikum war das erklärte Ziel.

Die Münchner erreichten jenes Endspiel tatsächlich, nachdem sie in einem nervenaufreibenden Halbfinal gegen Real Madrid im Elfmeterschiessen weitergekommen waren. Doch im Final unterlagen sie dem spielerisch klar unterlegenen Gegner Chelsea, weil im Elfmeterschiessen Bastian Schweinsteiger die Nerven versagten.

Der einzige Verantwortliche, der gegenwärtig davon spricht, wieder in den Final im heimischen Stadion einzuziehen, ist Max Eberl, der heutige Sportvorstand. Die Frage ist bloss, ob er sich damit einen Gefallen tut.

Neuer geht in der Pause raus – sein potenzieller Nachfolger Nübel leistet sich im Parallelspiel einen Fehlgriff

Denn die Ausgangslage lässt sich nur bedingt vergleichen mit jener von 2012. Der Trainer Kompany steht vor der Aufgabe, einen grossen Umbruch bei den Bayern bewerkstelligen zu müssen, weswegen er es nach dem Match gegen Zagreb eilig hatte, vom nächsten Spiel zu sprechen – und nicht vom möglichen letzten Match der Saison. Denn Kompany, während Jahren ein Weltklassespieler in der Abwehr von Manchester City, der die Bayern von damals als Gegner erlebt hat, weiss, dass die Bedingungen ehedem ganz andere waren.

Die Münchner von 2012 bildeten eine gestandene Mannschaft. Sie hatten zwei Jahre zuvor schon gegen Inter Mailand den Final erreicht. Zwei Spieler, die dann gegen Chelsea auf dem Platz standen, sind heute noch dabei: Thomas Müller und der Torhüter Manuel Neuer.

Müller lief für die Bayern am Dienstag zum 152. Mal in einem Champions-League-Spiel auf – auch das ein Rekord. Nie zuvor spielte ein Profi häufiger für einen einzigen Klub in der höchsten Spielklasse. Neuer wurde zur Halbzeit nach einem Zusammenstoss mit einem Gegenspieler ausgewechselt. Eine reine Vorsichtsmassnahme, wie Kompany betonte, denn die Bayern wissen genau, was sie nach wie vor an ihrem mittlerweile 38 Jahre alten Keeper haben, der sich nach dem Rücktritt aus dem deutschen Nationalteam nun ganz seinen Aufgaben in München widmen kann.

In der zweiten Halbzeit gegen Zagreb ersetzte ihn der nur um zwei Jahre jüngere Sven Ulreich, der kurz nach seiner Einwechslung beide Gegentore kassierte. Und was aus Bayern-Sicht ebenfalls nicht unwesentlich war, hinsichtlich der Perspektiven auf der Goalieposition: Der zurzeit an den VfB Stuttgart ausgeliehene Alexander Nübel leistete sich im Parallelspiel gegen Real Madrid einen Fehlgriff. Die Stuttgarter verloren 1:3.

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