Der Portugiese kritisiert ständig die türkischen Schiedsrichter und wittert überall Korruption. Im Stadtderby von Istanbul kam es nun zum Eklat.
Seit dieser Saison ist José Mourinho, 62, der Trainer von Fenerbahce Istanbul. Und sein Verhalten im konfliktbeladenen Stadtderby zwischen Galatasaray und Fenerbahce wirkte wie eine Zusammenfassung seines bisherigen Wirkens im türkischen Fussball.
Vor und nach dem Match vom Montagabend war deutlich mehr los gewesen als beim ereignisarmen 0:0 auf dem Platz, durch das Galatasaray den Vorsprung von sechs Punkten an der Tabellenspitze der türkischen Süper Lig verteidigt hat. Mit ständigen Sticheleien befeuerte Mourinho die Rivalität der sich ohnehin in tiefer Abneigung gegenüberstehenden Klubs – bis die Situation erwartbar entflammte.
Nach dem direkten Schlagabtausch gab Galatasaray in einem Communiqué bekannt, dass der Klub gegen Mourinho ein Strafverfahren «wegen rassistischer Äusserungen» einleiten und sich beim Europäischen Fussballverband (Uefa) sowie beim Weltfussballverband (Fifa) formell beschweren werde.
Mourinhos Einlassungen seien über «blosse unmoralische Bemerkungen hinaus zu einer eindeutig unmenschlichen Rhetorik eskaliert», schrieb Galatasaray in der Medienmitteilung. Der Verein hielt dem gegnerischen Trainer zudem vor, in letzter Zeit «immer wieder abfällig über das türkische Volk» geredet zu haben. Dazu postete der Klub ein schwarzes Bild, auf dem in weisser Schrift steht: «Say No To Racism».
📌 Club Statement from Galatasaray SK
Since the commencement of his managerial duties in Türkiye, Fenerbahçe manager Jose Mourinho has persistently issued derogatory statements directed towards the Turkish people. Today, his discourse has escalated beyond merely immoral comments… pic.twitter.com/NRLsk9F4kT
— Galatasaray EN (@Galatasaray) February 24, 2025
Mourinho erhöht mit seinen Tiraden den Druck auf den türkischen Fussballverband
Auf welche Aussagen Mourinhos sich Galatasaray beruft, ging aus der Mitteilung allerdings nicht hervor. An der Pressekonferenz nach der Partie hatte der Portugiese kritisiert, dass die Spieler auf der Bank von Galatasaray in der ersten Minute «wie Affen aufgesprungen» seien, um eine gelbe Karte für Fenerbahces Verteidiger Yusuf Akcicek zu fordern. Doch der Referee sei aus seiner Sicht erfahren und aufrichtig genug gewesen, um in diesem «Dschungel zu überleben». Mit «Dschungel» dürfte sich Mourinho auf die besondere Geräuschkulisse im Galatasaray-Stadion bezogen haben.
Fenerbahce konterte die Vorwürfe am Donnerstag. Mourinhos Aussagen könnten «in keiner Weise mit Rassismus in Verbindung gebracht» werden und seien «völlig aus dem Zusammenhang gerissen und absichtlich verzerrt». Der Klub kündigte ebenfalls rechtliche Schritte an.
Der türkische Fussballverband (TFF) hatte beim Duell zwischen Galatasaray und Fenerbahce erstmals einen ausländischen Referee für ein türkisches Ligaspiel angesetzt. Die Wahl fiel auf den Slowenen Slavko Vincic, der insofern keine Berührungspunkte zu den beiden Klubs hat, als weder bei Galatasaray noch bei Fenerbahce ein Slowene unter Vertrag steht. Zur Nominierung Vincics, gegen die Galatasaray vor dem Schiedsgericht vergeblich Protest eingelegt hatte, hatte der TFF-Präsident Ibrahim Haciosmanoglu gesagt, der Verband wolle «weitere Kontroversen vermeiden».
Im skandalumtosten türkischen Fussball gibt es wenig Vertrauen in die Integrität und die Qualität der nationalen Schiedsrichtergilde. Immer wieder werden den Referees Korruption und Spielmanipulation vorgeworfen – nicht zuletzt von Mourinho. Dieser begrüsste die Massnahme des TFF vor dem Derby denn auch als wichtigen Schritt hin zu mehr Glaubwürdigkeit im türkischen Fussball.
In der laufenden Saison attackierte der selbstgerechte Fenerbahce-Coach unablässig die türkischen Referees und die Fussballstrukturen im Land – nach den Partien des eigenen Klubs ebenso wie nach Spielen von Gegnern. Nach einem 3:2-Erfolg seines Teams im Herbst schimpfte er, sein Verein würde gegen ein «toxisches System» kämpfen. Dieses sei noch schlimmer, als man ihm vorher berichtet habe. Für die Anschuldigungen kassierte er eine Spielsperre und musste eine Busse in der Höhe von 17 000 Franken zahlen. Darüber hinaus stellte Mourinho ein gewonnenes Ligaspiel von Galatasaray wegen einer gemäss ihm strittigen Schiedsrichterleistung in den Zusammenhang eines «Skandals».
Ein einziger Kämpfer – offenkundig meinte er damit seinen Klub Fenerbahce – könne ein «extrem starkes und funktionierendes System» nicht zerstören, legte Mourinho nach. Laut ihm müsste Fenerbahce die Liga eigentlich mit acht oder neun Punkten anführen, doch schlechte Schiedsrichterleistungen hätten sein Team bis zu fünfzehn Punkte gekostet.
Mit solchen Tiraden und seiner Bekanntheit, die mehr Aufmerksamkeit auf den türkischen Fussball lenkt als üblich, erhöhte Mourinho den Handlungsdruck auf den Verband. Dieser schien mit der plötzlichen Berufung eines ausländischen Schiedsrichters nun nachgegeben zu haben.
Galatasary hat noch immer sechs Punkte Vorsprung
Die Liaison von Fenerbahce und Mourinho wirkt insofern passend, als sich beide Seiten häufig unverstanden fühlen. Der Klub von der asiatischen Seite des Bosporus wartet seit 2014 auf den Gewinn der türkischen Meisterschaft. Für Mourinho selbst geht es darum, die Kritiker zu widerlegen, wonach er aus der Zeit gefallen sei. Seine letzten Engagements bei Manchester United, Tottenham Hotspur und der AS Roma endeten allesamt im Streit; seither wird der Portugiese von den europäischen Topklubs gemieden.
Die Erwartung an sein Wirken bei Fenerbahce ist gewaltig – es zählt nur der Meistertitel. Und dafür lassen der Klub und Mourinho nichts unversucht. Nach einer wenig inspirierenden Hinrunde und acht Punkten Rückstand auf Galatasaray verpflichtete Fenerbahce im Winter vier neue Spieler, unter ihnen den neuen Abwehrchef Milan Skriniar von Paris Saint-Germain. Das Team hat dadurch deutlich an Qualität gewonnen. In diesem Jahr ist es in allen Wettbewerben noch ungeschlagen, und Fenerbahce qualifizierte sich als einziger türkischer Klub für den Achtelfinal in der Europa League. In der nächsten Woche steht das Heimspiel gegen die Glasgow Rangers an.
Der nationale Meistertitel scheint für Fenerbahce nach dem verpassten Sieg im Stadtderby indes ausser Reichweite. Der Vorsprung des Leaders Galatasaray dürfte zu gross sein, die türkischen Spitzenteams geben gegen die schwächeren Teams meist nur wenige Punkte ab. Langweilig dürfte es in der türkischen Liga trotzdem nicht werden – wegen José Mourinho.