Dienstag, Oktober 8

Der Pharmakonzern Pfizer zählte zu den grössten Profiteuren der Corona-Pandemie. Jetzt sitzen ihm Aktivisten im Nacken, weil das Covid-Geschäft weggebrochen ist. Das zeigt die Tücken für die Industrie, bei einem Gesundheitsnotstand aktiv zu werden.

Vom Helden zum Buhmann ist es manchmal nur ein kleiner Schritt. In der Corona-Pandemie, als die Welt dringend einen Impfstoff brauchte, war der Pfizer-Chef Albert Bourla ein gefragter Mann. Sein Konzern hatte innerhalb von weniger als einem Jahr zusammen mit der deutschen Firma Biontech ein Covid-Vakzin auf den Markt gebracht.

Rund vier Jahre danach zeigt sich ein ganz anderes Bild. Der einst als Held gefeierte Bourla ist unter Druck geraten. Mit dem Ende der Pandemie sind die Verkäufe von Covid-Impfstoff und -Medikamenten drastisch zurückgegangen.

Covid ist entgegen den Prophezeiungen des Konzerns nicht zu einem Geschäft geworden, das – wie bei anderen Herstellern die Grippeimpfung – für Pfizer als konstanter Umsatzbringer wirkt.

Impfdosen vernichtet

Die Krankheit hat für viele Menschen mit zunehmendem zeitlichem Abstand an Schrecken verloren. Weil sich kaum noch jemand impfen liess, mussten bereits ausgelieferte Impfdosen in grossem Stil vernichtet werden.

Diese Entwicklung spiegelt sich deutlich im Aktienkurs von Pfizer. Andere Unternehmen, deren Produkte in der Pandemie gefragt waren, wie Biontech, Moderna oder auch Roche, werden mit der Rückkehr zur Normalität ebenfalls tiefer bewertet. Bei Pfizer hat sich der Kurs seit dem Rekordhoch im Jahr 2021 praktisch halbiert.

Das hat nun einen aktivistischen Investor auf den Plan gerufen. Laut dem «Wall Street Journal» hat sich die Finanzfirma Starboard Value für rund eine Milliarde Dollar an Pfizer beteiligt und fordert Massnahmen, die den Abwärtstrend stoppen.

Aktie reagiert positiv

Solche Aktionen von Aktivisten sind oft sich selbst erfüllende Prophezeiungen. Das Management einer angeschlagenen Firma wird unter Druck gesetzt und ergreift Massnahmen zur kurzfristigen Kurssteigerung. Dadurch und aufgrund weiterer Anleger, die nun einsteigen, erholt sich der Kurs und der Aktivist kann mit einem Gewinn seine Titel wieder verkaufen. Tatsächlich hat die Pfizer-Aktie am Montag zugelegt.

Natürlich kann etwas Druck von aussen nicht schaden und dazu führen, dass Unternehmen längst fällige Schritte einleiten. Wohlgemerkt hat Pfizer auch schon vor dem Einstieg von Starboard versucht, durch grosse Übernahmen die wegbrechenden Umsätze zu kompensieren. Bis jetzt mit mässigem Erfolg. Das ist der Fluch der Covid-Milliarden: Sie lassen sich nicht sofort in Erträge aus anderen Produkten umwandeln.

In der Pharmaindustrie ist es nun einmal so, dass sich die Lancierung neuer Kassenschlager-Medikamente nicht nach Belieben planen lässt. Neue Wirkstoffe müssen erforscht und getestet werden. Das braucht Zeit, Geld und Glück – und geht in den allermeisten Fällen schief.

Während der Pandemie haben die ausserordentliche Situation, die Zusammenarbeit von Behörden und Industrie und öffentliche Gelder die Entwicklung und Auslieferung von Impfstoffen und Medikamenten beschleunigt. Inwiefern hier der direkte persönliche Austausch zwischen dem Pfizer-Chef Bourla und der EU-Kommissions-Präsidentin Ursula von der Leyen bei der Impfstoffbestellung rechtlich problematisch war, wird derzeit noch juristisch untersucht.

Forschung braucht Zeit und finanzielle Anreize

Doch die spezielle Konstellation in der Corona-Zeit ändert nichts an der Tatsache, dass sich wissenschaftlicher Fortschritt nicht erzwingen lässt. Ebenso offensichtlich ist: Pharmaunternehmen müssen auch bei einem Gesundheitsnotstand einen wirtschaftlichen Anreiz haben, sich auf einem bestimmten Krankheitsgebiet zu engagieren. Eine Aufweichung des Patentschutzes, wie sie zuweilen gefordert wird, hätte eine abschreckende Wirkung.

Ein Hersteller würde sich zu Recht fragen, warum er seine Forscher und seine Produktionskapazitäten kurzfristig auf etwas Neues ausrichten soll, wenn unklar ist, was er damit verdienen kann. Schnell und gratis gibt es neue Medikamente nur im Märchen.

Dieser Aspekt darf nicht so rasch aus dem allgemeinen Bewusstsein verschwinden wie die Erleichterung, mit der man damals die innert kurzer Zeit erzielten medizinischen Errungenschaften begrüsst hat.

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