Der Schwyzer Nationalrat Marcel Dettling ist der einzige Kandidat für das SVP-Präsidium. Doch ist er auch zu noch höheren Weihen berufen?
Schon am Hochamt der SVP Schweiz auf dem Albisgütli lobte alles, was in der Partei Rang und Namen hat, Marcel Dettling über den grünen Klee. Will man dem Fraktionschef Thomas Aeschi und Co. glauben, hatte die SVP noch nie einen idealeren Mann für die Besetzung ihres Präsidiums. Seit Montag ist es nun offiziell: Der Nationalrat aus Oberiberg (SZ) ist der einzige Kandidat für dieses Amt. Die Wahl an der Delegiertenversammlung vom 23. März ist reine Formsache.
Noch vor seiner offiziellen Wahl beginnen die Spekulationen für seine weitere Karriere. Es stellt sich die Frage, ob das neue, exponierte Amt Dettlings Chancen auf die Wahl in die Landesregierung erhöht oder ob es ihm schadet. Der Politologe Adrian Vatter hat die Wahlchancen für den Bundesrat untersucht. «Das Parteipräsidium ist kein grosses Plus, aber auch kein grosses Hindernis auf dem Weg in die Regierung», erklärt der Direktor des Instituts für Politikwissenschaft der Universität Bern.
Das tragische Scheitern von Franz Steinegger
Ein weitaus wichtigerer Faktor für ein künftiges Mitglied der Landesregierung ist laut Vatter die Verankerung innerhalb der eigenen Partei. Diese ist bei Dettling zumindest momentan noch hervorragend. Der Bergbauer ist der absolute Wunschkandidat der SVP und versteht sich fast mit allen in der Partei und der Fraktion bestens. Man hört praktisch kein schlechtes Wort über ihn aus Parteikreisen. Doch eines muss Dettling zu denken geben, sollte er Bundesratsambitionen hegen: Über Parteipräsidenten aus der Innerschweiz liegt eine Art Fluch.
Alle bürgerlichen Parteipräsidentinnen und -präsidenten aus den Kantonen Uri, Schwyz und Obwalden sind in den letzten Jahrzehnten bei der Wahl in die Landesregierung gescheitert. Geradezu tragisch spielte das Schicksal Franz Steinegger mit. Der charismatische Urner stand der FDP von 1989 bis 2001 vor. Trotz seinen Qualitäten als gewiefter Taktiker und glänzender Organisator scheiterte er zweimal. 1989 zog ihm die Vereinigte Bundesversammlung den Unternehmer Kaspar Villiger vor. Der Luzerner ist bis jetzt der letzte Magistrat aus der Innerschweiz. Villiger war nie Parteipräsident.
Zum Stolperstein für den mittlerweile 80-jährigen Steinegger wurde damals, dass er im Konkubinat lebte. Vor 35 Jahren war dies für konservative Kreise im Parlament ein Hinderungsgrund für die Wahl in die Landesregierung. 2003 waren seine persönlichen Lebensverhältnisse kein Thema mehr, und so galt der kantige Urner Nationalrat als fast natürlicher Nachfolger von Villiger. Doch diesmal verschmähte ihn seine Fraktion bereits bei der internen Ausmarchung. Steinegger galt bei seinem zweiten Anlauf als zu alt, ausserdem hatte die FDP unter seiner Führung bei den Nationalratswahlen Verluste erlitten. Die FDP setzte auf den schliesslich gewählten Ausserrhoder Ständerat Hans-Rudolf Merz und die Bernerin Christine Beerli.
Ebenfalls Bundesratsambitionen hegte der Obwaldner Nationalrat Adalbert Durrer, der von 1997 bis 2001 die CVP präsidierte. Er schaffte es 1999 bei der Nachfolge von Flavio Cotti bis in den vierten Wahlgang, musste dann aber dem Freiburger Joseph Deiss den Vortritt lassen. Durrers Antreten war parteiintern umstritten, musste er sich doch vorwerfen lassen, er stelle als Parteipräsident, der eigentlich neutral sein müsste, seine eigene Kandidatur in den Vordergrund.
Mit dem Zuger Gerhard Pfister hat die Mitte-Partei derzeit einen Präsidenten aus der Innerschweiz, dem fast alle in der Vereinigten Bundesversammlung die Fähigkeiten für das Bundesratsamt zutrauen. So ist es kein Wunder, dass sein Name 2018 und im vergangenen Dezember erneut im Zusammenhang mit angeblichen Geheimplänen in den Medien auftauchte. Doch wie meist bei publik gemachten Planspielen spielte Pfister am Wahltag letztlich keine Rolle.
So muss Pfister auf eine offizielle Chance warten. Diese könnte 2027 bei den nächsten Gesamterneuerungswahlen kommen, oder wenn Viola Amherd früher zurücktritt. Doch gemäss vielen Beobachtern hat der Mitte-Präsident das bei der letzten Wahl vorhandene Momentum nicht genutzt. Pfister ist bereits 61 Jahre alt. Ausserdem gilt er als starker und einflussreicher Parteipräsident, der externen und internen Konflikten selten aus dem Weg geht. Leute mit einem solch kantigen Profil wählt die Vereinigte Bundesversammlung nur selten in die Regierung.
Mit Petra Gössi hat Bundesbern eine ehemalige Parteipräsidentin aus der Innerschweiz. Der Schwyzerin ist nach dem eher unglücklichen Abgang an der FDP-Spitze mit der Wahl in den Ständerat zwar ein politisches Comeback geglückt. Doch parteiintern dürfte sie für eine Bundesratskandidatur nicht mehr infrage kommen.
Kompromittiert Marcel Dettling mit der Übernahme des Parteipräsidiums also seine Chancen auf den Einzug ins Bundesratszimmer? Nicht unbedingt. Es gibt einige Gründe, die dagegensprechen. So hat keine andere Partei in den letzten Jahren mehr Parteipräsidenten in den Bundesrat gehievt als die SVP.
Das höchste Parteiamt scheint schon fast ein Freifahrtschein für höhere Aufgaben zu sein. Seit 1988 haben Adolf Ogi (Parteipräsident 1984–1988), Ueli Maurer (1996–2008) und Albert Rösti (2016–2020) diesen Sprung geschafft. Hätte er es gewollt, wäre wohl auch Toni Brunner (2008–2016) Teil dieser Galerie.
Favoritin für nächste SVP-Vakanz
Politische Naturtalente wie Doris Leuthard, die von 2004 bis 2006 die Mitte-Vorgängerpartei CVP leitete und anschliessend von 2006 bis 2018 in der Landesregierung politisierte, schaffen es auch in anderen Parteien. Wenn sie denn nicht aus der Innerschweiz kommen, sondern aus dem nahe gelegenen Aargauer Freiamt.
Eine Überfliegerin könnte vorerst auch Dettlings Ambitionen im Wege stehen. Mit der St. Galler Ständerätin Esther Friedli verfügt die SVP nämlich über eine Politikerin, die viele in der Partei als ideale Bundesrätin sehen. Sollte die Lebenspartnerin von Toni Brunner nach dem Rücktritt von Guy Parmelin tatsächlich Ambitionen auf das höchste Exekutivamt anmelden, hätte sie wohl parteiintern und in der Vereinigten Bundesversammlung sehr gute Chancen.
Für Dettling muss dies keineswegs das Ende aller Träume bedeuten. Mit seinen bald 43 Jahren hat der designierte Nachfolger von Marco Chiesa noch viel Zeit. Seine Bewährungszeit, um vielleicht dereinst das erste Bundesratsmitglied aus dem Kanton Schwyz zu werden, beginnt nach dem 23. März.