Dienstag, Oktober 22

Bessent ist einer der wenigen Finanzprofis, die sich früh und bedingungslos hinter Trump stellten. Dabei hatte er jahrzehntelang für George Soros gearbeitet, den grossen Gegenspieler der Rechten.

Wenn Donald Trump jemanden mag, spart er nicht mit Superlativen. «Ich habe einen der brillantesten Männer der Wall Street hier», sagte er vor zwei Monaten an seinem Rally in Asheville, North Carolina. «Wo ist Scott? Magst du auf die Bühne kommen, bitte?»

Ein grosser Mann tritt ans Rednerpult und wendet sich mit ruhiger Stimme und professoraler Art an Trumps jubelnde Fans. Er hat nicht die gleiche Bühnenpräsenz wie der Ex-Präsident, doch er findet die richtigen Schlagworte: «Kamala Harris würde mit dem Kamala-Crash am Aktienmarkt starten – und darauf würde der Kamala-Crash der Wirtschaft folgen.»

Der Trump-Erklärer

Donald Trump hält offenbar grosse Stücke auf Scott Bessent, einen Finanzprofi, der im ländlichen Teil von South Carolina aufgewachsen ist. Er hat Bessent an Auftritten mehrfach lobend erwähnt; wie er es schon oft mit Leuten getan hat, die er später in Spitzenpositionen gebracht hat.

Die Medien haben es bemerkt. Manche sehen im Fondsmanager einen Topkandidaten fürs Finanzministerium, sollte Trump ins Weisse Haus zurückkehren. Immer öfter wird er von Fernsehstationen interviewt, wenn sie einen Trump-Vertrauten brauchen, der dessen Wirtschaftsprogramm erklärt und Widersprüche auflöst.

Scott Bessent betont dann zwar gebetsmühlenartig, dass er nicht für Trumps Kampagne spreche. Der 62-Jährige sieht sich als Brückenbauer zu den traditionellen wirtschaftsliberalen Konservativen. Und doch geht er derzeit voll auf in seiner Rolle als Trump-Erklärer.

Im Podcast der Nachrichtenagentur Bloomberg wird Bessent gefragt, ob und wie Trump sich in den Zinsentscheid der Notenbank Fed einmischen würde. Offene Interventionen des Präsidenten wären ein Tabubruch für die USA. Trump wolle in der Geldpolitik eine Stimme haben, sagt Bessent, «so wie jeder Präsident eine Stimme hat». Überhaupt seien die Demokraten schuld an der jüngsten Inflationswelle, weil sie die Wiederwahl des Fed-Chefs Jerome Powell 2021 erst sehr spät bestätigt hätten. Und dieser deshalb zu lange gezögert habe, die Zinsen zu erhöhen.

Und die enormen Zölle, die Trump androht? «Grundsätzlich denke ich, dass er letztlich ein Freihändler ist», sagt Bessent. Trump eskaliere mit Zolldrohungen, um zu deeskalieren.

Milliardenpoker

Scott Bessent ist kein Politiker – aber er ist es gewohnt, grosse Wetten einzugehen. 1992 half er George Soros und Stanley Druckenmiller bei ihrem legendären Angriff auf das Pfund. Sie waren überzeugt, dass die britische Währung auf einem zu hohen Wechselkurs gegenüber anderen europäischen Währungen fixiert war. Sie verkauften daher Pfund im grossen Stil, um die Bank of England unter Druck zu setzen. Die britische Notenbank gab nach, das Pfund stürzte ab, und Soros’ Firma verdiente rund eine Milliarde.

Bessent arbeitete noch bis 2015 für Soros, zuletzt als Investmentchef. Soros selbst betätigt sich inzwischen zusehends als Philanthrop und setzt sich für eine offene Gesellschaft ein, was ihn zur Zielscheibe der Neuen Rechten macht. Bessent hielt sich grösstenteils aus der Politik heraus. Mit einem grossen Angriff auf den japanischen Yen wiederholte er 2013 den Erfolg der Sterling-Wette von 1992.

2015 gründete er die Investmentfirma Key Square Group, die ihr Geld nach makroökonomischen Überlegungen anlegt. 2 Milliarden Dollar an Startkapital erhielt er von Soros, mit dem Bessent gemäss eigener Aussage nun aber seit Jahren nicht mehr gesprochen hat.

Kein klassischer Liberaler

Bessents Lebenslauf ist noch in anderer Hinsicht unkonventionell für jemanden, der für die Republikaner einen der wichtigsten Regierungsposten besetzen könnte. Bessent ist homosexuell; sein Mann hat früher als Staatsanwalt in der Bronx Karriere gemacht. Mit Richard Grenell, der 2020 kommissarisch als Direktor die US-Nachrichtendienste führte, zählten die Republikaner auf Bundesebene erst einmal ein offen schwules Regierungsmitglied.

Scott Bessent tätigt seit längerer Zeit politische Spenden, fast ausschliesslich für Republikaner. In der ersten Administration von Donald Trump spielte er aber noch keine Rolle, erst später gewann er das Ohr des früheren Präsidenten. Dabei bezieht Bessent auch Positionen, die dem klassischen Liberalismus fern sind. Er unterstützt Trump etwa in der Annahme, dass die USA aus ihrer Verschuldung herauswachsen können – mit Steuererleichterungen, die zunächst vor allem mehr Schulden produzieren. Kritik an dieser Sichtweise kanzelt er ab.

Bessent war einer von nur wenigen Vertretern der Finanzelite New Yorks, welche die Wahl von J. D. Vance zum Vize-Kandidaten unterstützten, obwohl der Senator aus Ohio sich teilweise sehr negativ über «Big Business» äussert. Vance und Bessent kennen sich seit Jahren, der Fondsmanager ist voll des Lobes über den Vizepräsidentschaftsanwärter: «Er ist schlau, er ist mitfühlend, er ist ein grossartiger Familienmensch», sagte er gegenüber dem Fernsehsender Fox Business, als er die Vizepräsidenten-Debatte zwischen Vance und Tim Walz einordnete. «Wir konnten sehen, was Harris und Walz Amerikanern aus der Arbeiterklasse angetan haben.»

Die vorgebrachte Nähe zur Arbeiterklasse befremdet bei Bessent; bringt er doch Ideen vor, die zwar das Defizit verringern würden, aber bei Arbeitern unpopulär wären. Bessent will Joe Bidens monumentale Subventionen kürzen, mit denen dieser Industriejobs in vernachlässigten Regionen fördert und den Klimawandel bekämpft. Und er schlägt Änderungen bei Medicaid vor, der staatlichen Krankenversicherung für ärmere Amerikaner, die zu Kürzungen führen könnten. Beides käme bei vielen Arbeitern nicht sehr gut an.

Bessent präsentierte einen Vorschlag, wie Trump Einfluss auf die Notenbank Fed ausüben kann, ohne den Tabubruch zu wagen und Jerome Powell vorzeitig abzusetzen. Bessent schlägt vor, dass Trump einen «Schatten-Chef» für das Fed nominiert, lange bevor Powells Amtszeit 2026 endet. Powell würde zur lahmen Ente. «Basierend auf dem Konzept der Forward Guidance wird sich niemand mehr darum kümmern, was Powell zu sagen hat», drückt es Bessent wenig diplomatisch aus.

Ein moderater Einfluss?

Ob als Finanzminister oder weiterhin als Berater hinter den Kulissen: Scott Bessent könnte nach der Wahl eine Schlüsselfigur in Trumps Wirtschaftsteam sein. Könnte er so zu einer unternehmensfreundlichen, gewöhnlich konservativen Wirtschaftspolitik beitragen? In Trumps erster Amtszeit milderten moderate Regierungsmitglieder und Stabsangestellte die isolationistischen Impulse des Präsidenten ab.

Oder würde Bessent, wie es im Wahlkampf manchmal den Anschein macht, Trump loyal folgen, selbst wenn dieser extreme Ideen umsetzen wollte? Bessents eigener Vorschlag, einen Schatten-Chef fürs Fed aufzustellen, widerspricht dem wirtschaftsliberalen Grundsatz, den Einfluss der Regierung auf die Notenbank möglichst gering zu halten.

Als Investor hörte Scott Bessent das Gras wachsen und verdiente damit ein Vermögen. Die Wette auf Trump birgt Risiken ganz anderer Art – für Bessent selbst und für die US-Wirtschaft sowieso.

Exit mobile version