Donnerstag, November 28

Vom Klassenbesten zum Problemschüler: So fühlt sich die derzeitige Formschwäche des Frankens an. Doch die Gründe dahinter können schnell wieder ändern – und sollten nicht überbewertet werden.

Was für eine Kehrtwende. Noch 2023 schien es für den Franken nur eine Richtung zu geben. Die Schweizer Währung erstarkte in raschem Tempo und gegenüber fast allen Währungen. In diesem Jahr zeigt sich ein ganz anderes Bild. Unter den grossen Währungen gehört der Franken zu den schwächsten Vertretern. Gegenüber dem Euro hat der Franken seit Jahresbeginn um 7 Prozent an Wert verloren und gegenüber dem Dollar sowie dem Pfund um je 9 Prozent. Nur der Yen – seit einer gefühlten Ewigkeit im Sinkflug – hat noch schlechter abgeschnitten.

Seit Anfang Jahr schwächelt der Franken gegenüber dem Euro

Euro-Franken-Kurs seit Januar 2023

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Die SNB erklärt, dass sie Devisenverkäufe nicht mehr in den Vordergrund stelle.

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Die SNB senkt überraschend den Leitzins.

Setzt sich der Trend fort, könnte die Parität zwischen Franken und Euro bald erreicht sein. Die beiden Währungen hätten dann denselben Wert, was letztmals im März 2023 der Fall war. Vergangene Woche oszillierte die europäische Einheitswährung um die Marke von 99 Rappen. Ein Durchbrechen der Parität ist jederzeit möglich. Über die Gründe kann zwar nur spekuliert werden, zumal der Devisenmarkt einer Blackbox ähnelt, deren Regeln schwer durchschaubar sind. Es gibt aber einige Faktoren, welche die Frankenschwäche zu deuten helfen.

  • Risikofreudige Anleger: An den Märkten herrscht seit Monaten eine positive Stimmung. Die Investoren zeigen sich risikofreudig, und die Aktienindizes klettern auf Rekordstände. Zwar bleibt das geopolitische Umfeld fragil, etwa mit Blick auf die Ukraine, den Gazastreifen oder die Spannung zwischen den USA und China. Daran scheint man sich an den Märkten aber mit irritierender Sorglosigkeit gewöhnt zu haben, zumal die Weltwirtschaft bisher erstaunlich viel Widerstandskraft zeigte. Entsprechend gering ist die Nachfrage nach einem «sicheren Hafen» wie dem Franken. Und weil weniger Investoren in diesen Hafen flüchten, ist seit geraumer Zeit keinerlei Aufwertungsdruck beim Franken zu beobachten. 
  • Zinsdifferenz zum Ausland. Dass die Zinsen in der Schweiz niedriger sind als in den meisten anderen Währungsräumen, ist seit Jahrzehnten eine Tatsache. Diesen März hat die Schweizerische Nationalbank (SNB) die Zinsdifferenz noch zusätzlich vergrössert, indem sie als erste grosse Notenbank den Leitzins senkte. Der überraschende Schritt trägt dazu bei, dass die Nachfrage nach Schweizerfranken sinkt. Denn Investoren erhalten ihre Anlagen in anderen Währungsräumen höher verzinst als in der Schweiz, etwa nach Massgabe der Sätze am Geldmarkt. Und weil die Märkte mit weiteren Zinssenkungen der SNB im Laufe dieses Jahres rechnen, dürfte die Zinsdifferenz kaum in grossem Mass schrumpfen.
  • Spekulieren mit dem Franken. Die beschriebene Zinsdifferenz lädt zu Spekulationen ein. Dazu gehören sogenannte Carry-Trades. Dabei verschulden sich Anleger in niedrig verzinsten Währungen, um das Geld danach in Devisen mit höherer Verzinsung anzulegen. Die während Jahren bevorzugte Währung für solche Geschäfte war der Yen. Denn in Japan verharrt der Leitzins noch immer in der Nähe von 0. Er ist damit niedriger als in der Schweiz, wo der Satz seit März bei 1,5 Prozent liegt. Ungeachtet dieses Zinsnachteils haben Carry-Trader jüngst den Franken für ihre Wetten entdeckt. Weil man hierzu aber immer zuerst Franken verkaufen muss, drückt dies auf den Aussenwert der Währung.
  • Das lange Warten des Fed. Noch Ende vergangenen Jahres war man sich an den Finanzmärkten einig: 2024 würde die amerikanische Notenbank Fed in raschem Tempo ihre Zinsen senken. Doch es kam anders. Weil in den USA im ersten Quartal der Inflationsrückgang ins Stocken geriet, musste das Fed die Zinssenkungen hintanstellen. Anstelle von sechs Zinssenkungen wird nun nur noch mit einem einzigen Schritt gerechnet. Die restriktiver als erwartet ausgefallene Geldpolitik hat dem Dollar zu Auftrieb verholfen, auch gegenüber dem Franken. Im Euro-Raum wiederum hat sich die Wirtschaft leicht besser entwickelt, als dies Ende 2023 erwartet worden war. Das hat den Euro gestützt.
  • Keine Devisenverkäufe der SNB. Für die SNB wäre es einfach, die Abschwächung des Frankens zu stoppen. Weil sie noch immer auf einem Berg von Devisenreserven sitzt, müsste sie bloss einen Teil ihrer Fremdwährungen abstossen und Franken kaufen. Als die Inflation in der Schweiz auf bis zu 3,5 Prozent stieg, kam es im grossen Stil zu solchen Devisenverkäufen. Dies deshalb, weil die damit verbundene Frankenaufwertung die Importgüter verbilligte. Im Dezember erklärte die SNB aber, dass man «Devisenverkäufe nicht mehr in den Vordergrund» stelle. Damit signalisierte die SNB, dass sie – auch aus Rücksicht auf die Exportindustrie – eine Abschwächung des Frankens begrüssen würde.

Die SNB scheint sich an ihre Ankündigung gehalten zu haben. So deutet nichts darauf hin, dass die Nationalbank in den vergangenen Monaten mit Devisenverkäufen gegen die Frankenschwäche angekämpft hat. Offen bleibt, wie die Notenbank reagieren wird, sollte der schwächere Franken wieder zu einem Aufflackern der aus dem Ausland importierten Inflation führen. Noch ist dies nicht der Fall. Doch dieses Durchsickern braucht Zeit. Und Tatsache ist, dass die inflationsdämpfende Wirkung des Importes in den vergangenen Monaten nachgelassen hat.

Die Kehrtwende an der Devisenfront mag erstaunen. Sie sollte aber nicht überbewertet werden. Mit zeitlichem Abstand wird sie wohl nur eine Randnotiz sein. So sind die meisten Devisenexperten überzeugt, dass sich am langfristigen Aufwertungstrend des Frankens wenig ändert. Dafür sprechen Trümpfe wie die institutionelle Stabilität der Schweiz, die niedrigere Inflation, die relativ moderate Staatsverschuldung und vieles mehr. Die Schweizer Exportwirtschaft ist daher gut beraten, auch in Zukunft mit einem starken Franken zu kalkulieren.

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