Mittwoch, Januar 8

Mehr Kundenorientierung und bessere Erreichbarkeit – das sind die hehren Ziele bei der Verwaltung von Mietwohnungen. Trotzdem sind Mieter vom Service meist enttäuscht. Insider verraten, warum der Wandel bei Livit, Wincasa und Privera stockt.

Hundertfach finden sich ähnliche Beschwerden in Online-Foren, die grosse Verwaltungen wie Livit, Wincasa und Privera ins Visier nehmen. Die Vorwürfe? Unerreichbare Ansprechpartner und endlose Kommunikationsschleifen ohne Ergebnis. Man rufe an, schreibe E-Mails, doch wochenlang passiere nichts, klagt etwa ein Mieter über Livit.

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Häufig gibt es noch einen anderen Vorwurf, wie ein anderer Kunde bitter bemerkt: Mit einem Leerstand von 0,001 Prozent scheint es, als hielte man guten Service gar nicht für nötig. Ein Gewerbemieter bemängelt, dass er innerhalb von vier Jahren von drei verschiedenen Personen betreut wurde.

Ein «Qualitätsproblem», das den Markt prägt

Ein Insider und ehemaliger Kadermitarbeiter von Livit bringt es auf den Punkt: Die Bewirtschaftung von Wohnungen sei nun mal ein «Massengeschäft». Das System lasse weder Raum für individuelles Engagement noch für persönliche Kundenbeziehungen; es gelte, mit minimalem Aufwand viel Geld zu verdienen. Wer als Manager zu viel in die Personalentwicklung und die Qualität investiere, riskiere den Job.

Swiss Life als Eigentümerin von Livit weist keinerlei Geschäftszahlen der hundertprozentigen Tochter aus und will solche Aussagen nicht kommentieren. «Wir sind mit der Entwicklung von Livit zufrieden», heisst es knapp in der Stellungnahme.

Ein Faktor, unter dem die Branche seit Jahren permanent leidet, ist der ausgeprägte Mangel an Fachkräften. Offizielle Zahlen gibt es kaum, aber verschiedene Quellen bestätigen, dass auf Stufe Sachbearbeitung eine Fluktuationsrate von 20 Prozent und mehr pro Jahr festzustellen ist.

Der Umgang mit endlosen Anfragen bringt viele Mitarbeitende an ihre Grenzen. Besonders zermürbend sind die subtilen bis offenen Druckversuche bei der Wohnungsvergabe, die in einem engen Wohnungsmarkt alltäglich sind. Sämtliche Initiativen, um den Beruf attraktiver zu machen, verpuffen seit Jahren ohne Wirkung.

Zwischen hohen Erwartungen und Skandalen

Der Skandal um den umstrittenen Verwalter Goran Zeindler und die Sugus-Häuser hat der Reputation der Branche weiter geschadet. Trotz der schnellen Distanzierung der Branchenorganisationen HEV, Svit und VZI (Vereinigung Zürcher Immobilienfirmen) bleibt der Eindruck von Verantwortungslosigkeit und unprofessionellem Verhalten.

Doch die Probleme reichen über diesen Skandal hinaus. Arbeitgeber stehen einer Generation von jungen Berufseinsteigern gegenüber, die schnell hohe Saläre und rasche Karriereschritte erwarten. Besonders in Zürich sind die Gehälter für gut ausgebildete Bewirtschafter beachtlich – Jahreslöhne zwischen 85 000 und über 100 000 Franken sind keine Seltenheit.

Die Situation wird zusätzlich durch die sogenannte «Job-Hopper»-Mentalität verstärkt. Mitarbeitende wechseln häufig die Arbeitgeber, um höhere Gehälter und bessere Positionen zu erzielen, um nur kurze Zeit später wieder zur nächsten Herausforderung zu ziehen.

Oliver Hofmann, CEO von Wincasa, spricht die Herausforderungen offen an: «Wir bewegen uns in einem Umfeld mit steigenden Kosten.» Die Gründe seien vielfältig: höhere Anforderungen der Kunden, die nach Investitionen in Technologie, Compliance und Risiko-Management verlangten. So brauche die Branche auch immer mehr gut ausgebildete Fachspezialisten – was ebenfalls seinen Preis habe.

Die Bewirtschafterhonorare sinken

Doch ausgerechnet, wenn die Kosten steigen, geraten die Einnahmen immer mehr unter Druck. Der Markt für grosse Bewirtschaftungsmandate hat sich zu einem knallharten Wettbewerb entwickelt. Der Versuch des Branchenverbands Svit, eine neue Honorarordnung zu lancieren, ist schon vor mehr als zwanzig Jahren von der Wettbewerbskommission für unzulässig erklärt worden.

So hat sich der Wettbewerb bei sehr umfangreichen Mandaten von institutionellen Investoren immer mehr verschärft. Während früher der Bewirtschafter einen Honorarsatz von vielleicht 4 bis 5 Prozent der Mieteinnahmen verdiente, rutschte dieser Satz bald unter 4 und jetzt neuerdings teilweise sogar unter 3 Prozent.

Grosse institutionelle Kunden wünschen sich dann erst noch ein Rundumpaket – und das bitte auf Spitzenniveau und zu einem möglichst tiefen Preis. Von Vermietungen, Mieterbetreuung und Rechtsfragen bis zur umfassenden baulichen und technischen Betreuung der Immobilien soll alles im Honorar inbegriffen sein.

Dieter Sommer, der vor seinem Wechsel in die Unternehmens- und Organisationsberatung bei verschiedenen Playern Führungspositionen innehatte, kennt diesen Spagat: «Manche Eigentümer fordern, dass Mieteranliegen innerhalb von 48 Stunden beantwortet werden.»

Wenn dann aber zugleich die Honorare sänken, seien die Probleme vorprogrammiert. Bewirtschaftung sei nun mal mit Aufwand verbunden, der immer noch zu einem grossen Teil von Menschen ausgeführt werde.

Digitalisierung als Hoffnung – und Illusion

Der Ruf nach Effizienzsteigerung ist laut. Doch die Digitalisierung, die als Retterin erscheinen könnte, lässt in der Immobilienwelt auf sich warten. «Bei der Digitalisierung steht die Branche immer noch am Anfang», kritisiert Sommer. Es gebe zwar viele neue Tools auf dem Markt, doch de facto handle es sich oft um Einzellösungen. «Durchgängig digitale Prozesse wie etwa im E-Banking sucht man bis jetzt meist vergeblich», so der Experte.

Sicher, das Mietrecht macht einige Prozesse in der Verwaltung komplex und erschwert Effizienzsteigerungen. Aber der wahre Stolperstein für die Digitalisierung ist die Uneinheitlichkeit der Branche. Zwar gibt es zahlreiche Innovationsprojekte, doch bis jetzt bleibt der Durchbruch aus. «In vielen Fällen konnten die Erwartungen hinsichtlich Effizienz- und Qualitätssteigerungen sowie Kostensenkung nicht erreicht werden», so Dieter Sommer.

Auch Oliver Hofmann von Wincasa betont, dass zwar die innovative Startup- und Proptech-Szene permanent mit vielversprechenden digitalen Tools aufwarte: «Doch punkto Compliance, Datenschutz oder Schnittstellen mit anderen Anwendungen im Betrieb ist längst nicht alles so einfach, wie es zuerst aussieht.»

Die grossen Unternehmen betreiben ein eigenes Filialnetz und bieten Kontaktmöglichkeiten via Telefon, E-Mail und digitale Mieterportale an. Doch der Kundenansturm reisst nicht ab – im Gegenteil, er wächst stetig.

Manche Firmen kämpfen ums Überleben

Ausdruck von Schwierigkeiten sind die zahlreichen Übernahmen und Fusionen: Die französische DBS Group (heute Emeria) tätigte verschiedene Akquisitionen und ging Kooperationen ein, unter anderem mit der Intercity Verwaltungs AG sowie mit dem Basler Dienstleister Gribi. Verit Immobilien AG ging zuerst an Avobis, dann diesen Sommer an Privera.

Ob sich in diesem Geschäft Geld verdienen lässt, bleibt unklar. Doch Insider betonen, dass manche Anbieter unter Druck stünden, kein Geld verdienten oder sogar Verluste einführen.

Gewinnzahlen im Fokus

Die meisten grossen Player wie Verit Immobilien oder Livit halten die Geschäftszahlen unter Verschluss. Eine Ausnahme ist der Dienstleister Wincasa, der 2023 vom Baukonzern Implenia übernommen wurde. Während man im Baugeschäft in den letzten Jahren kaum über eine Ebit-Marge von 3,1 bis 3,4 Prozent hinauskam, soll Wincasa zu besseren Zahlen beitragen.

«Mit rund 8 bis 10 Prozent Ebit-Marge kommt von Wincasa tatsächlich ein sehr gutes Ergebnis, das die Erwartungen erfüllt», sagt Anja Felder, Finanzanalystin der St. Galler Kantonalbank.

«Die erzielten Gewinne sind in der Praxis aber sehr unterschiedlich», sagt der Experte Dieter Sommer. Wer für ein Grossmandat einen guten Preis aushandle und die Aufgaben konsequent skaliere, könne durchaus auf eine Ebit-Marge von etwa 10 Prozent kommen. Doch für Sommer gibt es über kurz oder lang nur zwei Möglichkeiten: Entweder steigt man zu einem der grossen Player auf und arbeitet dank Skalierung wirtschaftlich erfolgreich.

Oder man spezialisiert sich als kleinerer Player, wie Sommer sagt: «Ein kleiner Dienstleister, der sich vorwiegend an private Kunden richtet, kann ohne allzu grosse Investitionen in Technologie sehr erfolgreich sein.» Dünner wird die Luft für diejenigen Provider, die sich weder durch Skalierung noch durch Spezialisierung auf kleine Mandate ein klares Profil geben können.

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