Donnerstag, März 20

Dass die Ivoirer in den Halbfinals stehen, kommt einem Fussballwunder gleich. Denn schon mehr als einmal in diesem Turnier schienen sie ausgeschieden. In der Hauptstadt Abidjan ist der Teufel los.

Es war eine Explosion der Gefühle, das «Stadion des Friedens» in Bouaké bebte: Die Freude einer ganzen Nation brach sich Bahn, als der junge Fussballer Oumar Diakité am Samstagabend ins Tor traf. Er, der in der legendären Talentschmiede des ivoirischen Vorzeigeklubs Asec Mimosas ausgebildet worden war, erzielte das 2:1 für Côte d’Ivoire im Viertelfinalspiel des Afrikacups gegen Mali – in der letzten Sekunde der Verlängerung. Und das, nachdem die Ivoirer einen Grossteil der Spielzeit mit einem Mann weniger hatten absolvieren müssen.

Dass das Team des Gastgebers nun in den Halbfinals steht, kommt einem Fussballwunder gleich. Denn schon mehr als einmal in diesem Turnier schien es ausgeschieden. In der Vorrunde hatten die Ivoirer gegen Nigeria verloren, ehe sie gegen den Aussenseiter Äquatorialguinea gleich mit 0:4 untergingen. Nur durch grosses Glück rutschten sie als einer der am wenigsten schlechten Gruppendritten in die K.-o.-Phase. In dieser bezwangen sie dann den Titelhalter, das hochfavorisierte Senegal. Auch in jener Partie war ihnen ein spätes Comeback gelungen – mit einem Last-Minute-Ausgleich und Dramatik im Elfmeterschiessen.

Plötzlich sind wieder altgediente Kräfte gefragt, wie Franck Kessié oder Serge Aurier

Pikanterweise stand da ein in der Not engagierter Trainer an der Seitenlinie. Denn im allgemeinen Stimmungschaos hatten die Ivoirer nach dem letzten Gruppenspiel ihren französischen Coach Jean-Louis Gasset entlassen, der ehemalige Nationalspieler Emerse Faé sprang ein. Wegen der Unerfahrenheit des Ersatztrainers war zunächst gefrotzelt worden. Emmanuel Eboué, ebenfalls früherer Internationaler, sagte über die derzeitige Mannschaft: «Diese Spieler sind so talentiert, die brauchen eigentlich nur jemanden, der sie bei guter Laune hält.»

Aus dem ivoirischen Team gab es Zuspruch für den Trainerwechsel. Der Mittelfeldspieler Franck Kessié sagte: «Bei uns ist wieder gute Stimmung. Ich glaube, wir können noch Grosses erreichen.» Er, der in der letzten Saison für den FC Barcelona gespielt hatte, erhielt unter Faé seinen Stammplatz zurück, ebenso die altgedienten Kräfte Serge Aurier (Galatasaray Istanbul) und Max Gradel (Gaziantep FK), die unter Gasset Bankplätze zugewiesen bekamen.

Bis zur wundersamen Wende waren sie beinahe verzweifelt in Côte d’Ivoire, schliesslich war das ganze Land bei Turnierbeginn am 13. Januar in Feierlaune gewesen. Am Flughafen wurden Fans mit Gesang und Tanzgruppen begrüsst. Kaum eine Strasse in der Sechs-Millionen-Hauptstadt Abidjan, die nicht mit den bunten Fahnen der teilnehmenden Länder geschmückt ist. Kein Café, kein Restaurant, das nicht mit riesigen Fernsehern auf Public-Viewing-Partys setzt. Dazu Hunderte von umtriebigen Händlern, die im ewigen Verkehrsstau der Stadt Trikots und Fähnchen an genervte Autofahrer verramschen.

Sie alle freuten sich auf einen Event, der dem Land, das bis ins Jahr 2011 von einem quälend langen Bürgerkrieg in vielerlei Hinsicht lahmgelegt worden war, weiteren Schwung bringen sollte. Für rund 1,5 Milliarden Euro wurden Stadien gebaut und renoviert sowie Strassen und Spitäler modernisiert.

Das Turnier lief denn auch zufriedenstellend an. Die Organisation klappte mehr oder weniger reibungslos, das fussballerische Niveau war von Anfang an hoch, die Zuschauer waren begeistert. Anfangs lief zwar der Ticketverkauf noch etwas schleppend, doch nachdem das Online-System um einen analogen Billettverkauf in Supermärkten, Postämtern und vor Banken ergänzt worden war, waren die Stadien so gut besucht wie wohl noch nie am Afrikacup. Wenn da nur nicht die sportlichen Auftritte des Gastgebers gewesen wären. Doch diese sind seit der spektakulären Wende passé.

Die Favoritenrolle hat an diesem Afrikacup noch keiner Mannschaft gutgetan

Im Halbfinal geht’s für die Ivoirer am Mittwoch im neuen Olympiastadion in Abidjans Vorort Ebimpe gegen die Demokratische Republik Kongo. Ein klarer Favorit ist nicht auszumachen. Die Kongolesen, die ohne internationale Stars daherkommen, hatte vor dem Turnier kaum jemand für die finale Phase auf der Rechnung gehabt.

Am ehesten wird der Titel unterdessen den Nigerianern zugetraut, die im anderen Halbfinal auf Südafrika treffen. Die «Super Eagles» haben sich von Spiel zu Spiel gesteigert. Ihr Prunkstück ist die Offensive mit Victor Osimhen von Napoli und Ademola Lookman von Atalanta Bergamo. Aber Achtung: Die Favoritenrolle hat an diesem Afrikacup noch keiner Mannschaft gutgetan.

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