Ab September sollen wieder alle Personenzüge durch den Basistunnel fahren. Damit es nicht erneut zu einem verheerenden Unglück kommt, zählt der Bund auch auf die EU.

Bundesrat Albert Rösti hat wegen der Sperrung der Nord-Süd-Achse am San Bernardino die Bevölkerung dazu aufgerufen, auf die Bahn umzusteigen. Derzeit werden die Zug-Kapazitäten an den Wochenenden um 11 000 Plätze erweitert. Die Kapazitäten könnten auch noch ausgebaut werden, heisst es vonseiten der SBB.

Allerdings nicht im Gotthard-Basistunnel. Denn der ist nach wie vor wegen eines Zugunfalls von vergangenem August teilweise gesperrt. Am Donnerstagmorgen informierten die SBB an einer Medienkonferenz, dass die derzeit blockierte Weströhre am 2. September für den regulären Verkehr freigegeben werden solle und erklärten, welche Arbeiten bis dann noch anstünden.

Bauarbeiten abgeschlossen, bald beginnen Tests

Die Bauarbeiten am Gleis und am defekten Spurwechseltor seien abgeschlossen, sagte Peter Kummer, Leiter Infrastruktur bei den SBB. Zurzeit stünden noch Arbeiten an der Tunneltechnik an, danach komme es zu Testfahrten mit einem Diagnosefahrzeug. Beat Deuber, Leiter Netzdesign, Anlagen und Technologie bei den SBB, erklärte: «Es ist, als müssten wir den Tunnel nochmals komplett neu eröffnen.»

Ab Mitte August sollen erste kommerzielle Fahrten durch die Weströhre erfolgen: primär Güterzüge, aber vereinzelt auch Personenzüge. Weil der Tunnel erst am 2. September den Regelbetrieb aufnimmt, kann er diesen Sommer nicht für die Entlastung der San-Bernardino-Strecke sorgen.

Ab September wollen die SBB erstmals den vollständigen Halbstundentakt im Fernverkehr zwischen dem Tessin und der Nordschweiz aufnehmen. Zudem sollen die Direktzüge nach Bologna und Genua sowie die Eurocitys von Basel und Zürich nach Mailand wieder verkehren.

Unfälle im Gotthard-Basistunnel verhindern

Siebzehn Jahre lang hat der Bau des Gotthard-Basistunnels gedauert. Nur sieben Jahre nach der Eröffnung folgte der Unfall, der die Weströhre seit nun zehn Monaten lahmlegt. Grund für den Unfall war ein Radbruch bei einem Zug, wie der Bericht der schweizerischen Sicherheitsuntersuchungsstelle (Sust) zeigte.

Als Ursache vermutet wird ein nicht erkannter Haarriss, ein sehr kleiner, feiner Riss, im Rad, der sich ausweitete und dessentwegen schliesslich das Rad zerbrach. Der kaputte Zug zerstörte das Trassee auf sieben Kilometern Länge und entgleiste schliesslich bei einer Weiche bei der Multifunktionsstelle Faido, wo ein durch ein Tor abgetrennter Wechselstollen die beiden Röhren verbindet.

Dass dies zukünftig nicht mehr passiert, kann Deuber zwar nicht versprechen. Er sagte aber, dass die SBB alles tun würden, um es zu verhindern: Durch den Schaden sind Kosten in der Höhe von 150 Millionen Franken entstanden. So habe das Bundesamt für Verkehr (BAV) bei der zuständigen europäischen Task-Force bereits Eingaben gemacht. Unter anderem geht es dabei um einen Radtyp, den die SBB selber zwar nicht einsetzen, aber andere europäische Güterverkehrsunternehmen, die den Gotthard passierten, schon.

Dieser Radtyp sei wegen seiner Metalllegierungen anfälliger für Haarrisse, sagte Deuber. Solche Haarrisse könnten während der Fahrt und im operativen Betrieb nicht entdeckt werden. Zwar gebe es schweizweit 240 Zugkontrolleinrichtungen, die automatisch Alarm schlügen, wenn Messwerte des Zuges von der Norm abwichen. Diese hätten die Sicherheit der Zugfahrten in den letzten Jahren deutlich erhöht, sagte Deuber.

Aber selbst die neusten Modelle dieser Einrichtungen, die auch hochauflösende Bilder der Zugräder machen, können die Risse nicht entdecken. Diese würden einzig in der Werkstatt mithilfe von Ultraschall erkannt werden. Das BAV will nun auf europäischer Ebene erwirken, dass dieser Radtyp strenger und öfter kontrolliert wird. Denn es war der Radtyp, der zum Unfall im Gotthard-Basistunnel führte: Durch die Schweiz verkehren auch ausländische Güterzüge.

Entgleisungsdetektoren werden installiert

Doch auch bei allfälligen zukünftigen Entgleisungen beim Gotthardtunnel wollen die SBB besser gewarnt sein. So planen sie bei den Spurwechsel im und vor dem Basistunnel, Entgleisungsdetektoren zu installieren. Diese sollen Alarm schlagen, sollte erneut ein Zug entgleisen. Dies, um die in der anderen Fahrtrichtung heranbrausenden Züge frühzeitig anhalten zu können.

Die Gefahr, dass Wagen auf das falsche Gleis gerieten, sei allerdings nur bei den Portalen gegeben: Im Tunnel sind die Röhren getrennt. Als provisorische Sicherheitsmassnahme, bis die Detektoren installiert seien, würde die Geschwindigkeit der Züge vor dem Tunnel auf 160 Kilometer pro Stunde begrenzt. So könnten die Züge im Notfall schneller gestoppt werden.

Dadurch dauere die Fahrt allerdings rund 30 Sekunden länger, sagte Deuber. Trotzdem könnten die Fahrpläne eingehalten werden. Man hätte bei der Fahrt durch den Basistunnel genügend Reserven, um die halbe Minute wettzumachen. Jedoch würden diese damit kleiner. Darum soll die Massnahme auch nur provisorisch gelten – bis die Entgleisungsdetektoren installiert sind.

Basistunnel kann den Sommerferienstau nicht entlasten

Das Zug-Angebot via Gotthard bleibt derzeit vor allem unter der Woche wenig attraktiv, weil die meisten Personenzüge nicht durch den Basistunnel verkehren können. Dadurch dauert die Reise von Zürich HB nach Chiasso eine Stunde länger. An den Wochenenden fahren bereits mehr Personenzüge durch die intakte Oströhre des Basistunnels.

Die aktuelle Situation ist vor allem ungünstig angesichts der zurzeit gesperrten A 13. Als vor sechs Jahren der San-Bernardino-Tunnel wegen eines Busbrands geschlossen war, kam es vor dem Gotthard-Strassentunnel zu einer rekordlangen Kolonne von 28 Kilometern. Nun ist die Situation ähnlich: Die San-Bernardino-Autostrasse 13 wurde am vergangenen Freitag durch ein Unwetter im Bündner Südtal Misox teilweise zerstört und ist deshalb für die nächsten zwei Wochen unpassierbar.

Noch haben sich gemäss dem Bundesamt für Strassen (Astra) die Staustunden vor dem Gotthard nicht stark ausgedehnt. Aber bereits dieses Wochenende beginnen in einigen Kantonen die Sommerferien – zum Beispiel in Basel-Stadt oder der Waadt. Es muss mit längeren Staus gerechnet werden. Auch wenn ab dem 10. Juli auf dem beschädigten Streckenabschnitt auf der A 13 der Verkehr wieder mit je einer Fahrspur pro Richtung verlaufen soll.

Ab September könnte der Basistunnel allerdings für eine Entlastung sorgen, falls bis dann der Verkehr auf dem beschädigten Streckenabschnitt immer noch auf zwei Spuren beschränkt ist. Gegenwärtig bieten die SBB unter der Woche täglich 35 000 Sitzplätze an, mit der Neueröffnung sollen es 40 000 Sitze sein.

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