Peter Füglistaler prägte als oberster Bahnaufseher den Schweizer öV. Seine Nachfolgerin Christa Hostettler muss beim Ausbau der Schiene Akzente setzen – und das Verhältnis zu den Bundesbahnen kitten.
Es ist eine Schlüsselstelle im Departement von Albert Rösti (SVP). Am Mittwoch hat der Bundesrat auf seinen Antrag Christa Hostettler zur neuen Direktorin des Bundesamts für Verkehr (BAV) ernannt. Die 49-jährige Solothurnerin folgt im August auf Peter Füglistaler. Mit ihr gelangt erstmals seit 150 Jahren eine Frau an die Spitze des BAV. Der Bundesrat habe eine hervorragende und profilstarke Persönlichkeit ernannt, teilte Röstis Departement mit. Sie werde die Verkehrsentwicklung massgeblich mitgestalten.
Hostettler bringt praktische Erfahrung aus der Branche, aber auch einen politischen Rucksack mit – beides ist für die exponierte Stelle gefragt. Gegenwärtig sitzt sie als Leiterin Markt und Kunden in der Geschäftsleitung von Postauto. Die Juristin ist mit den Abläufen in den Kantonen vertraut, die beim öffentlichen Verkehr eine zentrale Rolle spielen. Von 2014 bis 2019 war sie Generalsekretärin der kantonalen Konferenz der ÖV-Direktoren. In dieser Funktion war sie an der Aushandlung einer Vereinbarung zwischen Postauto, dem BAV und den Kantonen beteiligt, um zu viel bezogene Subventionen zurückzuzahlen.
Keine Branchenerfahrung hat Hostettler dagegen bei der Bahn, dem wichtigsten Dossier des BAV. Das Bundesamt ist für eine Reihe von Themen zuständig, von der Finanzierung und dem Ausbau der Schienen und Tunnels bis zur Sicherheit und zur Verlagerung des alpenquerenden Schwerverkehrs. Branchenfremde Personen wie der frühere SBB-Verwaltungsratspräsident Ulrich Gygi benötigten viel Zeit, um sich einzuarbeiten – Zeit, die Hostettler nicht haben wird.
Neat eröffnet und Akzente gesetzt
Mit Peter Füglistaler geht im Sommer ein Chefbeamter in Pension, der den Schweizer öV während bald vierzehn Jahren geprägt hat. Er trug vor zehn Jahren wesentlich dazu bei, die Finanzierung des Unterhalts und Ausbaus der Schiene mit dem Bahninfrastrukturfonds auf eine stabile Grundlage zu stellen. Nicht nur Deutschland beneidet die Schweiz darum. Füglistaler war wegen den Problemen der Deutschen Bahn auch im benachbarten Ausland ein gefragter Gesprächspartner. Ein Höhepunkt seiner Amtszeit war zudem die Eröffnung des Gotthard- und des Ceneri-Basistunnels der Neat, die der Verlagerung des alpenquerenden Schwerverkehrs neuen Schub brachten.
Füglistaler war in seiner Amtszeit kein Verwalter, vielmehr setzte er Akzente. Bei der Neuvergabe der Fernverkehrskonzession forcierte er mit der damaligen Bundesrätin Doris Leuthard im engen Schweizer Rahmen einen Wettbewerb der Ideen. Füglistaler ist es zu verdanken, dass es auf der Gotthard-Bergstrecke weiterhin ein gutes Angebot mit direkten Fernverkehrszügen gibt. Die Südostbahn (SOB) betreibt diese in Kooperation mit den SBB. Die Übernahme der Interregio-Linie Zürich-Chur durch die SOB war dagegen nur beschränkt ein Erfolg, da die einstöckigen Züge zu wenig Kapazität bieten.
Tiefpunkt von Füglistalers Amtszeit waren die Skandale um überhöhte Subventionen für Postauto und weitere Bus- und Bahnunternehmen des Regionalverkehrs. Das BAV hat seither seine Kontrollen verstärkt. Die Affäre hat beim BAV-Direktor persönliche Wunden hinterlassen – in der Schweizer ÖV-Branche kennt man sich. Auf der Plattform Linkedin äusserte er sich kritisch über Entscheidungsträger involvierter Unternehmen, auch wenn noch juristische Verfahren laufen.
Füglistaler hinterlässt ein gut aufgestelltes BAV. Beim Erhalt und Ausbau der Schieneninfrastruktur warten auf Hostettler jedoch schwierige Aufgaben. Die Finanzierung ist dank dem Bahnfonds zwar gesichert. Doch der Ausbau der Schiene ist zusehends zu einem reinen Verteilkampf der Kantone geworden. Statt über Konzepte und Angebote wie bei der Neat diskutiert die Politik über Infrastrukturen, mit regionalem Blickwinkel. Prominentes Beispiel ist der von Parlamentariern forcierte Bau des Grimseltunnels.
Trotz Milliardeninvestitionen drohen mit dem Ausbauschritt 2035 beim Fahrplan sogar Rückschritte. Das überarbeitete Angebotskonzept flog Füglistalers BAV im letzten Sommer um die Ohren. Hostettler wird die Bahnen wieder enger einbeziehen müssen, wenn die Planung auf einer sauberen Grundlage erfolgen soll. Zudem sind die Jahre vorbei, in denen es stets mehr Geld zu verteilen gab.
Differenzen mit SBB-Chef Meyer
Der Bundesrat ernannte Füglistaler, damals Finanzchef der SBB-Division Infrastruktur, im Jahr 2010 zum BAV-Direktor – auch als Gegengewicht zum forschen SBB-Chef Andreas Meyer. Füglistaler und Meyer, der von der Deutschen Bahn kam, hatten das Heu nie auf derselben Bühne. Sie trugen Differenzen auch öffentlich aus. Unter Meyers Nachfolger Vincent Ducrot entspannte sich das Verhältnis zu den SBB zunächst.
Doch seit einigen Monaten ist es erneut zerrüttet. Füglistaler setzte sich für die Öffnung des internationalen Personenverkehrs ein, was bei den SBB schlecht ankam. Die Schweiz hat sich mit dem bilateralen Landverkehrsabkommen grundsätzlich dazu verpflichtet, im grenzüberschreitenden Verkehr die Hürden abzubauen. Im Gegensatz zur EU hat sie diesen Schritt jedoch nie vollzogen.
Vor allem aber hat Füglistaler die SBB wiederholt scharf kritisiert. Das Fordern von immer mehr Subventionen sei Teil der DNA der ÖV-Branche geworden, sagte er im letzten Herbst dem Verkehrsmonitor von Tamedia. «Leider gehen die SBB als grösstes und staatseigenes Unternehmen mit schlechtem Beispiel voran.» Hostettler wird auch das Verhältnis zur Spitze der Bundesbahnen kitten müssen.