Dienstag, April 15

Der Absturz des Dollars setzt die Notenbank unter Druck. Ökonomen kritisieren, diese habe ihr Pulver vorschnell verschossen.

«In der Geldpolitik bringt Zuwarten nichts», erklärte Martin Schlegel, als die Schweizerische Nationalbank (SNB) im März den Leitzins auf 0,25 Prozent senkte. Die Maxime des SNB-Präsidenten mag für normale Zeiten zutreffen. Doch seit dem Ausbruch des Handelskriegs steht die Welt kopf: Was gestern galt, ist morgen bereits wieder überholt. Das betrifft auch die SNB – ihre riesigen Devisenreserven von 750 Milliarden Franken sind direkt davon tangiert.

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Welchen Schaden haben die Verwerfungen an den Märkten bisher in der Bilanz der Nationalbank angerichtet? Laut einer Hochrechnung von Thomas Stucki, dem Anlagechef der St. Galler Kantonalbank, sind ihre Währungsreserven seit Anfang Jahr um rund 25 Milliarden Franken geschrumpft. «Dieser Wertverlust ist primär auf den Einbruch des Dollars zurückzuführen», sagt Stucki. Seit Anfang Jahr hat sich dieser gegenüber dem Franken um 9 Prozent abgewertet. Als Faustregel gilt: Schwächt sich der Dollar um einen Rappen ab, verliert die SNB 3,5 Milliarden Franken.

Die Verletzlichkeit der Nationalbank kommt auch daher, dass sie im grossen Stil Reserven vom Euro in den Dollar umgeschichtet hat. Inzwischen macht die US-Währung den grössten Anteil aus, während der Euro früher ein doppelt so hohes Gewicht besass. «Ich erwarte, dass die SNB ihre Abhängigkeit vom Dollar wieder reduzieren wird», erklärt Stucki. «Denn es gibt Bestrebungen der amerikanischen Regierung, die eigene Währung zu schwächen, oder gar die Idee, eine Gebühr auf US-Staatsanleihen einzuführen.»

Dass die Verluste für die Nationalbank nicht noch grösser ausfallen, verdankt sie ihren Obligationen sowie den Goldreserven. Deren Wertsteigerungen haben den Einbruch der Aktien mehr als kompensiert. Trotzdem liegt die Ausschüttungsreserve inzwischen wieder im Minus. Stand heute müssen Bund und Kantone somit auf Gelder der SNB verzichten.

Der Spielraum ist minimal geworden

Unter Druck steht die Notenbank aber nicht nur wegen der erlittenen Einbussen: Die kritische Frage lautet, wie gut sie noch in der Lage ist, eine weitere Aufwertung des Frankens zu bekämpfen. Im Prinzip kann sie dazu die Zinsen senken oder Devisen kaufen. Doch beide Waffen haben sich abgestumpft. Bei den Zinsen ist der Spielraum inzwischen minimal, denn der Leitzins liegt bereits auf sehr tiefen 0,25 Prozent.

Der Ökonom Adriel Jost vom Institut für Schweizer Wirtschaftspolitik (IWP) der Universität Luzern kritisiert die Tiefzinspolitik der SNB schon länger, er sieht sich nun bestätigt: «Die Nationalbank hat ihr Pulver vorschnell verschossen. Jetzt fehlt die Munition, um in einer Krise wirksam gegensteuern zu können.» Dies betreffe nicht nur das neue SNB-Präsidium unter Martin Schlegel, der im Dezember überraschend zu einer grossen Zinssenkung von 50 Basispunkten griff. Die lockere Geldpolitik habe bereits unter dessen Vorgänger Thomas Jordan begonnen.

Thomas Stucki bezweifelt ebenfalls, dass eine weitere Zinssenkung noch viel gegen die Frankenstärke ausrichten könnte. «Wir befinden uns in einer globalen Vertrauenskrise: Wer sein Geld in den sicheren Hafen der Schweiz transferieren will, tut dies unabhängig vom Zinsniveau.» Zusätzlich erschwert wird die Aufgabe der SNB durch den sogenannten Mokkatassen-Effekt: Die globalen Geldströme im Dollar sind so immens, dass bereits eine geringe Fluchtbewegung in die Schweiz zu einer heftigen Erstarkung des Frankens führt.

Bleibt als zweites Instrument der Kauf von ausländischen Devisen. Auch hier allerdings ist laut Stucki nicht zu erwarten, dass die SNB wie früher über eine längere Frist Fremdwährungen erwirbt. «Ich denke eher, dass sie Nadelstiche setzen wird, um den Aufwertungstrend temporär zu brechen.»

Am Pranger als Währungsmanipulator

Adriel Jost pflichtet dieser Einschätzung bei: Umfangreiche Devisenkäufe hätten das Risiko, dass die US-Regierung die Schweiz der Währungsmanipulation bezichtige. Ohnehin habe der Handelskrieg erneut vor Augen geführt, welche Gefahr die grosse SNB-Bilanz für das Land bedeute. Denn im Falle einer globalen Krise wäre dieses Vermögen nur schlecht geschützt, so Jost. «Die Devisenkäufe führen zur paradoxen Situation, dass die Schweiz im Inland zwar sehr konsequent ihre Schuldenbremse einhält, umgekehrt ihr Vermögen aber in Länder investiert, die sich exzessiv verschulden.»

Sinnvoller wäre nach seiner Ansicht der Kauf von Gold: «Doch dazu müsste die SNB über ihren Schatten springen, da sie die Goldreserven vor einiger Zeit deutlich reduziert hatte.» Vor allem aber sollte sich die Nationalbank wieder vermehrt getrauen, eine Aufwertung des Frankens zuzulassen, betont Jost: «Eine glaubwürdige Währung bringt der Schweiz Stabilität, was gerade in geopolitischen Konflikten ein entscheidender Vorteil ist.»

Global sind die Weichen jetzt auf weitere Zinssenkungen gestellt. Dass die Europäische Zentralbank am 17. April den Leitzins von derzeit 2,5 Prozent reduziert, gilt als ausgemacht. Auch die US-Notenbank dürfte ihre Geldschleusen aufgrund der drohenden Rezession weiter lockern. In der Schweiz folgt der nächste reguläre Zinsentscheid erst im Juni. Falls die Wirtschaft auch hierzulande in eine Stagnation abrutscht, wird eine Rückkehr zu Negativzinsen wieder denkbar.

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