Vor 25 Jahren duellierten sich die erbitterten Feinde Ambri-Piotta und Lugano im Play-off-Final. Nun kommt es im Pre-Play-off zu einer Neuauflage.
Ambri-Piotta und Lugano sind beste Feinde, ihre knisternde, sagenumwobene Rivalität ist eine der attraktivsten Facetten im Schweizer Eishockey; das Derby ist längst zu einer Pilgerstätte für Eishockey-Connaisseurs aus aller Welt geworden.
Das am Donnerstag beginnende Play-in-Duell mit Hin- und Rückspiel bietet dem ewigen Underdog Ambri die nächste Chance, den zahlungskräftigen, erfolgsverwöhnten Widersacher dann zu besiegen, wenn es wirklich gilt. In sieben Play-off-Duellen ist Ambri das noch nie gelungen – Lugano ist eine Art Kryptonit für diesen Klub. Der Trainer Luca Cereda hängt die Chose deshalb nicht zu hoch, wenn er sagt: «Wir wollen Geschichte schreiben.»
Das Tessiner Derby hat über die Jahre für reichlich Unterhaltung gesorgt. Es kam zu Gewaltexzessen auf dem Eis und vor den Toren der Stadien, der Valascia und der Resega.
Mit einem Viehhändler als Präsidenten riskierte Ambri um die Jahrtausendwende viel – und hätte beinahe alles verloren
Unvergessen ist die «Schlacht von Ambri» von 1987 mit 219 Strafminuten. Und auch die jüngsten Play-off-Duelle hatten es in sich. Da war die «Finalissima» von 1999, inmitten der Flugjahre der Leventiner; der Präsident Emilio Juri, ein Viehhändler aus Giubiasco, der munter Goethe zitierte, gab so viel Geld aus, dass in den Jahren danach immer wieder Spendensammlungen nötig waren, um die Existenz zu sichern.
Vor dem Beinahe-Konkurs hätte die riskante Wette fast im Titel gezinst, doch im Final unterlag Ambri als Qualifikationssieger 1:4. Vielleicht war das besser so – die Titellosigkeit ist heute ein wesentlicher Teil des Mythos Ambri. Dieser bekam zuletzt Risse, nachdem der Verein gleich zwei Mal Alex Formenton eingestellt hatte, einen kanadischen Stürmer, der sich in der Heimat wegen sexueller Nötigung vor Gericht verantworten muss. Aus Ambri sei ein gewöhnlicher, inhaltsloser Klub ohne Werte geworden, lautete die Kritik. Ambri spielt in den kommenden Tagen auch gegen diese Vorhaltung. Und sinnt auf Rache für 2006.
Damals hatte Ambri im Viertelfinal mit 3:0-Siegen geführt, ehe Hnat Domenichelli, heute Sportchef im HC Lugano, es in Spiel 4 schaffte, den Puck vor dem leeren Tor an den Pfosten zu setzen. Lugano schrieb Geschichte, drehte die Serie und wurde darauf zum bisher letzten Mal Meister. Ambri erholte sich von dieser Schmach jahrelang nicht.
Und war auch nie mehr so nahe dran, eine Play-off-Serie zu gewinnen: Im 21. Jahrhundert hat der Klub das Play-off nur sieben Mal erreicht, seit dem Jahr 2000 (und einer Halbfinal-Niederlage gegen . . . Lugano) hat Ambri nie mehr die Viertelfinals überstanden.
Ambri geht als Aussenseiter in dieses Duell, klar, aber es wäre töricht, dieses Kollektiv zu unterschätzen: Dem Coach Luca Cereda ist es in den letzten sieben Jahren regelmässig gelungen, seine Mannschaft für grosse Spiele derart zu emotionalisieren, dass Ambri auf dem Papier übermächtige Gegner vom Eis gefegt hat. Unter anderem war das der Schlüssel für den Spengler-Cup-Triumph 2022.
Ambris Sportchef Paolo Duca sagt zum Derby: «Das ist doch die Essenz des Sports»
Es ist Mittwochnachmittag in Bern, einen Tag vor dem Auftakt zum Play-in. Im «Bierhübeli» werden die Topskorer geehrt, im Publikum sitzt Paolo Duca, der seinen tschechischen Stürmer Michael Spacek hierhin chauffiert hat. Duca, 42, ist ein Kind Ambris, er hat schon als Spieler viele Derby-Schlachten erlebt. Heute sagt er: «Ich habe gehofft, dass wir auf Lugano treffen. Diese Emotionen, diese Rivalität, das ist doch die Essenz des Sports.»
Mit dieser Einschätzung ist Duca nicht allein: Die Tickets für das erste Spiel waren rasend schnell vergriffen, das Duell lässt im Tessin kaum jemanden kalt und hat schon Familien entzweit. Cereda spricht von «Hockey-Feiertagen», auf die sich das Tessin freuen dürfe.
Der Druck liegt beim HC Lugano, der aufgrund der enttäuschenden zweiten Saisonhälfte die direkte Play-off-Qualifikation noch verpasste. Das Team kann mit Santeri Alatalo, Mirco Müller, Marco Müller und dem von den Trainern und Captains der National-League-Klubs eben zum wertvollsten Spieler der Saison gewählten Calvin Thürkauf auf mehrere Nationalspieler zählen.
Die beiden Partien kündigen sich einmal mehr feurig an. Und auch wenn es sich für den Anhang des Verlierers so anfühlen wird, als sei gerade die Welt untergegangen, so stimmt gerade das nicht: Das unterlegene Team wird gegen den Sieger der erstaunlichen Serie zwischen dem Meister Genf/Servette und dem Vorjahresfinalisten Biel eine weitere Chance erhalten, sich ein Viertelfinal-Rendez-vous gegen den klaren Titelfavoriten ZSC Lions zu erspielen.
Beide würden sich diesen Gegner nach Möglichkeit gerne ersparen und lieber auf Gottéron treffen. Die im Play-off beständig versagenden Freiburger werden gewarnt sein: Ein aufgeputschter Derbysieger ist ein gefährlicher Gegner.