Freitag, Januar 31

Zürich will Kosovos Hauptstadt helfen, ihr Abfallproblem in den Griff zu bekommen.

Gerade herrscht in Pristina wieder dicke Luft. Wer der kosovarischen Hauptstadt im Winter einen Besuch abstattet, kommt nicht umhin, die schlechte Luftqualität zu bemerken. Dies liegt einerseits daran, dass die Bevölkerung mit Kohle und Holz heizt. Aber da ist noch ein anderer Geruch, der in die Nase sticht: jener nach Abfall.

Optimieren Sie Ihre Browsereinstellungen

NZZ.ch benötigt JavaScript für wichtige Funktionen. Ihr Browser oder Adblocker verhindert dies momentan.

Bitte passen Sie die Einstellungen an.

Alban Zogaj weiss das, schliesslich ist er der Herr des Mülls in Pristina. Eine Herkulesaufgabe für den Vizebürgermeister, der in England studiert und in Italien doktoriert hat. Er sagt: «Wir sind eine junge Stadt, wir entwickeln uns schnell, aber es mangelt an Infrastruktur.»

Auf den Abfall bezogen heisst das: «Es fehlt an Trucks, es fehlt an Containern, es fehlt an allem», wie Zogaj erklärt. Seine Truppe benötigte derzeit 50 Müllwagen, aber gerade funktionierten nur 5 Fahrzeuge. Und der Müll muss auf die Müllhalde ausserhalb der Stadt.

Diesellastwagen vertragen sich nicht mit den Klimazielen

Also nimmt die Sache ihren Lauf: «Die Leute werfen den Müll in die Container, aber irgendwann sind die einfach voll», sagt Alban Zogaj. Das sei schlecht für die Luft und noch hässlicher fürs Auge. Er könne gerne ein Foto davon schicken. Immerhin, lobt der oberste Müllmann der Stadt, würden die Leute ihren Abfall nicht verbrennen.

So präsentiert sich die Lage in Pristina, als der Politiker Mitte dieser Woche einen Anruf aus einer Stadt bekommt, die so sauber ist, dass sich halb Europa darüber lustig macht: aus Zürich. Über die Nachricht aus Zürich sei er gerade «sehr, sehr froh», erklärt Zogaj am Telefon.

Denn das ferne Zürich – Heimat einer grossen albanischsprachigen Diaspora und Sehnsuchtsort vieler Kosovaren – will der Stadt auf dem Balkan unter die Arme greifen. Und zwar mit Zürcher «Güselwagen».

Künftig sollen ausgediente Abfallsammelfahrzeuge von Entsorgung und Recycling Zürich (ERZ) in Pristina für Sauberkeit sorgen. Am Mittwoch hat das Stadtparlament einen Vorstoss angenommen, der die «kostengünstige» Abgabe der Müllwagen vorsieht.

Zürich selber hat nämlich bald keinen Bedarf mehr an den Lastern. Denn diese funktionieren mit Diesel. Ein Umstand, der sich mit den städtischen Klimazielen schlecht verträgt. Die Stadt will bis zum Jahr 2040 klimaneutral werden. Also braucht es Massnahmen zur Einsparung von CO2.

Darum sollen künftig vollelektrische Fahrzeuge die Züri-Säcke abtransportieren. Schon heute sind 11 solche Lastwagen im Einsatz (erkennbar an ihrem Surren), insgesamt sollen 69 Elektrofahrzeuge die alte Flotte ersetzen. Die Umrüstung kostet 50 Millionen Franken.

SVP kommt mit dem Klima-Argument

Aber warum kommt gerade Pristina in den Genuss der milden Gabe aus Zürich? Schliesslich verfährt die Stadt mit ausrangiertem Material normalerweise anders. Fahrzeuge werden auf einer Versteigerungsplattform weiterverkauft. Ausgediente Ambulanzen werden an verschiedene Länder abgegeben. Und ausrangierte blaue Trams fahren noch heute in der ukrainischen Stadt Winniza.

«Ganz einfach, sie haben gefragt», sagt Flurin Capaul (FDP), der den Vorstoss mit Pascal Lamprecht (SP) eingereicht hat. Die beiden Ratskollegen waren vor rund einem Jahr auf offiziellem Besuch in Pristina, als sie Zogaj kennenlernten, der ihnen seine Lage schilderte.

«Es gibt dort Strassen, die noch nicht geteert sind», sagt Capaul. Was ihn an Lumbrein in Graubünden in den 1980er Jahren erinnert habe. Nur sei eines «der hinterletzte Krachen» und das andere eine Hauptstadt. Und dann sei eben noch das Abfallproblem offensichtlich gewesen.

Pascal Lamprecht will nicht von Entwicklungshilfe sprechen, vielmehr sei es eine Stärkung der Infrastruktur. Sowieso herrsche zwischen den Städten schon eine rege informelle Partnerschaft. Die meisten Einheimischen würden sogar jemanden aus Zürich kennen.

Mit dem Handel sind aber nicht alle glücklich. Aus Sicht der SVP fehlt der Aktion die Logik. Oder wie es Gemeinderat Johann Widmer mit einer gewissen Ironie sagt: «Wir ersetzen unsere CO2-Schleudern, indem wir sie nach Kosovo abschieben. Dort produzieren sie weiterhin CO2, was ja bekanntlich ein ganz anderes CO2 ist als das bei uns.»

Wenn also in Pristina mit Benzin und Diesel herumgefahren werden dürfe, warum dürfe das der Stadtzürcher nicht mehr? Und auch die Korruption auf dem Westbalkan sieht die SVP kritisch.

Die ganze Verwaltung des Landes, zitiert Widmer aus einem Bericht des Schweizer Aussendepartements, sei von Korruption durchdrungen. So ein System wolle man nun unterstützen.

Zumindest was den Abfall angeht, will das Stadtparlament dem System in Kosovo tatsächlich helfen. Und was die Korruption betrifft: Man schicke ja eben kein Geld, sagt Flurin Capaul.

In Sachen Klima herrscht in Pristinas Verwaltung derweil ein pragmatischer Geist. Natürlich würden Diesellastwagen CO2 ausstossen, sagt Alban Zogaj, «aber wir reden hier über ein sehr armes Land». Darum: Er habe lieber gebrauchte Laster als eine dreckige Stadt.

Exit mobile version