Mittwoch, März 19

Zwei Frauen beschuldigen den Nepalesen schwer. Purja bestreitet die Vorwürfe. Seine Reputation litt jüngst bereits wegen anderer Vorfälle.

Gerüchte über Nirmal Purja gab es in der Alpinistenszene schon länger. Die Vorwürfe, die zwei Frauen kürzlich in einem Artikel der «New York Times» erhoben haben, wiegen schwer: Sie beschuldigen Nirmal Purja der sexuellen Belästigung und Nötigung.

Der Nepalese wurde in einer Netflix-Dokumentation als Himalaja-Superstar gefeiert. Für die Speed-Besteigung sämtlicher vierzehn Achttausender innert rund sechs Monaten wurde er vom Achttausender-Urgestein Reinhold Messner hofiert. Und von der früheren britischen Königin mit dem Ritterorden dekoriert.

Lotta Hintsa ist eine der Frauen, die Purja beschuldigen. Sie war einst Miss Finnland; in den vergangenen Jahren fand sie Gefallen am Bergsport. Die 35-Jährige gab an, Purja habe sie im vergangenen Jahr in Kathmandu in einem Hotelzimmer sexuell bedrängt. Gegen ihren Willen soll er damit begonnen haben, sie auszuziehen. Anschliessend habe er sich in ihrer Gegenwart selbst befriedigt. Die Situation beschrieb sie laut «New York Times» in ihrem in finnischer Sprache erschienenen Buch über Erlebnisse am Berg als «absurd, unwirklich und unangenehm». In diesem Buch nannte sie aber keinen Namen. Doch nun erklärte sie, Purja habe sie mit der möglichen Zusammenarbeit bei einer Expedition zu diesem Treffen gelockt.

Die zweite Frau, die sich öffentlich zu Wort gemeldet hat, ist die amerikanische Ärztin April Leonardo. Sie nahm im Jahr 2022 an einer von Purjas Agentur Elite Exped organisierten Expedition zum K 2 teil, dem mit 8611 Metern zweithöchsten Berg der Welt. Während dieser Expedition soll Purja laut «New York Times» in das Zelt von Leonardo gekommen sein und sie gegen ihren Willen geküsst und sexuell bedrängt haben.

Purja bestreitet die Vorwürfe

Ein Sprecher von Purja bestritt die «abscheulichen Vorwürfe» in einem Instagram-Post. Purja hat in dem sozialen Netzwerk zwei Millionen Follower. «Diese Behauptungen sind verleumderisch und falsch», stand da. Und weiter: Der Artikel ignoriere die «überwältigenden Beweise von mehr als einem Dutzend Zeugen». Wichtige Details und Zusammenhänge seien nicht erwähnt worden. «Nims nimmt diese Angelegenheit sehr ernst und glaubt fest daran, dass sich die Wahrheit durchsetzen wird.»

Nachfrage bei seiner Sprecherin: Wie erklärt sich Purja diese Anschuldigungen? Wird er sich noch persönlich zu ihnen äussern? Und reist er demnächst nach Pakistan, wo dieser Tage die Saison für die Expeditionen auf die Achttausender beginnt? Diese Fragen lässt die Sprecherin unbeantwortet.

Dafür wurde am Mittwochabend eine weitere Erklärung bei Instagram veröffentlicht, wonach Nirmal Purja rechtliche Schritte gegen die «New York Times» einleiten wolle. Die Recherche der Zeitung sei voreingenommen gewesen. «Nims streitet die Anschuldigungen eindeutig ab», heisst es.

Michael Kobold ist dagegen fest davon überzeugt, dass die Anschuldigungen wahr sind. Der deutsche Unternehmer unterhält seit vielen Jahren enge Beziehungen nach Nepal. «Diverse junge Frauen aus Nepal und aus der Bergsteiger-Community sowie ein Mann, der zur Zeit der Vorfälle noch ein Kind war, kamen auf mich zu und schilderten mir ihre Erlebnisse mit Purja. Sie haben mir detailliert beschrieben, was passiert ist, und ich habe das dokumentiert», sagt Kobold. Er war der Erste, der damit an die Öffentlichkeit ging. Im vergangenen Jahr machte er die Anschuldigung auf seiner Website und in den sozialen Netzwerken öffentlich. Purja ging gerichtlich gegen weitere Veröffentlichungen vor.

Kobold, der 2009 und 2010 auf dem Gipfel des Mount Everest stand, glaubt nachvollziehen zu können, in welch schlimmer Situation sich die betroffenen Frauen befunden haben müssen. «Sie haben keine Ahnung, wie man Steigeisen anlegt. Sie sind in einer gefährlichen Umgebung, in der sie allein nicht zurechtkommen. Und dann stehen sie vor der Frage, was die Folgen sind, wenn sie sich Purjas Anweisungen widersetzen. Er hat seine Fürsorgepflicht verraten und seine Machtposition für seine Zwecke ausgenutzt», sagt Kobold.

Geschäftspartner und Sponsoren wenden sich ab

Auch Expeditionsveranstalter und Geschäftspartner distanzieren sich nun von Purja. Allem Anschein nach haben auch sie keinen Zweifel an den Anschuldigungen. «Das ist sehr besorgniserregend und traurig zu lesen, aber nicht überraschend», schreibt einer auf Nachfrage aus Nepal, der namentlich nicht genannt werden möchte. «Eines der wichtigsten Vorbilder in dieser Gemeinschaft wird von mehreren Frauen glaubhaft der sexuellen Nötigung beschuldigt. Wir verurteilen ein solches Verhalten unmissverständlich und bekräftigen, dass das in unserer Gemeinschaft keinen Platz hat», heisst es bei Furtenbach Adventures.

Und Adrian Ballinger von Alpenglow Expeditions erklärte nach seiner Rückkehr vom Gipfel des Mount Everest auf Facebook, sexueller Missbrauch sei eine Gefahr, die gemeinsam eingedämmt werden müsse. «Es darf dafür keine Toleranz in der Gesellschaft geben», bekräftigte Ballinger.

Dem Vernehmen nach haben bereits nach den von Kobold öffentlich gemachten Anschuldigungen erste Sponsoren die Zusammenarbeit mit Purja aufgekündigt. Einen Aufruf von AW Expeditions, einem Anbieter von Outdoor-Abenteuern für Frauen, an die verbliebenen Sponsoren kommentierte der Rucksackhersteller Osprey bei Instagram vor wenigen Tagen so: «Osprey ist über die jüngsten Anschuldigungen gegen den Bergsteiger Nirmal Purja (Nims) informiert. Er ist nicht länger Osprey-Botschafter.» Eine weitere Erklärung hat Osprey nicht abgegeben. In der Liste der Athleten und Markenbotschafter ist Purja nicht mehr zu finden.

Auch in Nepal regt sich Widerstand gegen ihn

Mittlerweile scheint Purja auch in Nepal, wo er als Volksheld gilt, an Reputation eingebüsst zu haben und nicht mehr unangreifbar zu sein. Rajendra Bajgain, ein Mitglied der oppositionellen Kongresspartei, erklärte im Parlament, Purja rücke Nepal in ein schlechtes Licht, indem er Bergsteigerinnen sexuell belästige, weshalb ihm künftig die Einreise in das Land verweigert werden solle. Das Video ist bei X abrufbar.

Die Vorwürfe der sexuellen Nötigung und Belästigung sind nicht das einzige Problem, das Purja in diesen Tagen hat. Erst sorgte er in der mittlerweile beendeten Everest-Saison für Wirbel, weil Kunden seines Expeditionsunternehmens am Mount Everest bis zum Lager III aufgestiegen waren, obwohl sie kein gültiges Permit dafür hatten. Ein Everest-Permit kostet in Nepal 11 000 Dollar.

Dann flog Purja mit dem Helikopter zum Lager II, was ebenfalls strikt verboten ist. Nur Material und Ausrüstung der Icefall-Doctors, die den Weg zum Everest-Gipfel mit Fixseilen und Leitern ausstatten, dürfen hinaufgeflogen werden. Und schliesslich sagte er in einem Video erbost, Fixseile seien durchtrennt worden, um seiner Expedition den Aufstieg zum Everest-Gipfel zu verwehren. Andere, die zeitgleich aufgestiegen waren, berichteten jedoch, die Fixseile seien intakt gewesen. Die nepalesische Tourismusbehörde hat rechtliche Schritte angekündigt.

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