Die Woche an den Finanzmärkten beginnt tiefrot. Die Investmentbank Goldman Sachs hält eine Rezession in den Vereinigten Staaten für immer wahrscheinlicher. Doch das amerikanische Staatsoberhaupt zeigt sich unbeeindruckt.
In einem Umfeld von wachsender Panik stellen sich die globalen Finanzmärkte darauf ein, dass Donald Trump sich nicht so schnell vom eingeschlagenen Weg abbringen lassen wird. Der US-Präsident, der sich in seiner ersten Amtszeit (2017 bis 2021) regelmässig über Kursrekorde gefreut hatte, zeigt sich unbeeindruckt von dem grössten Einbruch an den Finanzmärkten seit der Corona-Pandemie.
An Bord des Regierungsflugzeugs Air Force One bekräftigte er am Sonntag, an den am 2. April verkündeten Zöllen gegenüber den Handelspartnern der USA festhalten zu wollen. Es sei zwar nicht sein Ziel, die Märkte abstürzen zu lassen. Doch manchmal müsse man «Medizin» nehmen, um etwas zu heilen. Er habe mit vielen Regierungschefs aus Europa und Asien gesprochen. Diese wollten zwar einen «Deal», aber diesen werde es nicht geben, solange die USA gegenüber den jeweiligen Ländern Handelsbilanzdefizite aufwiesen. «Ich sehe Defizite als Verluste», sagte Trump und bekräftigte damit erneut seine merkantilistische Haltung in der Wirtschaftspolitik.
Asiens Börsen stürzen nochmals ab
Die wirtschaftlichen Konsequenzen des neuen Turbo-Protektionismus der grössten Wirtschaftsmacht der Welt wurden am Montag an den Aktienbörsen in Asien erneut ersichtlich: Dort setzte sich der stärkste Kurseinbruch seit Beginn der Corona-Pandemie im Jahr 2020 unvermindert fort. Der Nikkei-Index in Tokio korrigierte um über 7 Prozent.
An den Börsen in China und Hongkong reagierten die Märkte ebenfalls heftig, nachdem die Regierung in Peking gegenüber den USA am Freitag Gegenzölle erlassen hat. Der Hang-Seng-Index in Hongkong brach um über 12 Prozent ein, während der chinesische Leitindex CSI 300 mehr als 7 Prozent korrigierte. Der Ausverkauf betraf alle Branchen, erfasste aber Grossbanken und global tätige Tech-Konzerne besonders stark.
Auch an den Aktienbörsen Europas und der Vereinigten Staaten beginnt die Woche tiefrot: Terminkontrakte auf den Leitindex S&P 500 lagen mit über 3 Prozent im Minus, jene auf den technologielastigen Nasdaq 100 sogar um über 4 Prozent. Dasselbe Bild präsentierte sich für den Schweizer Leitindex SMI, der vorbörslich mit über 2 Prozent im Minus lag.
Derweil stieg die Nachfrage nach als weniger riskant geltenden amerikanischen Staatsanleihen. Der Rendite auf zehnjährigen US-Treasuries befindet sich derzeit deutlich unter 4 Prozent, deren Kurse stiegen entsprechend.
Parallel dazu sank auch der Preis für ein Fass Rohöl der Sorte Brent auf unter 64 Dollar, den tiefsten Stand seit langem – das ist ebenfalls ein Ausdruck davon, dass die Marktteilnehmer mit einer rückläufigen globalen Konjunktur rechnen.
Die Bank Goldman Sachs erhöhte am Sonntag die Wahrscheinlichkeit einer Rezession in den Vereinigten Staaten innerhalb der nächsten 12 Monate von 35 auf 45 Prozent. Das allerdings ist ein optimistisches Szenario; es geht davon aus, dass die bereits von der US-Regierung für den 9. April angekündigten Zölle tiefer ausfallen werden als erwartet. Dass würde bedeuten, dass der effektive gesamtwirtschaftliche Zollsatz «nur» um 15 Prozentpunkte ansteigt.
Im derzeit wahrscheinlich erscheinenden Negativszenario rechnet Goldman Sachs mit einer Zunahme der Zollbelastung von 20 Prozentpunkten – und mit einer sicheren Rezession. Das ist eine bemerkenswerte Entwicklung vor dem Hintergrund, dass die USA bis vor wenigen Wochen als Wachstumstreiberin in der globalen Wirtschaft gegolten hatten.
Die amerikanische Zentralbank Fed dürfte in diesem Fall zu präventiven Zinssenkungen im Umfang von bis zu 2 Prozentpunkten über ein Jahr greifen, um den wirtschaftlichen Schaden möglichst in Grenzen zu halten.
Bill Ackman warnt vor «wirtschaftlichem Atomkrieg»
In der amerikanischen Bevölkerung, aber auch unter Wirtschaftsführern wächst vor diesem Hintergrund die Unruhe. Der Hedge-Fund-Manager Bill Ackman, der Trump in seinem Wahlkampf noch lautstark unterstützt hatte, schrieb auf der Plattform X, es sei zwar richtig, dass andere Nationen die Vereinigten Staaten ausgenutzt hätten, um heimische Industrien auf Kosten von amerikanischen Arbeitsplätzen und des Wirtschaftswachstums zu schützen. Doch die massiven und unverhältnismässige Zölle gegen Freunde und Feinde würden das Vertrauen in die USA als Handelspartner, und als Wirtschaftsstandort zerstören.
The country is 100% behind the president on fixing a global system of tariffs that has disadvantaged the country. But, business is a confidence game and confidence depends on trust.
President @realDonaldTrump has elevated the tariff issue to the most important geopolitical…
— Bill Ackman (@BillAckman) April 6, 2025
Ackman forderte den Präsidenten zu einer 90-tägigen Zollpause auf. Das soll der US-Regierung Zeit geben, um Zollvereinbarungen auszuhandeln. Der Milliardär schrieb weiter: «Wenn wir dagegen am 9. April einen wirtschaftlichen Atomkrieg gegen alle Länder der Welt anzetteln, werden die Investitionen der Unternehmen zum Erliegen kommen, die Verbraucher werden kein Geld mehr ausgeben, und wir werden unseren Ruf in der übrigen Welt so schwer beschädigen, dass es Jahre und möglicherweise Jahrzehnte dauern wird, ihn wiederherzustellen.»
Der Trump-Vertraute Elon Musk, dessen Elektroautounternehmen Tesla an der Börse seit Anfang Jahr fast 40 Prozent an Wert verloren hat, äusserte sich am Samstag bei einem Video-Auftritt bei der italienischen Lega-Partei dezidiert für Freihandel. Er favorisiere eine Situation mit «null Zöllen» und eine «sehr enge, stärkere Partnerschaft» zwischen Europa und den Vereinigten Staaten. Das sei auch sein Rat an Donald Trump.
Doch dieser scheint sich von solchen Äusserungen nicht beeinflussen zu lassen. Am Sonntagabend bekräftigte er auf der Truth Social: «Wir werden die [Handelsbilanzdefizite] umkehren, und das rasch. Eines Tages werden die Leute realisieren, dass Zölle für die Vereinigten Staaten von Amerika eine sehr schöne Sache sind!»