Mittwoch, Oktober 9

In der Trockenzeit kommt das Wasser des Yuntai-Wasserfalls aus einer künstlichen Röhre. Man habe die Touristinnen und Touristen vor Enttäuschungen bewahren wollen, sagen die Betreiber.

Was ist ein Wasserfall ohne Wasser?

Ja, eben.

In der Trockenzeit mangelt es beim höchsten Wasserfall Chinas an Wasser. Das ist ziemlich ungünstig, denn der Yuntai-Wasserfall in der chinesischen Provinz Henan im Norden Chinas ist eine beliebte Touristenattraktion. Laut Angaben der örtlichen Tourismusbehörden reisen jährlich sieben Millionen Besucherinnen und Besucher hin, um den Wasserfall zu bestaunen, zu sehen, wie das Wasser ungebremst 314 Meter in die Tiefe tost. Und diese Besucher will man nicht enttäuschen.

Der Wasserfall befindet sich inmitten des Yuntai-Nationalparks, umgeben von zig weiteren Wasserfällen. Der Park gehört zum Unesco Weltnaturerbe. Die Betreiber des Parks haben sich etwas einfallen lassen. Braust während der Trockenzeit zu wenig Wasser die steile Felswand des Yuntai-Wasserfalls hinab, so helfen sie halt etwas nach. Oben am Wasserfall haben sie mehrere Rohre befestigt, durch die sie Wasser pumpen, wenn immer es nötig ist.

Social Media liebt den Skandal

Wie lange die Rohre schon installiert sind, sagen die Betreiber nicht. Klar ist: Es hat lange niemanden gestört. Oder eher: Es hat lange niemand gemerkt. Bis vor wenigen Tagen. Ein Tourist hat bei einem Besuch die Rohre entdeckt. Er kletterte hoch zur Spitze des Wasserfalls, filmte die Rohre, postete das Video auf Social Media. Er schrieb: «Das ist eine Geschichte darüber, wie ich mit grosser Mühe an die Spitze des Yuntai-Wasserfalls kletterte und feststelle, dass da nur ein paar Rohre sind.»

Das Video ging auf chinesischen Social-Media-Plattformen viral. Der Clip wurde tausendfach geklickt, geteilt. Zuletzt entdeckten westliche Medien die Geschichte.

In den sozialen Netzwerken waren die meisten belustigt, einige empört. Jemand schrieb: «Diesem Park fehlt der Respekt vor der Natur». Das chinesische Ministerium für Kultur und Tourismus teilte mit, den Fall zu untersuchen. Der Yuntai-Nationalpark, wo sich der Wasserfall befindet, hält momentan die höchste staatliche Auszeichnung für eine Touristenattraktion.

«Wir wollten niemanden enttäuschen»

Auch die Betreiber des Parks haben auf die Enthüllung ihres kleinen Betruges reagiert. Sie erklärten, je nach Jahreszeit und Wetterverhältnissen würden sehr unterschiedliche Mengen Wasser den Wasserfall hinab strömen. Besonders in der Trockenzeit sei der Wasserfall beinahe ausgetrocknet.

Um den Besucherinnen und Besuchern zu jeder Jahreszeit dasselbe, unvergessliche Erlebnis bieten zu können, wurde man den Wasserfall deshalb hin und wieder «leicht verbessern», teilten die Betreiber mit. Man wolle die Touristen, die zum Teil von weit her angereist seien, nicht enttäuschen. Dem chinesischen Sender CCTV sagten die Betreiber, durch die künstlichen Röhren werde Quellwasser gepumpt. Die Natur wird laut den Betreibern durch die Kosmetik am Wasserfall nicht beeinträchtigt.

Und zuletzt verfassten die Betreiber des Nationalparks selbst einen Post für Social-Media – aus Sicht des Wasserfalls. «Ich hab mich doch bloss hübsch gemacht für meine Freunde», schrieben sie dort. Auch die Naturspektakel müssen zusehen, dass sie bei Social Media mithalten können.

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