Nach den Boomjahren durch die Corona-Krise legt der Transportdienstleister einen Rückgang der Geschäftszahlen vor. Die Investoren reagieren ungnädig. Das Unternehmen reagiert bereits auf sinkende Volumina.
Für den Schweizer Konzern Kühne + Nagel gibt es ein Leben vor und nach der Corona-Krise. Wobei Krise das falsche Wort ist. Der Logistikkonzern profitierte in hohem Masse von der Pandemie, die die weltweiten Lieferketten durcheinanderwirbelte und die Nachfrage nach Dienstleistungen in der See- und Luftfracht und im Landtransport nach oben trieb. Die Zahlen für das Geschäftsjahr 2023 zeigen das Ende dieser Sonderkonjunktur: Der Nettoumsatz ging um 40 Prozent auf 23,9 Milliarden Franken und der Reingewinn um 48 Prozent auf 1,5 Milliarden Franken zurück.
Verschlechterte Kostenstruktur
Kühne + Nagel (KN) spricht vorsichtig und trotzig von einem guten Ergebnis. Dies ist gar nicht mal so falsch, die Erwartungen der Analytiker wurden aber enttäuscht. An der Börse kam es zu einem regelrechten Ausverkauf: Der Aktienkurs des in Schindellegi beheimateten Unternehmens ging bis Freitagmittag um mehr als 13 Prozent zurück. Die Senkung der Dividende auf 10 Franken je Aktie half wohl auch nicht.
Der Logistik-Riese mit mehr als 80 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ist weltweit der Marktführer bei der See- und Luftfracht. Die Volumina für diese zwei Bereiche sind zwar gefallen, aber weniger als bei der grössten Konkurrenz. Im vierten Quartal des vergangenen Jahres stabilisierte sich die Menge in der Seefracht, beim Transport mit dem Flugzeug stieg das Volumen gar etwas. Es nahmen jedoch auch die Kosten zu.
Dies ist an der Konversionsrate abzulesen. Diese Kennzahl setzt den Betriebsgewinn (Ebit) ins Verhältnis zum Rohertrag. Der Rohertrag ist der Umsatz abzüglich der Zölle und Frachtkosten. Im vergangenen Jahr betrug die Konversionsrate 22 Prozent. Das heisst, auf einen Umsatz von 100 Franken wird ein Betriebsgewinn von 22 Franken erzielt. In der alten Welt vor der Corona-Krise hätte der Konzern damit seine Zielvorgabe von mindestens 16 Prozent mehr als nur erreicht.
Im Jahr 2022 lag die Rate aber bei 34 Prozent. Zudem hat Konzernchef Stefan Paul im vergangenen Jahr eine neue Strategie für die Zeit nach dem Corona-Boom ausgearbeitet. Die neue Zielvorgabe bis 2026 liegt bei 25 bis 30 Prozent. Das Unternehmen hat bereits im vierten Quartal mit einem Personalabbau reagiert, die Ausgaben dafür schlagen zunächst mit 53 Millionen zu Buche. Die Kostenseite rückt stärker in den Fokus.
Neue Strategie setzt auf höhere Margen
Die neue Strategie zielt auch darauf ab, davon zu profitieren, dass das Thema Logistik für viele Unternehmen wichtiger geworden ist. Lieferketten werden aufgrund geopolitischer Spannungen und im Nachgang der Pandemie neu aufgestellt, es gilt, flexible Dienstleistungen anzubieten. Und die Krisen reissen nicht ab. Jüngst sorgten die Attacken der Huthi-Milizen auf Frachtschiffe für höhere Frachtraten und Risse in der Lieferkette. Gleichzeitig kühlt sich aber der Welthandel ab.
Früher lag der Fokus bei KN auf Wachstum. In der neuen Welt setzt Paul vermehrt auf Dienstleistungen, die höhere Margen bringen sollen. Zudem kümmert sich das Unternehmen verstärkt um Klein- und Mittelunternehmen. Die grosse Frage bleibt dennoch, wie die Volumen steigen können, ohne dass die Kosten übermässig zunehmen.
Der starke Fall des Aktienkurses ist ein Rückschlag für den Konzern, der in den vergangenen Monaten an der Börse einen Höhenflug erlebt hatte. Die Aktie des Logistikunternehmens war im Juni vergangenen Jahres in den Swiss-Market-Index, die Königsklasse der Schweizer Unternehmenswelt, aufgenommen worden. Seitdem überflügelte die Aktie von KN den Gesamtindex – bis zum Freitag.
Bernstein Alliance bezeichnete KN als die am besten laufende Aktie der grossen Unternehmen in der europäischen Logistikbranche im vergangenen Jahr. Der Schweizer Konzern konnte sich an der Börse vom dänischen Konkurrenten DSV absetzen.
Fehlende Übernahmefantasien
Für den Analytiker des Brokerhauses liegt aber dennoch mehr Kursfantasie in der Aktie der Dänen, die vor allem mit Übernahmen wie dem Kauf des Schweizer Dienstleisters Panalpina expandiert. DSV interessiert sich für den Konkurrenten DB Schenker, der zum Verkauf steht. Schenker ist ein Grossgewicht und hinter DHL, Kühne + Nagel und DSV eine der grössten Speditionen weltweit.
KN hat hingegen kein Interesse an einem Angebot. Das Unternehmen ist eher bekannt dafür, aus eigener Kraft zu wachsen. Vor drei Jahren machte der Konzern jedoch die teuerste Übernahme der Firmengeschichte: KN kaufte die Mehrheit an Apex, einem der grössten Luftfrachtanbieter in Asien. Im vergangenen Jahr führte KN jedoch einige kleinere Zukäufe durch, um sich zu verstärken. Am Freitag kündigte das Unternehmen zudem die Übernahme von City Zone Express mit Sitz in Malaysia an. Dadurch soll das Angebot im grenzüberschreitenden Landverkehr in Südostasien erweitert werden.
Die Meldung konnte die Investoren aber nicht beruhigen. Für Unternehmenschef Stefan Paul, der seit Mitte 2022 an der Spitze von KN steht, gilt es nun, die Märkte davon zu überzeugen, dass die im vergangenen Jahr präsentierte Strategie richtig ist und auch umgesetzt wird.