Montag, September 30

Der Kanton Zürich schreibt rote Zahlen, und seine Schulden steigen. Nun hat er ein Auge auf die Grundstückgewinnsteuern geworfen.

Die Immobilienpreise im Kanton Zürich kannten in den letzten Jahren nur eine Richtung: nach oben.

2008 war es noch ohne weiteres möglich, ein Einfamilienhaus für unter einer Million Franken zu finden. Der Mittelwert (Median) aller verkauften Häuser lag bei knapp 800 000 Franken. 2023 war der gleiche Wert auf fast 1,5 Millionen Franken gestiegen. Dies zeigen Zahlen des Kantons Zürich.

Wer vor ein paar Jahren ein Haus kaufte, kann es heute also praktisch immer mit einem ansehnlichen Gewinn verkaufen. Davon profitieren auch die Gemeinden: Sie schlagen auf jeden Verkauf eine Grundstückgewinnsteuer.

Die Erträge der Gemeinden aus dieser Steuer haben sich von 2008 bis 2023 verdreifacht, von rund 400 Millionen Franken auf über 1,2 Milliarden Franken jährlich. Das hat man auch bei der Zürcher Finanzdirektion zur Kenntnis genommen. «Es gibt wohl keinen Kanton, in dem so viele Grundstücksgewinnsteuern anfallen wie in Zürich», sagte der Zürcher Regierungsrat Ernst Stocker (SVP) am Freitag vor den Medien.

Doch bis jetzt kann Stocker dieser Entwicklung nur zusehen. Zürich ist neben Zug der einzige Kanton, in dem die Grundstückgewinnsteuern vollumfänglich an die Gemeinden gehen.

Genau das soll sich nun ändern. Es sei eine Beteiligung des Kantons zu prüfen, sagte Stocker. Er begründete dies damit, dass der Kanton in vielen anderen Bereichen Aufgaben der Gemeinden mitfinanziere. Ausserdem sei der Kanton auf die Einnahmen angewiesen.

Was ein solcher Systemwechsel bei der Grundstückgewinnsteuer konkret bedeuten könnte, vor allem, welchen Anteil der Kanton für sich reklamieren möchte, liess Stocker vor den Medien offen. Für solche Details ist es noch zu früh. Aber das Thema ist platziert, auch bei den Gemeinden.

Oder doch einfach die Steuern erhöhen`?

Ein Blick in die kommunalen Rechnungen verdeutlicht, was auf dem Spiel steht. In Zollikon etwa bewegten sich die Grundstücksteuererträge lange Zeit im einstelligen Millionenbereich – das Geld war ein willkommener Zustupf, mehr nicht. 2022 aber explodierten die Steuern aus den Immobilienverkäufen auf über 22 Millionen Franken oder etwa 10 Prozent aller Erträge.

Die Stadt Zürich nahm noch vor anderthalb Jahrzehnten pro Jahr etwa 100 Millionen Franken an Grundstücksgewinnsteuern ein – 2023 waren es 460 Millionen.

Selbst für winzige Landgemeinden sind die Grundstückverkäufe zu einem wichtigen Steuerfaktor geworden. Benken im Zürcher Weinland erlebte Jahre, in denen der Ertrag bei wenigen hundert Franken lag. Manchmal wurde sogar ein negativer Betrag ausgewiesen. 2023 aber waren es knapp 700 000 Franken.

Sich von diesen Erträgen einfach einen Teil wegnehmen lassen wollen die Gemeinden natürlich nicht.

Michèle Dünki-Bättig ist in der Gemeindeexekutive von Glattfelden für die Finanzen zuständig. Zudem ist sie SP-Kantonsrätin und Co-Präsidentin der Zürcher SP. «Als Finanzvorsteherin verstehe ich, dass der Kanton mit einem gewissen Neid auf die Grundstücksgewinnsteuern blickt. Er muss Mittel finden, um seine Investitionen zu finanzieren», sagt sie.

Allerdings gehe es den Gemeinden genau gleich, auch sie seien auf diese Einnahmen angewiesen, um ihre Infrastruktur zu bezahlen.

Wenn sich der Kanton nun ein Stück dieses Kuchens abschneiden wolle, dann werde es für die Gemeinden schwierig werden. Dünki-Bättig hat allerdings einen Vorschlag: «Es wäre denkbar, dass wir die heutigen kommunalen Grundstückgewinnsteuern um einen kantonalen Zuschlag ergänzen. Darüber könnte man sicher sprechen», sagt sie.

Aus der Sicht der SP sei es sowieso sinnvoll, die Grundstückgewinnsteuern zu erhöhen. «Die Immobilienbesitzer profitieren stark von der Wertsteigerung, mussten dafür aber keinen Beitrag leisten», sagt Dünki-Bättig. «Es wäre deshalb ohne weiteres vertretbar, die Abschöpfung zu erhöhen.» Ein solcher Schritt helfe auch, die Spekulation mit Immobilien zu bremsen.

Eine höhere Abgabe ist auch für den Stadtzürcher Finanzvorstand Daniel Leupi (Grüne) ein denkbarer Weg. «Statt dass sich der Kanton Zürich auf Kosten der Gemeinden refinanziert, wäre ein befristeter Zuschlag auf der Grundstücksteuer sinnvoller», schrieb er am Freitag auf dem Kurznachrichtendienst X. Ausserdem solle der Kanton auf Steuersenkungen verzichten.

Auch Jörg Kündig kritisiert die Pläne der Kantonsregierung. Kündig ist Präsident der Zürcher Gemeindepräsidien, Gemeindepräsident von Gossau und FDP-Kantonsrat. «Es ist schon seltsam, dass der Kanton auf eine Einnahmequelle der Gemeinden zurückgreifen will, um so eine Diskussion um die eigenen Ausgaben und Steuereinnahmen zu umgehen», sagt er.

Viele Gemeinden seien auf die Grundstückgewinnsteuern angewiesen, um auf ein ausgeglichenes Budget zu kommen – auch wenn die Erträge volatil seien. «Wir werden uns gegen den Verlust dieses Ertragspfeilers wehren», sagt Kündig.

Neue Milliardenschulden, neue Staatsstellen

Warum der Kanton Zürich jeden Franken brauchen kann, zeigt sich am Budget für 2025, das Ernst Stocker ebenfalls am Freitag vorgestellt hat. Der Kanton rechnet mit einem Defizit von 37 Millionen Franken. Bei Ausgaben von insgesamt fast 20 Milliarden Franken ist das eine rote Null.

Grosse Schwierigkeiten hat der Kanton aber mit seinen Investitionen. Diese kann er nicht mehr aus eigener Kraft finanzieren. Die Schulden steigen rasant an, von 3,9 Milliarden Franken 2022 auf 4,9 Milliarden 2024 und sogar auf voraussichtlich 6,4 Milliarden Franken 2028.

Auch beim Personalbestand geht es steil nach oben. Der Kanton will im neuen Jahr gut 1100 neue Stellen schaffen, zu einem grossen Teil in der Pflege und in der Bildung. Allein in der Volksschule gibt es fast 300 neue Stellen.

Die Parteien und Verbände kritisieren den Budgetentwurf auf breiter Front. Die FDP fordert Nachbesserungen, um neue Schulden zu vermeiden. Die Freisinnigen kritisieren zudem auch das anhaltende Stellenwachstum. Der Kanton brauche eine strikte Kostendisziplin.

Auch die SVP bemängelt die Neuverschuldung. Es brauche konkrete Massnahmen zur Verbesserung der Staatsfinanzen. Die GLP meint warnend, dass sich die Finanzlage vor allem mittelfristig verschlechtern könne, namentlich wenn die erwarteten höheren Steuereinnahmen nicht einträfen.

Aus der Sicht der SP hingegen sind gar nicht die steigenden Ausgaben das Problem, sondern die von der Regierung geplanten Steuersenkungen für Unternehmen. Die Grünen schliesslich fordern mehr Investitionen in die Ökologie.

Das Kantonsparlament wird den Budgetvorschlag im Dezember beraten.

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