Bully Herbigs Film «Das Kanu des Manitu» nimmt sich selbst und seinen Indianerfilm auf die Schippe. Das ist pädagogisch aufgerüstete Lustigkeit.
Man erinnert sich: Vor drei Jahren stiegen dunkle Rauchzeichen über Deutschland auf. Der Ravensburger-Verlag zog Winnetou-Bücher zurück, weil sie mit ihrer realitätsfernen Schilderung der indigenen amerikanischen Bevölkerung möglicherweise «die Gefühle anderer» verletzt hätten.
Schon zuvor hatte sich die Grünen-Politikerin Bettina Jarasch beim Parteikongress verplappert. Ihr damals bekanntgegebener angeblicher Berufstraum als Kind: «Indianerhäuptling». Es folgte ein Shitstorm aus der Partei und auf allen Kanälen. Man dürfe das I-Wort nicht mehr verwenden.
Da ist es nur folgerichtig, dass es in Bully Herbigs neuem Film «Das Kanu des Manitu» immer wieder heisst: «Sog bitte ned Indianer!» Als der Komödiant das Werk ankündigte, lief ein Stirnrunzeln durch die identitätspolitischen Bedenkenträger. Noch einmal Witze auf Kosten von Minderheiten? Kolonialistischer Herrenhumor wie in «Der Schuh des Manitu»? Der Urfilm des deutschen Wildwestklamauks ist Deutschlands meistgesehener Kinofilm. 12 Millionen Zuschauer.
Zeitgemässer lachen
Lacht es sich jetzt menschlicher, zeitgemässer beim «Kanu des Manitu»? Erst einmal ist fast alles so wie früher, so wie beim mittlerweile vierundzwanzig Jahre alten Original. Handgefräst wirkende Gebirgsmassive türmen sich neben weiten Steppen. Dauerblauer Himmel schwebt über der Landschaft, die irgendwo an der amerikanisch-mexikanischen Grenze liegt. Der Apache Abahachi (Bully Herbig) und sein Freund Ranger (Christian Tramitz) sind sichtbar älter geworden und feiern hoch über dem Canyon Silberne Blutsbrüderschaft.
Allerdings will ihnen der Sheriff von Silver City mitsamt seines sächselnden Deputys ans Leder. Abahachi und Ranger stehen im Verdacht, einen Zug überfallen zu haben. In Wahrheit aber handelt es sich um eine Art Identitätsdiebstahl. Zwei Mitglieder einer Gangstertruppe haben sich als die beiden Kumpane verkleidet und auf diese Weise ein paar mittelschwere Verbrechen begangen, «eine Enkeltrickscheisse» inklusive.
Die pointentauglich blöde Bande hat der Ölbaron (Sky Dumont in seiner letzten Kinorolle) für ein paar Aufträge zugekauft. Jessica Schwarz verkörpert den Bandenboss und sieht in ihrem Haufen eine Art Startup. Ziel des Ölbarons ist es, an das Kanu des Manitu zu gelangen, das der Legende nach unsterblich macht. Der Einzige, der weiss, wo es liegt, ist Abahachi. Amtlich zum Tod verurteilt, werden er und Ranger auch noch von den Banditen verfolgt, denen als Name für ihr Verbrecherkartell nichts anderes eingefallen ist als «Die sieben Geisslein».
Ein junger Mann namens Wolfgang (Merlin Sandmeyer), der eigentlich nur Komparse ist, spielt sich im Lauf der Ereignisse immer weiter in den Vordergrund. Das ist eine der etwas besseren Pointen im Film, ein kleiner Monty-Python-Moment. Die dünne Handlung muss durch Actionszenen gestreckt werden, die natürlich auch nur Parodien auf handelsübliche Actionszenen sind. Zu Pferd, per Kutsche und per Zug wird durch die Landschaft gerast.
Ein Esel hat deutlich sichtbare Blasenschwäche, der fällt für Eiltransporte aus. Unterirdisch geht es bei der Suche nach dem Kanu weiter. Das vorläufige Ziel ist erst erreicht, nachdem alberne Aufgaben gelöst sind, aber der Ölbaron kann sich seines Schatzes nur kurz erfreuen.
Cha-Cha-Cha-Champion mit Rumba Ranch
In «Das Kanu des Manitu» gibt es keinen ätzenden Humor. Alles perlt rückstandsfrei von der filmischen Oberfläche ab. Wenn ein Gag kommt, ist der vorausgegangene schon vergessen, und diesmal scheinen die Zwischenräume besonders gross. Ein Bandenmitglied hat sich für die kriminelle Gemeinschaft ein Bein ausgerissen, und weil er die Sache ja ernst nimmt, hat er tatsächlich nur noch eines. Es gibt einen Specht Ruprecht, der in Sekundenschnelle riesige Löcher ins Holz schlagen kann. Abahachis rosa gekleideter schwuler Bruder Winnetouch führt eine Rumba Ranch und war in der Gegend schon dreifacher Cha-Cha-Cha-Champion. Er tanzt mit einer Frau Wolf und sagt: «Ich bin der, der mit der Wolf tanzt.»
Das ist so die Kragenweite der Witze. Dass einem dabei nicht selbst sofort der Kragen platzt, liegt am verbindlichen Zwinkern dieser deutschen Humorproduktion. Auf der gefühlten Überlänge von 88 Minuten wird man unausgesetzt in ein Gefühlsargument verstrickt, das heisst: Du willst es doch auch! Genau das könnte den Erfolg dieser Art von Filmen begründen.
Die Drehbuchschreiber Bully Herbig, Christian Tramitz und Rick Kavanian basteln ihre Pointen so, dass sie wie ein Metakommentar wirken. Als wollten sie sagen: Wir wissen, dass es unterirdisch blöd ist, aber wäre das schon ein Grund, auf einen Witz zu verzichten? «Solange wir gefesselt sind, kann uns niemand trennen», ist auch so «Kanu»-Wildwestkalauer.
Was die jüngsten Empfindlichkeitsdebatten angeht, merkt man, wie sehr sich «Das Kanu des Manitu» bemüht hat, ein Werk der Unangreifbarkeit zu werden. Die «Comedy-Polizei» sei «so streng geworden», hat Bully Herbig zu den Aufregungen um angebliche kulturelle Aneignung vor drei Jahren gesagt. Als Regisseur agiert er jetzt wie ein identitätspolitischer Intimacy-Coach. Gelacht werden darf über Klischees, wenn sie von denen, die sie betreffen, mit erschaffen wurden.
Im «Kanu» gibt es das griechische Restaurant «Hellas Fellas». Dort wird nach Kräften Ouzo getrunken, und der von Rick Kavanian gespielte Wirt ist eine satirische Zuspitzung dessen, was man als geschäftsfördernde Selbstübertreibung bezeichnen könnte. Wie schon im ersten «Manitu»-Film wird die schwule Community durch Winnetouch in freundlichem Plüschrosa gespiegelt.
Das «Kanu» ist auch ein Altersfilm. Der Ranger Christian Tramitz ist mittlerweile siebzig, und dass die verknitterte Landschaft der Canyons auch ein mildes Ebenbild in den Gesichtern der beiden Hauptdarsteller hat, gibt dem Ganzen etwas Anrührendes. Das Paar, das Karl Mays Winnetou und Old Shatterhand nachgebildet ist, benimmt sich wie ein seit ewig aneinandergekettetes Ehepaar. Es zetert und zankt. Man nennt sich gegenseitig «alter Zipfelklatscher». Auf dem endgültigen Weg in die Pensionsberechtigung ist immer einer beleidigt. Wenn der eine im Streit sagt: «Wir wollten doch zusammen alt werden», dann sagt der andere: «Wir SIND alt.»
Offenbar will Bully Herbig den Menschen im Kino sagen, wie die Welt besser werden kann. Mit ein bisschen Nett-Sein. Und da hat man gleich mit sich selbst angefangen. War es kulturelle Aneignung, als sich vor vierundzwanzig Jahren ein bayrischer Schauspieler für den Film «Der Schuh des Manitu» einen Federschmuck auf den Kopf setzte und behauptete, er sei der Apache Abahachi?
Abahachi alias Jean Claude
Mit Herbigs neuem Film bekommt sogar sein Vorgänger eine neue Pointe. Auf die steuert das Werk knisternd langsam zu. Weil man es aber ohnehin schon nach ein paar Minuten ahnt, kann man die Dinge hier auch benennen. Der Satz «Sog bitte ned Indianer» hat noch einen anderen Sinn. In Wahrheit ist der breit dahinbayernde Film-Apache nie ein wirklicher gewesen, wie sich im «Kanu des Manitu» herausstellt. Er und sein Bruder Winnetouch sind Söhne eines fernöstlichen Prinzen und einer deutschen, dauertubablasenden Mutter.
Als Halbwaisen sind sie von Apachen grossgezogen worden. Noch dazu heissen sie in Wahrheit Jean-Claude und René. Akkurater hätte auch Specht Ruprecht kein Loch in jene identitätspolitischen Debatten hacken können, die es selbst um eine Komödie wie «Der Schuh des Manitu» gegeben hat.
Der für den Film erfundene Apache ist gleich doppelt kein wirklicher. «Irgendwie weiss ich so gar nicht mehr, was ich bin», sagt Bully Herbig alias Abahachi alias Jean Claude am Ende des Films. Aber ihm kann geholfen werden. Wenn er schon kein echter ist, dann eben ein Apache des Herzens. Auf diese Sprachregelung wird man sich einigen.
Und die tatsächlich echten Jicarilla-Apachen aus New Mexico, die als Geste der Völkerverständigung im Film auftreten, scheinen damit einverstanden. Im Herzen kann jeder alles sein. Das ist die nicht unbedingt weltenstürzende Frohbotschaft in «Das Kanu des Manitu», aber immerhin. Solange über emotionale Aneignungen nicht auch noch Debatten ausbrechen, ist alles gut.
Im Kino.