Indiens wachsende Mittelklasse lässt sich immer mehr Essen und Einkäufe direkt an die Haustür liefern. Das Potenzial für Lieferdienste ist daher gross. Bei ihrem Börsenstart hat es die Nummer zwei der Branche trotzdem nicht leicht.
Sich ein Masala Dosa zum Mittagessen bestellen, den Wocheneinkauf an die Türschwelle liefern lassen oder eine neue Druckerpatrone ins Büro ordern – all das ist seit einigen Jahren in Indiens Metropolen problemlos möglich. Die Lieferdienste überbieten sich darin, Essen und Waren aller Art schnell und günstig an die Haustür zu bringen. In notorisch verstopften Metropolen wie Mumbai, Delhi und Bengaluru, in denen zu Stosszeiten auch einfache Besorgungen viel Zeit und Nerven kosten können, ist das eine enorme Erleichterung.
Nun geht die Nummer zwei der Branche an die Börse. Bei dem Börsengang am Mittwoch bringt Swiggy Anteile im Wert von geschätzt 1,3 Milliarden Dollar auf den Markt. Das Startup aus der südindischen Tech-Metropole Bengaluru ist 2014 als Essenslieferant gestartet. Vor drei Jahren stieg die Firma dann mit der Unterstützung des japanischen Investors Softbank auch in den Onlinehandel ein. Heute ist Swiggy nach dem Marktführer Zomato der zweitgrösste Lieferdienst in Indien.
Während Zomato aber zuletzt Gewinne schrieb, verzeichnet Swiggy weiter Verluste. 6,1 Milliarden Rupien (64 Millionen Franken) waren es im zweiten Quartal dieses Jahres. Die Firma hat in den vergangenen Jahren viel Geld in den Aufbau eines Netzes von Lagerhäusern in den grossen Städten investiert, um schneller liefern zu können. Swiggys Versprechen ist es, binnen 20 Minuten beim Kunden zu sein. Dies ist nur möglich, wenn die Wege zum nächsten Lager kurz sind.
Die Konkurrenz unter Lieferdiensten ist hoch
Heute hat sich Swiggy zwar fest etabliert. In mehr als 600 Städten ist der Lieferdienst präsent. Die Mopedfahrer mit den orangefarbenen, würfelförmigen Rucksäcken sind allgegenwärtig auf den Strassen. Doch der Wettbewerb ist hart. Neben Zomato machen vor allem Blinkit, Zepto und Big Basket Swiggy Konkurrenz. Der Essenslieferant Uber Eats hat sich bereits vor zwei Jahren aus Indien zurückgezogen. Kürzlich musste auch Dunzo aufgeben, obwohl die Reliance-Gruppe von Asiens reichstem Mann, Mukesh Ambani, hinter der Firma stand.
Der Börsengang von Swiggy wird nun mit Spannung verfolgt. Das Potenzial auf dem Markt für Lieferdienste ist gross, da Indiens wachsende Mittelklasse eine potente Käufergruppe ist. Goldman Sachs erwartet, dass die Gruppe der Inder mit einem Jahreseinkommen von mehr als 10 000 Dollar von 60 Millionen 2023 auf 100 Millionen im Jahr 2027 wachsen wird. Bisher macht Onlineshopping nur 7 Prozent des Einzelhandels aus – es ist also noch viel Luft nach oben.
Allerdings wird es für Swiggy und andere Lieferdienste kostspielig werden, neue Käufergruppen in den Provinzstädten zu erreichen. Auch wachsen in dem kompetitiven Marktumfeld die Werbekosten. Zuletzt gab es zudem Berichte, dass Kunden wieder Abstand davon nehmen, sich frisches Gemüse online zu bestellen, da die Qualität zu wünschen übrig liess. Ausserdem drücken die anhaltende Inflation und eine Verschärfung der Regeln für Privatkredite auf die Kauflaune.
Der Appetit für die Swiggy-Aktien scheint gedämpft
Swiggys Börsengang gilt als Test für die Stimmung an der Börse. Die Aktienkurse in Indien wiesen zwar in den letzten Jahren steil nach oben, doch mehren sich die Stimmen, die vor einer Blase warnen. Im Oktober fiel der Leitindex Nifty 50 um 3,5 Prozent. Besonders ausländische Investoren zogen Geld ab. Mitte Oktober verzeichnete der Börsengang der indischen Sparte von Hyundai, der mit 3,3 Milliarden Dollar der grösste dieses Jahr in Asien war, nur eine gedämpfte Nachfrage.
Auch bei Swiggy erscheint der Appetit der indischen Anleger begrenzt. Laut der Nachrichtenagentur Reuters gaben zwar ausländische Grossinvestoren wie der norwegische Staatsfonds hohe Angebote ab, doch bei den Kleinanlegern war die Nachfrage gering. Insgesamt gingen bis vergangenen Freitag nur 3,6 Mal so viele Angebote ein, wie es Aktien gab. Swiggy strebt nun eine Bewertung von 11,2 Milliarden Dollar statt der ursprünglich anvisierten 15 Milliarden Dollar an.
Einen Grossteil der Einnahmen aus dem Börsengang will die Firma in den Ausbau seiner Warenlager investieren. Über 580 sind es heute in ganz Indien. Die Erweiterung des Netzes ist essenziell, um gegen Blinkit und Zepto bestehen zu können, die im schnellen Onlinehandel Swiggys schärfste Konkurrenten sind. Zwar erscheint klar, dass der Trend in Indien anhalten wird, sich seine Einkäufe an die Haustür liefern zu lassen, statt sich selbst in den chaotischen Verkehr zu stürzen. Doch wer in dem umkämpften Markt das Rennen macht, ist offen.