Sonntag, Februar 23

Der mächtigste Investor Europas glaubt, dass der Kurs der UBS-Aktie in den nächsten Jahren auf über 50 Franken steigen wird. Doch die Politik könnte ihm einen Strich durch die Rechnung machen.

Taucht er auf, beginnt in den Chefetagen das grosse Zittern. Lars Förberg gehört mit seiner Firma Cevian zu den mächtigsten Investoren Europas. Das Beuteschema: Cevian kauft sich bei Unternehmen ein, die schlecht geführt sind, wenig Gewinn abwerfen und tief bewertet sind. Der Neo-Aktionär verpasst ihnen dann ein Sanierungsprogramm, das nicht selten mit Managementwechseln verbunden ist. Der 59-jährige Förberg gilt als freundlich im Umgang, aber hart in der Sache: Habe er einen Plan gefasst, lasse er sich nicht davon abbringen, sagen Manager, die mit ihm zu tun haben. Schweizer Unternehmen haben es dem gebürtigen Schweden besonders angetan.

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Herr Förberg, der Uhrenkonzern Swatch Group wird an der Börse massiv unter seinem Wert gehandelt. Wann steigt Cevian ein?

Wir sprechen nie über mögliche künftige Beteiligungen. Aber Sie haben recht: Wir schauen uns Unternehmen an, die einen soliden Kern haben, aber hinter ihren Konkurrenten zurückbleiben. Wenn wir herausfinden, was die Gründe dafür sind, und einen Plan haben, wie wir das ändern können, dann ist es ein Kandidat für uns.

Was hält Sie bei der Swatch Group davon ab?

Wir müssen sicher sein, dass wir ausreichend Einfluss nehmen können, um Veränderungen umzusetzen.

Die Familie Hayek dürfte Sie kaum willkommen heissen. Eine Ihrer Beteiligungen ist seit dem Frühjahr 2023 die UBS. Wird sie schlecht geführt?

Nein, wir sind mit der derzeitigen Führung zufrieden. Die Übernahme der Credit Suisse bietet der UBS die Chance, die beste Bank der Welt zu schaffen. Wenn die Fusion einmal verdaut ist, kann sie ihre Profitabilität und ihr Wachstum deutlich steigern. Deshalb haben wir in die Grossbank investiert.

Streben Sie einen Sitz im Verwaltungsrat an?

Nein. Bei der UBS stimmen Strategie und Führung. Deshalb braucht es uns nicht im Verwaltungsrat.

Der CEO Sergio Ermotti wird noch rund zwei Jahre im Amt bleiben. Wen sehen Sie als seinen Nachfolger?

Wir hoffen, dass er so lange wie möglich bleibt. Über die Nachfolge möchte ich nicht spekulieren.

Bevorzugen Sie einen internen oder einen externen Kandidaten?

Ich bevorzuge immer eine interne Lösung, wenn dies möglich ist.


Förberg gründete Cevian 2001 mit seinem Partner Christer Gardell. Die ersten 100 Millionen Euro stammten von der Zurich-Versicherung, heute verwaltete Cevian rund 14 Milliarden Euro. Die Gelder kommen von institutionellen Geldgebern wie Pensionskassen oder Family-Offices, zum Grossteil aus Nordamerika. Investiert wird ausschliesslich in europäische Unternehmen.


Sie haben einmal gesagt, dass Sie das Kursziel der UBS-Aktie bei 50 Franken sähen. Halten Sie das immer noch für realistisch?

Auf jeden Fall. Die UBS ist heute nicht einmal halb so hoch bewertet wie Morgan Stanley aus den USA, hat aber ein viel attraktiveres Geschäftsmodell. Es gibt daher viel Luft nach oben.

Die UBS hat ihr Schicksal aber nicht selbst in der Hand. Derzeit wird über härtere Kapitalanforderungen diskutiert. Wenn die Politik diese erhöht, schmälert dies das Gewinnpotenzial.

Nicht nur das. Kunden hätten höhere Kosten, und die globale Wettbewerbsfähigkeit der UBS würde geschwächt werden. Schon heute sind die Kapitalanforderungen in der Schweiz höher als in anderen Ländern, die UBS ist besser kapitalisiert als die meisten ihrer Konkurrenten. Niemand kann ein Interesse daran haben, dass die Schweiz übermässig strenge Regeln einführt. Die Schweiz ist für vernünftige und ausgewogene Lösungen bekannt. Ich bin überzeugt davon, dass sie auch diesmal eine solche finden wird.

Zwei Bankenrettungen innerhalb von fünfzehn Jahren haben die Öffentlichkeit und die Politik traumatisiert. Deshalb könnte die Entscheidung diesmal weniger ausgewogen ausfallen.

Ich verstehe das Trauma, aber die UBS von heute ist nicht vergleichbar mit der Bank, die 2008 gerettet werden musste. Als weltgrösster Vermögensverwalter hat sie ein viel stabileres Geschäftsmodell als die meisten anderen Banken. Zudem hat die UBS die Probleme der Credit Suisse beseitigt, indem sie deren Investment Banking massiv reduziert hat.

Die heutige Führung wird nicht ewig im Amt sein. Die Nachfolger könnten auf die Idee kommen, die Risiken zu erhöhen, um den Aktienkurs zu pushen.

Dann sollten die Regulierungsbehörden eingreifen. Der PUK-Bericht hat gezeigt, dass sie bei der Credit Suisse zu viele Zugeständnisse gemacht haben. Die Schweiz braucht eine starke Bankenaufsicht.

Die UBS könnte ihren Hauptsitz ins Ausland verlegen, um strengere Kapitalanforderungen zu umgehen. Würden Sie das unterstützen?

Nein. Die Schweiz ist gut für die UBS, und die UBS ist gut für die Schweiz.

Es gibt einige Leute, unter ihnen auch liberale Geister, die der Meinung sind, die Bank sei schlicht zu gross für die Schweiz.

Nordea, die grösste Bank in Nordeuropa, bei der wir ebenfalls investiert sind, verlegte 2018 ihren Hauptsitz von Schweden nach Finnland. Ihre Bilanzsumme übersteigt die Wirtschaftsleistung von Finnland mehr als jene der UBS das Schweizer Bruttoinlandprodukt. Dennoch ist Finnland heute sehr glücklich darüber, dass Nordea dort ansässig ist. In Schweden bedauern hingegen viele den Wegzug, weil Steuereinnahmen verlorengingen.


Fünf Leute beschäftigen sich bei Cevian ausschliesslich mit der UBS. Insgesamt hält die Firma nur fünfzehn Beteiligungen. Damit macht Cevian das Gegenteil von dem, was als Grundsatz der guten Geldanlage gepriesen wird: Diversifizierung. «Ich glaube nicht daran», sagt Förberg. Cevian senke die Risiken, indem sie in wenige Firmen investiere, sich dafür aber sehr intensiv mit ihnen befasse. Bevor man die erste Aktie kaufe, analysiere man ein Unternehmen über Jahre hinweg. Ein solcher Fall ist der Basler Versicherer Baloise.


Im Frühling 2024 haben Sie eine grosse Beteiligung an Baloise aufgebaut. Warum?

Die Versicherung hat eine starke Marktstellung in der Schweiz, allerdings bleibt das Unternehmen bei Wachstum und Rentabilität weit hinter seinen Möglichkeiten zurück. Die Profitabilität liegt 50 Prozent unter dem Branchendurchschnitt. Es gibt also viel Potenzial für Verbesserungen.

Wo setzen Sie an?

Baloise braucht eine neue Strategie und muss sich auch operativ verbessern. Ihr Kernmarkt ist die Schweiz, wo sie erfolgreich ist. In Deutschland hingegen ist Baloise nicht erfolgreich und wird es wohl auch nie sein. Deshalb sollte sie sich von da zurückziehen. Zudem hat die konzerneigene Bank eine der höchsten Kostenquoten aller Banken in der Schweiz. Auch hier muss eine Lösung gefunden werden.

Der Verwaltungsrat und das Management wollen an der bestehenden Struktur festhalten. Die Versicherung will es mit Stellenstreichungen und mehr Effizienz schaffen. Wie bringen Sie sie zum Handeln?

Die im Herbst vorgestellte strategische Planung reicht bei weitem nicht, um Baloise in ein Spitzenunternehmen zu verwandeln. Ich erwarte, dass weitere Schritte ergriffen werden. Im Dezember wurde angekündigt, dass es Veränderungen im Verwaltungsrat geben werde. Robert Schuchna, einer unserer Cevian-Partner und Versicherungsexperte, stellt sich für die Wahl zur Verfügung. Danach beginnt die harte Arbeit.


Als Meisterstück von Förberg in der Schweiz gilt die Investition in ABB. Seit dem Einstieg von Cevian vor rund zehn Jahren hat sich der Aktienkurs des Industriekonzerns mehr als verdoppelt: Mission erfüllt. Förberg hat unlängst angekündigt, sich bei der nächsten Generalversammlung aus dem ABB-Verwaltungsrat zurückzuziehen.


Als Sie 2017 in den Verwaltungsrat von ABB gewählt wurden, stiessen Sie auf heftigen Widerstand. Wie konnten Sie sich durchsetzen?

Das damalige Management und wir hatten unterschiedliche Ausgangspunkte, aber durch Gespräche sind wir zu einer gemeinsamen Sichtweise gekommen. Wir haben voneinander gelernt. Die Zusammenarbeit mit dem Verwaltungsratspräsidenten Peter Voser war unglaublich wichtig. Er war der Fels in der Brandung in diesem Prozess.

Was brachte die Wende?

Die Organisation von ABB war viel zu komplex. Eine Zentrale mit
18 000 Mitarbeitern versuchte, die Gruppe zentral zu steuern. Wir haben das Unternehmen in zwanzig Geschäftsbereiche mit grosser Autonomie aufgeteilt. Das war der Schlüssel. Die Führungskräfte erhielten ihre Eigenverantwortung zurück, das Unternehmertum wurde gestärkt. Wir haben die Menschen aus allzu komplizierten Strukturen befreit.

Nicht immer verläuft es für Sie nach Plan. Beim deutschen Stahlkonzern ThyssenKrupp kamen Sie auf keinen grünen Zweig. Was lief schief?

Das war ein langjähriger, frustrierender Prozess, der nicht so geendet hat, wie wir dies wollten. Wir hatten Schwierigkeiten, genügend Einfluss zu erhalten, um unsere Strategie umzusetzen. Die deutschen Corporate-Governance-Regeln gehören zu den schlechtesten der Welt. Daran sind wir gescheitert.


Aktivistische Investoren haben einen schlechten Ruf. Sie werden als «Heuschrecken» bezeichnet, die Firmen für kurzfristigen Gewinn plündern und sich nicht dafür interessieren, was mit dem Unternehmen anschliessend geschieht. In Schweden titulierten die Gewerkschaften Förberg einmal als «Schlächter von Stockholm». Der Vorstandsvorsitzende von ThyssenKrupp sprach sogar von «psychologischem Terror». Darauf angesprochen, sinkt Förberg erst einmal tiefer in seinen Stuhl und holt aus.


Es ist verständlich, dass manche Leute emotional reagieren, wenn wir in ein Unternehmen kommen, und sagen, dass es in eine andere Richtung gehen sollte. Aber für mich haben solche Kommentare keine Relevanz.

Das lässt Sie völlig kalt?

Natürlich nicht. Aber wenn man in der Öffentlichkeit steht, muss man damit rechnen, solche Labels zu bekommen. In der überwältigenden Mehrheit der Fälle arbeiten wir mit den Unternehmen konstruktiv zusammen.

Sie sind seit fast dreissig Jahren in dem Geschäft. Ist jedes Investment für sie neu, oder kann man auf bestehenden Mustern aufbauen?

Wir haben mit Cevian 65 Investitionen getätigt, natürlich erkennt man dabei Muster. Aber eigentlich ist jede Situation anders. Wir investieren nicht nach einem Copy-and-Paste-Schema. Man muss lernen, die Kultur und die Menschen eines Unternehmens zu verstehen. Wir sind nicht einfach Trittbrettfahrer, sondern Eigentümer, die sich um das langfristige Wohl eines Unternehmens kümmern. Ich glaube, wir sind eine positive Kraft.

Zur Person

Nach dem Ökonomiestudium in Stockholm ging Lars Förberg für eine Managementausbildung in die USA und stieg in die Finanzbranche ein. Förberg, 59, lebt seit mehr als fünfzehn Jahren in der Schweiz. Er war verheiratet und hat zwei erwachsene Kinder. Als er sich vor fünf Jahren in einen Mann verliebte, machte er dies öffentlich: «Die jüngere Generation soll wissen, dass es auch in der konservativen Finanzbranche völlig in Ordnung ist, eine sexuelle Minderheit zu sein», so begründete er den Schritt.

Was motiviert Sie, Geld?

Auch wenn die meisten Menschen annehmen, dass, wenn man in der Finanzbranche arbeitet, Geld der Treiber ist, ist das bei mir nicht der Fall. Für mich ist es auch heute noch unglaublich aufregend, tief in eine Branche und ein Unternehmen einzudringen, um Stossrichtungen für Veränderung zu entdecken und aktiv an deren Umsetzung zu arbeiten.

Sie verlangen von Ihren Investoren eine jährliche Gebühr von 1,5 bis 2 Prozent am Anlagevermögen. Bei 14 Milliarden Euro fliessen jährlich rund 300 Millionen an Cevian. Da ist es einfach zu sagen, Geld sei nicht Ihre Motivation.

Was ist Ihre Frage?

Dass Sie viel mehr verdienen als ein europäischer Spitzen-CEO.

Ich habe schon vor der Gründung von Cevian ziemlich viel Geld verdient. Das gefiel mir zunächst, aber es fühlte sich nicht richtig an. Deshalb habe ich entschieden, dass Geld keinen Einfluss auf mich als Person haben soll.

Wie haben Sie das gemacht?

Ich habe mir klargemacht, was im Leben wirklich wichtig ist: Familie, Freunde, Gesundheit, Sport, Natur, Literatur, vor allem aber Dankbarkeit.

Verbringen Sie deshalb im Winter viel Zeit im Prättigau?

Das spielt sicher eine Rolle. Ich habe während der Pandemie gelernt, dass Home-Office gut funktioniert. Ich liebe die Berge, da kann ich jeden Tag zwischendurch langlaufen, Ski fahren oder wandern gehen.

Sie sind ein Teilzeit-Investor?

Nein. Ich habe zwar keine Ahnung, wie viele Stunden ich pro Woche arbeite, aber es ist sicher ein Vollzeitpensum. Ich kaufe mir morgens am Bahnhofkiosk einen Kaffee und ein Salamisandwich und setze mich in den Zug, wo ich dann arbeite, bis ich in Zürich bin und meine Meetings habe. Ich bin total glücklich, abends zurück ins Prättigau zu fahren.

Sie werden dieses Jahr 60. Wie lange wollen Sie den Job noch machen?

Ich sehe das nicht als Job, sondern verstehe mich als Unternehmer. Viele Unternehmer arbeiten bis an ihr Lebensende. Das ist auch mein Plan.

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