Donnerstag, Januar 30

Der Kanton wird die hiesige Gaming-Industrie subventionieren. Wer davon profitieren soll und warum sie das für richtig hält, erklärt Seraina Rohrer, Leiterin Fachstelle Kultur.

Als einer der ersten Kantone fördert der Kanton Zürich künftig digitale Kultur. 4,5 Millionen Franken sollen in den nächsten drei Jahren in diesen Bereich fliessen. Das hat der Kantonsrat Mitte Januar entschieden. Wie dieses Geld verteilt wird, darüber entscheidet unter anderem Seraina Rohrer, Leiterin der Fachstelle Kultur des Kantons. Sie ist seit August vergangenen Jahres im Amt, davor war Rohrer Direktorin der Solothurner Filmtage und Geschäftsleiterin der Kulturstiftung Pro Helvetia.

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Mit dem neuen Projekt zur Förderung digitaler Kultur kehrt Rohrer nun gewissermassen zu ihren Wurzeln zurück: Sie hat neben Filmwissenschaften auch Informatik studiert.

Seraina Rohrer, künftig fördert der Kanton Zürich «digitale Kultur». Was ist das überhaupt?

Der bekannteste Teil digitaler Kultur sind Games. Da gibt es schon einige, die in Zürich entwickelt wurden. Ein Beispiel ist das Game «Niche» der Zürcher Game-Designerin Philomena Schwab, das sich mit Genetik befasst. Es gibt aber auch andere Formate digitaler Kunst, etwa Extended-Reality-Erlebnisse, Apps oder interaktive Dokumentarfilme. Bei diesen gibt es begleitende Websites, wo man sich vertieft mit dem Thema des Films auseinandersetzen kann. Entscheidend ist bei digitaler Kunst, dass sie interaktiv ist.

Interaktiv heisst: Ich schaue oder höre nicht nur zu, ich beteilige mich?

Genau. Man kann mit den Figuren interagieren, etwas spielen, die Handlung steuern oder beeinflussen.

Bei Games denken viele an Shooter-Games wie «Call of Duty» oder «Fortnite». Was haben die mit Kultur zu tun?

Ich denke, das ist ein Klischee. Die Branche hat viel mehr zu bieten als Shooter-Games. Es gibt sehr viele kreative Games, bei denen es darum geht, etwas zu lernen oder eine vielschichtige Geschichte zu erleben. Im Swiss Game Hub in Oerlikon entstehen zum Beispiel Games, bei denen es um Themen wie den Klimawandel oder die Ausbeutung von Menschen geht. Genau wie Filme sind auch Games sehr vielfältig.

Ein Beispiel eines interaktiven Formats aus Zürich thematisiert den Genozid in Rwanda von 1994. Warum ist das Aufgabe der Zürcher Kulturförderung?

Die Zürcher Kulturförderung unterstützt nicht nur Projekte, die sich mit Zürcher Themen befassen. Wichtig ist, dass die Kulturschaffenden im Kanton ihren Lebensmittelpunkt haben – und das ist bei diesem Projekt gegeben. Es geht darum, dass Themen aufgegriffen werden, die Zürcher Game-Designer beschäftigen. Das können Geschichten sein, die in Zürich spielen, aber auch Themen von weit weg.

Einige Games aus dem Swiss Game Hub sind sehr erfolgreich. Die Branche boomt. Warum sollte der Kanton in diesen Markt eingreifen?

Ja, es gibt eine grosse, hochkommerzialisierte Gaming-Industrie. Was man aber sehen muss: Der kommerzielle Teil dieser Branche produziert «Blockbuster-Games». Die Logik hinter diesen Games ist eine andere als hinter jenen, die einen bildenden, künstlerischen, kreativen Anspruch haben – und die auf dem Massenmarkt weniger erfolgreich sind. Genau diese sind aber kulturell enorm wertvoll, und das möchten wir fördern. Beim Swiss Game Hub muss man ausserdem wissen, dass sehr viel ehrenamtliche Arbeit dahintersteckt. Die Game-Entwickler, die dort wirken, müssen oft noch einen Brotjob machen. Das darf nicht sein. Wer künstlerisch tätig ist, soll dafür entlöhnt werden.

Es sollen allerdings auch Games mit Marktpotenzial gefördert werden. Warum nicht Private investieren lassen?

Die Games mit Marktpotenzial, um die es bei uns geht, bewegen sich zwischen einem künstlerischen und einem kommerziellen Anspruch. Es ist vergleichbar mit Filmen: Es gibt Arthouse-Filme, die sehr erfolgreich sind und trotzdem einen künstlerischen Charakter haben. Im Gegensatz zu Blockbustern, die ganz auf den Massenmarkt zielen, brauchen solche Filme am Anfang Unterstützung. Das wollen wir nun auch für Games bieten – zusammen mit Privaten, die den Grossteil der Investitionen tragen. Wird ein Game dann erfolgreich, erhalten wir das ganze Fördergeld zurück – und können es wieder in neue Projekte investieren.

Gefördert werden sollen Firmen, die es bereits seit zwei Jahren gibt. Stärken Sie damit nicht vor allem bestehende Strukturen, statt neue Künstlergruppen zu unterstützen?

Es gibt zwei Förderbedingungen: Die Firma muss bereits seit zwei Jahren bestehen und ihren Steuersitz im Kanton Zürich haben. Es können sich auch junge Game-Designer aus dem Kanton Zürich bewerben, die gerade dabei sind, eine Firma zu gründen. Mit diesen Kriterien wollen wir sicherstellen, dass wirklich jene Kulturschaffenden Förderung erhalten, die hier ihren Lebensmittelpunkt haben und im Kanton Zürich wirken.

In der Kantonsrats-Debatte wurde unter anderem eine Zusammenarbeit mit Electronic Arts (EA) gefordert, einem der grössten Game-Produzenten der Welt. Die brauchen doch keine Förderung aus Zürich.

Das stimmt, und das ist auch nicht die Idee. Es sollen lokale Game-Produzenten mit grossen Studios wie EA vernetzt werden, ein Teil des Fördergelds ist genau dafür gedacht. Grosse Firmen wie EA werden aber keine Förderung für eigene Games erhalten. Alle Anträge müssen einen Förderbedarf belegen – den hat EA nicht. Es ist wie bei der Musikförderung: Es ergibt keinen Sinn, mit unseren beschränkten Mitteln etwas zu finanzieren, was hochkommerziell ist.

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