Freitag, Oktober 25

Die Zürcher Haus- und Wohnungseigentümer sollen rund 170 Millionen Franken pro Jahr mehr bezahlen.

Es waren keine guten Nachrichten, welche der Zürcher Finanzdirektor Ernst Stocker (SVP) zuerst im Februar und dann, in einer angepassten Version, im September den Hauseigentümern überbrachte.

Stocker gab bekannt, dass die Steuerwerte für Liegenschaften erhöht werden würden, mit entsprechenden Folgen gleich für zwei Posten in der Steuerrechnung: Einerseits steigt das steuerbare Vermögen und damit die Vermögenssteuer, andererseits wird auch der Eigenmietwert angehoben, und das bedeutet höhere Einkommenssteuern.

Die Veränderungen sollen per Anfang 2026 gelten und sich erstmals in der 2027 verschickten Steuerrechnung niederschlagen. Der Kanton geht davon aus, dass die steuerlichen Einschätzungen der Liegenschaften im Schnitt um nicht ganz 50 Prozent steigen werden und die Eigenmietwerte um 10 Prozent (Stockwerkeigentum) beziehungsweise 11 Prozent (Einfamilienhäuser).

Diese Anpassungen können ins Geld gehen. Wie ein Beispiel zeigt, das die Kantonsregierung vorgelegt hat, muss ein verheiratetes Paar mit zwei Kindern und einem steuerbaren Einkommen von knapp 140 000 Franken rund 2000 Franken mehr Steuern bezahlen (siehe Tabelle), wenn seine Eigentumswohnung deutlich höher eingeschätzt wird.

Dies, notabene, ohne dass sich an seinem realen Einkommen irgendetwas geändert hätte. Für Härtefälle will der Kanton eine Sonderregel einführen.

Insgesamt geht der Kanton davon aus, dass ihm die höhere Einschätzung der Liegenschaften 45 Millionen Franken bei der Einkommenssteuer und 40 Millionen Franken bei der Vermögenssteuer bringen werden. Für die Gemeinden werden noch einmal die gleichen Einnahmen veranschlagt. Die Wohneigentümer sollen pro Jahr also rund 170 Millionen Franken mehr abgeben müssen.

Das Ende des Eigenmietwerts in Sicht

Doch so weit dürfe es nicht kommen, findet der Hauseigentümerverband (HEV) des Kantons Zürich. Er hatte schon früher sein Unbehagen über die regierungsrätlichen Pläne geäussert, jetzt hat er bekanntgegeben, dass er auch gerichtlich dagegen vorgehen wird.

Der HEV stört sich an mehreren Punkten.

Der erste ist, dass die Zürcher Kantonsregierung vorgeprescht sei. Bundesbern berate derzeit die Abschaffung des Eigenmietwerts. Deshalb, sagt der HEV, sei es nicht sinnvoll, an diesem Wert auf kantonaler Ebene nun noch gross herumzuschrauben. Die neuen kantonalen Regeln wären für ein, maximal zwei Jahre in Kraft, dann würden sie wohl obsolet. Besser sei es deshalb, die Gesetzesrevision auf Bundesebene abzuwarten.

Zweitens bemängelt der Verband, dass die Regierung falsch rechne und von viel zu hohen Ansätzen ausgehe.

Das Gesetz sieht vor, dass der Eigenmietwert bei 60 bis 70 Prozent des Marktwerts liegen muss. Die grosse Frage ist, wie dieser Marktwert ermittelt wird, und genau hier setzt die Kritik des HEV an.

Der Regierungsrat stütze sich auf Angebotsmieten, also auf die Preise, die in Ausschreibungen verlangt würden. Sie seien aber deutlich höher als die tatsächlich am Markt bezahlten Beträge und erst recht höher als die Summen, welche langjährige Mieter für eine vergleichbare Liegenschaft bezahlen müssten.

«Im Altmietbestand liegen die Mieten gegenüber der letzten Bewertung von 2009 sogar um 8 Prozent tiefer», sagt Albert Leiser, der Direktor des HEV des Kantons Zürich. «Aber der Eigenmietwert soll um 11 Prozent steigen? Dieser Unterschied ist für Hauseigentümer stossend.»

Der HEV moniert zudem, dass bei der Bewertung der Liegenschaft von zu hohen Landwerten ausgegangen werde.

Eigentlich ist Zürich gegen den Eigenmietwert

Hans Egloff, der Präsident des Kantonalzürcher HEV, betont, sein Verband wehre sich nicht grundsätzlich dagegen, dass die Liegenschaften neu eingeschätzt würden. «Es ist für mich nachvollziehbar, dass man die Bewertungen nach einer gewissen Zeit anpassen muss», sagt er. Aber diese Anpassungen müssten mit Bedacht vollzogen werden. «Ausgerechnet jetzt, kurz vor der Abschaffung des Eigenmietwerts, eine Erhöhung vorzunehmen, ist schlicht der falsche Zeitpunkt.»

Der Regierungsrat begründet den Schritt damit, dass seit der letzten Anpassung von 2009 die Verkehrswerte von Häusern und Wohnungen im Schnitt um über 50 Prozent gestiegen seien – und zwar hauptsächlich wegen der Entwicklung der Landwerte. Die Marktmieten seien um durchschnittlich 15 Prozent gestiegen. Die Überarbeitung der Werte sei auch aufgrund zweier Gerichtsurteile zwingend.

Rücksicht nehmen auf die Verhandlungen um den Eigenmietwert auf Bundesebene könne Zürich nicht, schrieb die Finanzdirektion bereits im September, als sie die neuen Zahlen präsentierte. Die Anpassungen seien ungeachtet der politischen Diskussionen zu vollziehen.

Speziell an dieser Haltung ist, dass die Zürcher Kantonsregierung eigentlich auch zu den langjährigen Gegnern des Eigenmietwerts gehört. Bereits 2019 hatte sie sich beim Bund für seine Abschaffung eingesetzt. Nun will sie ihn sogar erhöhen.

Ist eine Beschwerde überhaupt möglich?

Ob der HEV mit seiner Beschwerde erfolgreich sein wird, ist ungewiss. Dabei stellt sich nur schon die Frage, ob es gegen die Pläne des Kantons tatsächlich ein Rechtsmittel gibt. Die Regierung bezeichnet die Neuregelung nämlich als Dienstanweisung an die kantonalen Steuerbehörden, quasi also als ein internes Arbeitsinstrument. In so einem Fall sind Beschwerden von Dritten nicht vorgesehen. Im Dokument fehlt denn auch die sonst übliche Rechtsmittelbelehrung, welche auf Rekursmöglichkeiten hinweist.

Die beiden Anwältinnen, welche die Beschwerde des HEV verfasst haben, erörtern die Frage, ob der Rechtsweg zulässig sei, in ihrer Eingabe ausführlich. Sie argumentieren , dass nicht die Bezeichnung eines regierungsrätlichen Dokuments massgebend sei, sondern dessen Wirkung. «Entscheidend ist der Inhalt, nicht die Verpackung», schreiben sie wörtlich, und in diesem Fall wirke sich der Inhalt unmittelbar auf die Steuerzahler aus. Ergo sei es zulässig, dass Betroffene dagegen Beschwerde erhöben.

Egloff und Leiser vom HEV sagen, dass sie sich vorbehielten, bis vor Bundesgericht zu gehen, um die Neuregelung zu bekämpfen.

Und wenn dem HEV das Beschwerderecht abgesprochen wird? Dann, sagt Egloff, müsse sich die Regierung darauf einstellen, dass Tausende von Zürcher Hauseigentümern ihre Neueinschätzungen jeweils einzeln anfechten würden.

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