Andere Kantone kennen solche Ergänzungsleistungen bereits – es gibt bis zu 15 000 Franken. Die Frage ist nur, ob es das wirklich braucht.

Kinder sind eine Bereicherung, finanziell aber sind sie eine Bürde. Die meisten Eltern können den Mehraufwand gut tragen. Grösser ist der Druck bei einkommensschwachen Familien. Doch ist die Belastung so gross, dass der Staat ein neues Sozialwerk schaffen muss?

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Genau über diese Frage hat am Montag das Zürcher Kantonsparlament diskutiert. Traktandiert waren zwei Anträge, ein verbindlicher und ein weniger verbindlicher.

Der erste Antrag, eine parlamentarische Initiative der SP, verlangte ein neues Gesetz zur Einführung von kantonalen Ergänzungsleistungen für Familien.

Der zweite Antrag, ein Postulat der Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit, rief nur nach einem Bericht zum gleichen Thema. Der Regierungsrat sollte darin aufzeigen, wie solche Leistungen für einkommensschwache Familien überhaupt ausgestaltet sein könnten und was sie kosten würden. Die beiden Anträge wurden gemeinsam behandelt.

Die Kantonsregierung lehnt die Pläne ab. Wenn schon, sagt der Regierungsrat, müsste ein solches neues Sozialwerk auf Bundesebene eingerichtet werden.

50 bis 100 Millionen Franken pro Jahr

Würde der Kanton Zürich die vorgeschlagenen Ergänzungsleistungen einführen, geht der Regierungsrat von jährlichen Kosten von etwa 50 bis 100 Millionen Franken aus. Diese Zahl ist plausibel, wenn man die Kantone betrachtet, welche das System schon kennen.

Das Bundesamt für Sozialversicherungen stellte 2022 vier Kantone gegenüber, die ein entsprechendes System eingeführt hatten.

Solothurn gab 2021 pro Einwohnerin und Einwohner knapp 34 Franken für die Ergänzungsleistung aus. Rechnet man die Solothurner Ausgaben auf Zürich hoch, kommt man auf Kosten von gut 50 Millionen Franken. Der Kanton Solothurn ist für Zürich besonders relevant, weil sich die parlamentarische Initiative der Zürcher SP am Solothurner Modell orientiert.

Deutlich teurer würde es, wenn Zürich gleich grosszügig wäre wie die Waadt oder das Tessin. Dort kostet das Sozialwerk pro Einwohner rund 100 Franken. Das wären dann rund 160 Millionen Franken im Kanton Zürich.

Pro unterstützte Familie sind die Ausgaben in der Waadt am höchsten – rund 15 000 Franken. Nur gut ein Drittel davon, 6200 Franken, sind es im Kanton Solothurn.

Chancenlose SP-Initiative

Bei der Debatte im Zürcher Kantonsparlament war rasch klar, dass die Forderung der SP, also die Einführung einer neuen Ergänzungsleistung, chancenlos sein würde. Denn neben der FDP und der SVP sprachen sich auch die Mitte und die GLP dagegen aus. Damit stand eine solide ablehnende Front.

Hans Egli (EDU, Steinmaur) sprach für die SVP/EDU-Fraktion. Bei den Ergänzungsleistungen handle es sich um ein bedingungsloses Grundeinkommen und ein solches habe das Stimmvolk auf nationaler Ebene abgelehnt. Der Sozialstaat würde unnötig ausgebaut, denn es gebe schon sehr viele Vergünstigungen und Entschädigungen für Familien an der Armutsgrenze.

Egli erwähnte staatliche Angebote wie die Prämienverbilligung und private Unterstützungsmöglichkeiten, etwa von Stiftungen und Jugendhilfevereinen. Diese Quellen gelte es zuerst auszuschöpfen.

Er kritisierte auch das Hilfswerk Caritas. Dieses setzt sich für Ergänzungsleistungen für Familien ein. Die Caritas setze die Armutsgrenze viel zu hoch an, sagte Egli, nämlich bei 6400 Franken Monatseinkommen für eine Familie mit fünf Kindern.

Josef Widler (Mitte, Zürich) sagte, «das Thema hat in meiner Partei eingeschlagen wie eine Bombe». Er sei selbst in Armut aufgewachsen, «aber mit Mitleid lösen wir das Problem nicht». Und, an die linken Parteien gewandt: «Wenn ihr von den Bürgerlichen Kohle wollt, dann müsst ihr beweisen, dass es sich lohnt.»

Genau das, ob die Zulagen einen Nutzen erzielen, stellte Philipp Müller (FDP) infrage. Er ist als Stadtrat in Dietikon für das Sozialwesen zuständig. Müller ergänzte, dass ein weiteres unnötiges teures System geschaffen würde – und ein Bürokratiemonster. Wer Hilfe brauche, dem werde heute schon geholfen.

Der bürgerliche Tenor lautete also: Ja, es gibt arme Familien, aber es gibt bereits genügend Gefässe und Massnahmen.

Der letzte Strohhalm

Ganz anders sah dies Birgit Tognella (SP, Wangen-Brüttisellen). Sie hatte die parlamentarische Initiative geschrieben. Auch 2025 gebe es Familienarmut in der reichen Schweiz. «Viele Familien sind finanziell am Anschlag», sagte sie. Die Sozialhilfe sei für sie keine Lösung, denn diese sei als Überbrückungsmassnahme konzipiert, nicht als langfristige Unterstützung für erwerbstätige Familien mit einem kleinen Einkommen.

Mit Blick darauf, dass die parlamentarische Initiative chancenlos war, sprach Jeannette Büsser (Grüne, Horgen) davon, dass der zweite Antrag, also die Forderung nach einem unverbindlichen Prüfauftrag, ihr letzter Strohhalm sei.

Der zuständige Regierungsrat und Sicherheitsdirektor Mario Fehr (parteilos) betonte am Ende der Debatte nochmals, dass die Regierung eine zusätzliche Ergänzungsleistung ablehne und eine solche, wenn schon, beim Bund anzusiedeln sei. Sogar die Caritas sage, es brauche eine nationale Lösung.

In der Abstimmung wurde die parlamentarische Initiative der SP wie erwartet abgelehnt, und zwar mit 109 zu 61 Stimmen. Das Postulat, der rettende Strohhalm der Linken, wurde hingegen mit 99 zu 71 Stimmen angenommen. Der Regierungsrat hat nun zwei Jahre Zeit, um einen vertieften Bericht auszuarbeiten.

So funktioniert es im Kanton Solothurn

zge. Der Kanton Solothurn ist der einzige Deutschschweizer Kanton, der Ergänzungsleistungen für Familien kennt. Anspruchsberechtigt sind Working-Poor-Familien mit Kindern unter sechs Jahren. Die Familie muss seit mindestens zwei Jahren im Kanton wohnen. Zentral ist, dass die Eltern arbeiten und ein minimales Einkommen erzielen müssen. Bei zwei Elternteilen im gleichen Haushalt liegt die minimale Einkommensschwelle bei brutto 30 000 Franken pro Jahr. Eine fixe Obergrenze gibt es nicht; entscheidend ist, ob die Kosten die Einnahmen übersteigen. Der Kanton Solothurn gibt für die Familienzulagen rund 10 Millionen Franken pro Jahr aus. Etwa 1500 Familien erhalten die Hilfe.

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