Donnerstag, Oktober 3

FDP, SVP und Mitte wollen in den Gemeinden separate Steuerfüsse für Private und Firmen einführen, um den Standortwettbewerb zu fördern.

Die Höhe der Steuerrechnung ist für die Wahl des Standorts eines Unternehmens nicht der einzige, aber ein sehr wichtiger Faktor. Selbst innerhalb des gleichen Kantons können dabei die Unterschiede gross sein.

Dies zeigt sich etwa im Kanton Zürich. Ein Unternehmen mit einem Kapital von einer Million Franken und einem Reingewinn von 50 000 Franken bezahlt in der günstigsten Zürcher Gemeinde, in Kilchberg, nicht ganz 3400 Franken in die kommunale Kasse ein. In der teuersten Gemeinde, in Maschwanden, sind es hingegen gut 6000 Franken, also beinahe doppelt so viel. Dies belegen Auswertungen mit dem Zürcher Online-Steuerrechner.

Dazu kommen die kantonalen Steuern (4165 Franken) und die Bundessteuern (4250 Franken). Diese Beträge sind in allen Zürcher Gemeinden gleich hoch. Die Unterschiede zwischen den Gemeinden entstehen durch den Steuerfuss. In Kilchberg liegt dieser bei nicht ganz 80 Prozent, in Maschwanden beträgt er rund 143 Prozent.

Ein faireres System

Im Kanton Zürich müssen die Gemeinden sowohl für Private wie für Unternehmen jeweils den gleichen Steuerfuss anwenden. Eine Gemeinde, die für Firmen teuer ist, ist es also immer auch für Private.

Selbstverständlich ist diese Parallelität nicht. Diverse Kantone, darunter Solothurn und Schaffhausen, erlauben für natürliche und juristische Personen unterschiedliche kommunale Sätze.

Der Vorteil eines solchen Systems liegt auf der Hand: Mit zwei Stellschrauben kann eine Gemeinde ihre Steuererträge viel einfacher optimieren als mit einer. Sie kann zum Beispiel ihren Steuerfuss für juristische Personen senken, um für ansiedlungwillige Firmen attraktiver zu werden, ohne dass bei den privaten Steuerzahlern die Erträge einbrechen – und umgekehrt.

Geht es nach dem Willen der FDP, der SVP und der Mitte, soll der Kanton Zürich dem Beispiel Solothurns und Schaffhausens folgen und ebenfalls unterschiedliche kommunale Steuersätze für Private und für Firmen einführen.

Der Zürcher FDP-Kantonsrat Mario Senn (Adliswil) hat eine entsprechende Motion im Kantonsrat eingereicht. Er begründet seine Forderung mit dem Fairnessgedanken. Vor allem aber sollen die Gemeinden gestärkt werden.

«Es gibt Gemeinden mit geografischen Vorteilen», sagt Senn. «Opfikon zum Beispiel profitiert sehr stark von der Flughafennähe, und dagegen ist natürlich überhaupt nichts einzuwenden. Aber weniger günstig gelegenen Gemeinden fehlen heute die Werkzeuge, um ihre geringere Standortattraktivität über einen tieferen Steuerfuss auszugleichen.»

Besonders frappant seien die Nachteile für Zürcher Gemeinden, die in unmittelbarer Nachbarschaft zu günstigen ausserkantonalen Orten lägen, etwa Horgen neben Baar (ZG) oder Richterswil neben Wollerau (SZ). «Sie können gegen die Konkurrenz vor ihrer Haustür nichts ausrichten», sagt Senn.

SP fürchtet einen «race to the bottom»

Unterstützung erhalten Senn und seine Mitstreiter von Thomas Henauer. Er ist der Finanzverantwortliche von Thalwil. «Es ist grundsätzlich zu begrüssen, wenn Gemeinden in Steuerfragen mehr Autonomie erhalten», sagt der FDP-Politiker.

«Heute kann eine Gemeinde einem ansiedlungswilligen Unternehmen vielleicht das Bauland etwas günstiger abgeben oder eine Bushaltestelle vor die Haustür stellen. Ein tieferer Steuerfuss wäre ein viel stärkeres Instrument.»

Nicht auf Zuspruch stösst die Idee bei der Linken. Michèle Dünki-Bättig ist als Gemeinderätin von Glattfelden ebenfalls für die Finanzen und Steuern verantwortlich. Zudem sitzt sie für die SP im Kantonsrat und führt die Kantonalpartei als Co-Präsidentin. «Aus unserer Sicht führt jede Differenzierung bei den Steuerfüssen zu einem ‹race to the bottom›», sagt sie – also zu einem Wettlauf, bei dem sich Konkurrenten gegenseitig unterbieten. «Das haben wir immer abgelehnt.»

Im Standortwettbewerb würden der Kanton Zürich und seine Gemeinden mit Faktoren wie den erstklassigen Bildungsinstitutionen oder der hohen Lebensqualität überzeugen und nicht mit tiefen Steuern.

Tatsächlich haben sich prestigeträchtige Unternehmen wie Google für den Kanton Zürich entschieden, obwohl dieser im schweizweiten Ranking der Unternehmenssteuern auf dem letzten Platz liegt. Gleichzeitig hat allerdings auch die Kantonsregierung unlängst bekanntgegeben, dass die Unternehmenssteuern zu hoch sind und gesenkt werden müssen.

In Schaffhausen bezahlen Firmen sogar mehr als Private

Im Kanton Schaffhausen, der die unterschiedlichen Steuersätze für Unternehmen und Private schon lange kennt und der viele internationale Grosskonzerne ansiedeln konnte, hat man gute Erfahrungen mit dem dualen System gemacht. «Es ermöglicht auch auf Gemeindeebene eine gezielte Standortpolitik sowohl unter dem Aspekt des Wohnstandortes als auch dem des Unternehmensstandortes», sagt Daniel Preisig (SVP), der im Schaffhauser Stadtrat für die Finanzen zuständig ist.

Rund 60 Prozent der Schaffhauser Gemeinden, auch solche mit einer vergleichsweise hohen Steuerbelastung, verzichten allerdings auf unterschiedliche Steuersätze für Private und für Firmen. Die Kann-Regelung ist also überhaupt kein Muss. Zwei Gemeinden, darunter die Kantonshauptstadt, besteuern die Unternehmen sogar stärker als die Einwohner.

Von einem ausgeprägten «race to the bottom» ist somit nichts zu sehen, dies aber auch aufgrund einer von aussen verordneten Barriere: Wegen der OECD-Mindestbesteuerung habe die Stadt Schaffhausen den Steuerfuss für juristische Personen in den letzten Jahren nicht mehr weiter gesenkt, sagt Preisig. Es sei darum gegangen, zu verhindern, dass die Gesamtbesteuerung für Grossunternehmen das Minimum von 15 Prozent unterschreite.

Gegenwärtig bestünden sogar Bestrebungen, den Steuerfuss für juristische Personen über alle Schaffhauser Gemeinden zu vereinheitlichen, um so Rechtssicherheit für Grossunternehmen zu schaffen.

Während der eine Kanton also über die Einführung von individuellen kommunalen Sätzen für Unternehmen nachdenkt, überlegt sich ein anderer eine Harmonisierung.

Bis der Kanton Zürich sich für oder gegen eigene kommunale Steuerfüsse für Unternehmen entscheidet, wird es aber sicher noch eine Weile dauern. Früher diskutiert werden dürften die viel weiter gediehenen Steuersenkungspläne der Regierung: Sie will die Gewinnsteuern für Unternehmen von 7 auf 6 Prozent senken. SP, Grüne und AL haben bereits angekündigt, gegen diesen Schritt das Referendum zu ergreifen.

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