Montag, Oktober 21

Bis 2040, allerspätestens aber bis 2050, soll Zürich klimaneutral sein. Das letzte Wort dürfte das Stimmvolk haben.

In der Debatte um den Klimawandel hat sich weltweit eine Jahreszahl als Fernziel etabliert: 2050. Bis dann wollen unter anderem die USA und die EU klimaneutral sein. Auch die Schweiz richtet ihre Klimapolitik auf die Mitte des 21. Jahrhunderts aus.

Universell akzeptiert ist 2050 allerdings nicht. China etwa, verantwortlich für 35 Prozent der weltweiten CO2-Ausstosses, peilt 2060 an. Doch in der kleinen Schweiz gibt es Bestrebungen, das Soll bereits früher zu erreichen. Die Stadt Zürich etwa will schon 2040 auf netto Null sein, die Zürcher Stadtverwaltung selbst strebt für sich sogar 2035 an.

Der Kanton Zürich wiederum definiert netto Null als Ziel für «2040, spätestens aber bis 2050». So hat es der Regierungsrat im Rahmen der langfristigen Klimastrategie beschlossen.

Am Montag ist es im Kantonsparlament nun darum gegangen, eine Jahreszahl ins Energiegesetz zu schreiben und somit als verbindlich zu erklären. Die grosse Frage war, welche Zahl es sein sollte.

Auf der Hand lag der Vorschlag, im Gesetz einfach die genau gleiche Bandbreite zu verankern, die bereits in der Klimastrategie festgelegt worden war, also 2040, spätestens 2050. Dies war denn auch der Vorschlag der Mehrheit der vorberatenden Kommission.

Doch SVP und FDP waren damit nicht einverstanden. Aus ihrer Sicht brauchte es überhaupt keine Änderung des Energiegesetzes. Und wenn doch, dann sollte nur 2050 als Zieljahr ins Gesetz geschrieben werden – dies, weil auch die nationale Klimastrategie auf dieses Jahr ausgerichtet sei.

Die Grünen schliesslich wollten netto Null sogar bereits 2037 erreichen. Dabei orientieren sie sich am Kanton Basel-Stadt, dessen Stimmvolk vor zwei Jahren das entsprechende Ziel angenommen hatte.

Was FDP und SVP mit VW gemeinsam haben

Nun ist es eine Sache, eine Jahreszahl in ein Gesetz zu schreiben. Eine ganz andere ist es, ein Ziel tatsächlich zu erreichen. Diese Diskrepanz sprach Ueli Bamert (SVP, Zürich) im Kantonsrat sofort an.

Die Linke sei sehr gut darin, fromme Wünsche zu äussern, sagte er. Aber den Menschen reinen Wein einzuschenken und zu erklären, wie die Klimaneutralität erreicht werden solle, das würde sie nicht. «Das Gesetz ist weitgehend Symbolpolitik und das braucht es nicht», sagte Bamert.

Dass die Mehrheit der Kommission 2040 anstrebe, sei reine Wunschzettelpolitik. Und dass die Grünen sogar noch 2037 forderten, sei fast nicht der Rede wert. Man liefere sich ein kindisches Überbieten.

Ganz anders sah es die SP. «Die Zeit drängt», sagte Markus Bärtschiger (Schlieren). Es brauche ein griffiges Gesetz, das für den Kanton wie für die Gemeinden eine Handlungsgrundlage darstelle. 2040 sei ein hoch gesetztes Ziel, aber machbar. Den Vorschlag der Grünen, 2037, lehne die SP allerdings ab, sagte Bärtschiger.

Der zuständige Baudirektor, Martin Neukom (Grüne), spannte den Bogen weit. Er erwähnte, dass Grossbritannien soeben das letzte Kohlekraftwerk abgeschaltet habe. Dann richtete sich sein Blick nach Deutschland. Dort, sagte er, «hat VW die Elektromobilität komplett verschlafen.» Der Autohersteller habe am Verbrennungsmotor festgehalten, sogar Tests manipuliert. «Und jetzt ist es ganz offensichtlich, dass die Chinesen die besseren Elektroautos bauen. »

Neukom wollte mit diesem Beispiel die wirtschaftsfreundlichen Kräfte im Rat warnen: Wenn die Wirtschaft den Klimaschutz nicht erst nimmt, dann bekommt es ihr nicht gut. Und wer, wie die FDP und die SVP, sich ganz gegen eine Gesetzesänderung sperre, der wolle einfach, dass sich nichts ändere. «Das erinnert mich an das Mindset von Volkswagen», sagte er.

2030 als grosses Zwischenziel

Der Antrag der beiden grossen bürgerlichen Parteien, gar nicht erst auf die Revision des Gesetzes einzutreten, scheiterte allerdings deutlich und damit war der Weg frei für die Detailberatung. Diese widmete sich zuerst der Frage, ob der Kanton Zwischenziele ins Gesetz schreiben solle und wenn ja, welche.

Auch dazu lagen drei Varianten vor. Erstens: Bis 2030 48 Prozent weniger Emissionen als 1990. Das war der Antrag der Kommissionsmehrheit. Zweitens: Bis 2030 55 Prozent weniger als 1990 und dann bis 2035 80 Prozent weniger. Dieser etappierte Vorschlag kam von SP und Grünen. Drittens: gar kein Zwischenziel. Das beantragten SVP und FDP.

David Galeuchet (Grüne, Bülach) sagte, ihr Vorschlag orientiere sich an der EU. Auch diese wolle ihre Emissionen bis 2030 um 55 Prozent reduzieren. Doch dieser Antrag blieb genau so chancenlos wie die Idee der Bürgerlichen, gar kein Zwischenziel im Gesetz festzulegen. Die Mehrheit des Rats entschied sich für den Kommissionsantrag, also 48 Prozent weniger bis 2030.

Delikate Lage der FDP

Schliesslich kehrte das Parlament zur Kernfrage zurück: Welches Zieljahr soll für netto Null nun festgelegt werden? Sarah Fuchs (FDP, Meilen) machte sich nochmals für 2050 stark. Das Schweizer Stimmvolk habe 2023 Ja zu netto Null bis 2050 gesagt. «Wir halten uns an dieses Verdikt», sagte sie.

Die FDP befand sich allerdings in einer etwas delikaten Lage: In der Stadt Zürich hatten die Freisinnigen nämlich das Netto-null-Ziel 2040 unterstützt. Fuchs sprach dies von sich aus an.

Die Ausgangslage in der Stadt Zürich sei eine andere, sagte sie. Die Stadt könne dank dem gut ausgebauten öV, der Fernwärme und mit viel Geld 2040 schaffen. «Wir gratulieren jeder Gemeinde, die netto Null vor 2050 erreicht», sagte sie. «Der Kanton Zürich besteht aber nicht nur aus der Stadt Zürich.»

Ueli Bamert von der SVP warf ein, dass es in einigen Punkten gar nicht in der Hand des Kantons liege, Verschärfungen zu erlassen. «Wir können niemandem verbieten, ein Benzinauto zu kaufen», sagte er. «Ein Verbot wäre Sache des Bundes.» Ausserdem bringe es nichts, wenn sich Zürich ein Bein ausreisse, und dann noch eines, wenn der Rest der Welt nicht mitmache. Er sei überzeugt, sagte Bamert, dass die Welt noch in diesem Jahrhundert vom Öl wegkomme. «Aber nicht bis 2050.»

In der Abstimmung fiel der Entscheid dann deutlich aus. Der Kanton Zürich muss sein Nettoziel 2040 erreichen, spätestens aber bis 2050.

Zu Ende beraten ist das Gesetz damit noch nicht. Am 25. November wird es weitergehen. Vor allem aber könnte es eine Volksabstimmung geben. Sowohl die SVP als auch die FDP haben angekündigt, ein Referendum sehr ernsthaft zu prüfen.

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