Mittwoch, April 2

Die Linke fürchtet riesige Ausfälle, die Bürgerlichen erhoffen sich sogar Mehreinnahmen – die Abstimmung vom 18. Mai im Überblick.

Zürich ist für Unternehmen ein sehr teures Pflaster. Dies nicht nur wegen der Löhne und der Immobilienpreise, sondern auch wegen der Steuern. Mitte Mai kommt nun eine Vorlage an die Urne, welche die Firmen steuerlich entlasten soll.

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Worum geht es bei der Abstimmung?

Der Gewinnsteuersatz für Unternehmen im Kanton Zürich soll um einen Prozentpunkt gesenkt werden, von 7 auf 6 Prozent. Dies schlagen der Regierungsrat und eine Mehrheit des Kantonsparlaments vor. Bei der Senkung handelt es sich um den zweiten Schritt der Steuervorlage 17: Bereits 2019 hatten die Zürcher Stimmberechtigten einer Senkung von 8 auf 7 Prozent zugestimmt, und schon damals tönte die Regierung an, dass eine weitere Senkung im Raum stehe.

Gegen diese zweite Etappe wurden aus linken Kreisen gleich drei Referenden ergriffen: das Kantonsratsreferendum, das Gemeindereferendum und das Volksreferendum.

Warum sollen die Gewinnsteuern gesenkt werden?

Die Steuersenkung soll ein Mittel sein, um Abwanderungen von Unternehmen zu reduzieren und den Kanton attraktiver für Zuzüge zu machen. Denn der Wirtschaftsstandort Zürich ist bei den Unternehmenssteuern ins Hintertreffen geraten. Im Vergleich mit anderen Kantonen hat Zürich in den letzten Jahren stark an Boden verloren – er hat 12 Plätze eingebüsst. Nur im Kanton Bern bezahlen Unternehmen noch höhere Steuern. Konkurrenten wie Basel-Stadt, Genf und Waadt haben ihre Sätze alle schon gesenkt.

Gibt es ein Loch bei den Erträgen?

Die Antwort scheint auf der Hand zu liegen. Wenn Unternehmen weniger Gewinnsteuern abliefern müssen, dann sinken auch die Einnahmen des Kantons und der Gemeinden. Doch ganz so einfach ist es nicht. Der Kanton Zürich ist kein geschlossenes System; Unternehmen können von vorteilhaften Bedingungen angelockt und von weniger vorteilhaften vertrieben werden. Und natürlich beeinflussen auch ganz andere Entwicklungen die Höhe der Unternehmenssteuern, etwa die Wirtschaftslage.

Der Kanton Zürich hat zu den möglichen Folgen einer Steuersenkung eine Untersuchung bei BAK Economics in Auftrag gegeben. In der Studie werden verschiedene Szenarien durchgespielt. Im wahrscheinlichsten Fall – und von diesem geht der Regierungsrat aus – muss der Kanton nur mit sehr minimalen Steuerausfällen rechnen (2 Millionen Franken pro Jahr). Grösser sind die Ausfälle bei den Gemeinden, rund 40 Millionen Franken. In den ersten zwei Jahren will der Kanton besonders betroffene Gemeinden deshalb mit jeweils 20 Millionen Franken unterstützen.

Die Regierung weist darauf hin, dass die Steuererträge nach der ersten Senkung der Gewinnsteuer von 8 auf 7 Prozent nicht zurückgingen. In anderen Kantonen, welche ihre Gewinnsteuern zum Teil sehr deutlich senkten, sind die Erträge sogar gestiegen.

Was sagen die Befürworter?

Eine breite Allianz aus Parteien und Verbänden spricht sich für die Senkung der Gewinnsteuern aus. Zu ihnen gehören SVP, FDP, Mitte, GLP und EDU, die Zürcher Handelskammer, die Gewerbeverbände von Stadt und Kanton Zürich, der Zürcher Bankenverband und die Arbeitgeber Zürich.

Sie argumentieren, dass der Kanton Zürich in den letzten sieben Jahren netto über tausend Unternehmen durch Abwanderungen in andere Kantone verloren habe. Sie hätten nicht nur ihre Steuern mitgenommen, sondern auch ihre Arbeitsplätze und Lehrstellen.

Gleichzeitig sei das Pro-Kopf-Wachstum des kantonalen BIP in den letzten zehn Jahren deutlich hinter dem anderer Kantone zurückgeblieben. Zürich müsse etwas unternehmen, um wettbewerbsfähiger zu werden, und die Steuersenkung sei ein wichtiger Schritt.

Was sagen die Gegner?

Gegen die Steuersenkung sprechen sich die linken Zürcher Parteien aus. SP, Grüne, AL und EVP argumentieren, dass die Pläne den Kanton und die Gemeinden viel stärker belasten könnten als von der Regierung vorgerechnet. Sie befürchten, dass sich die Ausfälle auf rund 350 Millionen Franken pro Jahr belaufen. Dieses Geld fehle dann an anderer Stelle, etwa bei der Bildung, in der Gesundheit, dem Klima- oder dem Naturschutz. Während Unternehmen von den Steuersenkungen profitierten, müssten die einfachen Einwohner des Kantons die Folgen tragen.

Auch die Stadt Zürich hat sich gegen die Steuersenkung ausgesprochen. Sie führt ins Feld, dass ihr der tiefere Steuersatz Ausfälle von 110 Millionen Franken bescheren werde. Mögliche Folgen seien eine höhere Verschuldung, ein Investitionsstopp – oder höhere kommunale Steuern.

Die Gegner der Steuersenkung bemängeln weiter, dass ein ursprünglich geplanter Kompensationsmechanismus wieder gestrichen worden sei. Tatsächlich hatte der Regierungsrat vorgeschlagen, im Gegenzug zur Gewinnsteuersenkung die Besteuerung von Dividenden für bedeutende Aktionäre zu erhöhen. Doch im Kantonsparlament wurde dieser Teil der Vorlage entfernt, es verblieb einzig die Senkung der Gewinnsteuern.

Die Position der NZZ

Der Kanton Zürich hat bei den Unternehmenssteuern den Anschluss verpasst. Noch 2006 lag er im kantonalen Vergleich im Mittelfeld, doch seit damals haben sich viele Kantone weiterentwickelt und ihre Gewinnsteuern gesenkt. Der Kanton Zürich ist fast ans Ende der Tabelle abgerutscht.

Daraus entstehen ihm Nachteile: Er ist erstens für ansiedlungswillige Unternehmen steuerlich vergleichsweise unattraktiv geworden und zweitens für hiesige Unternehmen verhältnismässig teuer. Für beide Gruppen von Unternehmen kann es wirtschaftlich sinnvoll sein, sich nach anderen Standorten umzusehen, zum Beispiel in den Nachbarkantonen.

Eine moderate Reduktion der Gewinnsteuer von 7 auf 6 Prozent wird Zürich nicht zu einem Tiefsteuerkanton werden lassen. Aber er wird im Standortwettbewerb wenigstens etwas bessere Karten haben. Kurzfristig kann die Steuersenkung zwar zu tieferen Einnahmen führen, langfristig aber dürften die Einnahmen steigen. Dies zeigen die Erfahrungen von früheren Steuersenkungen und anderer Kantone sehr deutlich.

Es wäre fahrlässig, wenn der Kanton Zürich die Steuersenkungen der konkurrierenden Kantone ignorieren und sich darauf verlassen würde, dass die Unternehmen die teuren Zürcher Tarife einfach hinnehmen werden.

Mit jedem Unternehmen, das in einen anderen Kanton zieht, verliert Zürich nicht nur Steuereinnahmen, sondern auch Arbeitsplätze und private Steuerzahler. Dieser Entwicklung muss sich der Kanton entgegenstellen.

Aus diesen Gründen empfiehlt die NZZ ein Ja zur Steuervorlage.

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