Mittwoch, Februar 5

Sauber präsentiert in London den neuen Rennwagen, der Gründername wird zum blossen Anhängsel des Teams aus Hinwil. Der Trend droht die ganze Rennserie zu erfassen – finanzielle Zwänge erklären ihn.

In der Formel 1 herrscht Premierenfieber, knapp vier Wochen vor Saisonbeginn in Bahrain haben die Rennwagen Form und Gestalt angenommen. Es ist das bekannte Schaulaufen und die Phase, in der allerorten übermässiges Selbstbewusstsein an den Tag gelegt wird. Noch weiss keiner, ob die Inszenierungen ihre Versprechen auch auf dem Asphalt halten werden.

Der Schweizer Rennwagen mit der Bezeichnung C44 ist einer der ersten, die gezeigt werden. Den Rahmen bildet am Montagabend die Guildhall, das historische Rathaus von London. Ausser dem C im Kürzel, das dem Vornamen von Peter Saubers Ehefrau Christiane geschuldet ist, ist es allerdings nicht mehr weit her mit Traditionen. Die Fans des Rennstalls werden sich zunächst mühsam an eine neue offizielle Bezeichnung gewöhnen müssen: Stake F1 Team Kick Sauber. Damit wird der Gründername zum blossen Anhängsel des Teams aus Hinwil.

Sponsoren nutzen die Formel 1 für ihre eigenen Interessen

Schon die Namensspielerei allein wirft grundsätzliche Fragen auf. Es geht nicht darum, dass Hauptgeldgeber nicht zu ihrem Recht kommen dürfen, immer wieder mogeln sich Sponsoren in die Nennlisten, damit ihnen die Erfolge zugeschrieben werden. Dafür bezahlen sie zwar, auf eine öffentliche Nennung oder gar die Aufnahme in den Sprachgebrauch können sie allerdings nicht ernsthaft hoffen. Aber sie können die populäre Formel 1 für ihre Interessen nutzen.

Sauber startete 1993 noch als «concept by Mercedes», der erste Sponsor im Team-Namen war 1994 dann Broker, ein unrühmliches Finanzunternehmen. Danach wurden Red Bull und Petronas Bestandteil des Firmennamens, lediglich 7 der 31 Jahre in der Königsklasse war man als Sauber F1 Team am Start. Die vergangenen sechs Rennjahre waren streng genommen ein Fake, Alfa Romeo wollte sein Image durch einen Marketing-Deal aufwerten, technisch waren die Italiener nicht aktiv. Aber der gekaufte Name hatte seinen Klang, und das war die Idee.

Richtig funktioniert hat das bei den traditionsbewussten Fans nicht, sie hatten zu jeder Zeit von Sauber gesprochen, selbst während der BMW-Ära von 2006 bis 2009, als die Münchner den vollen Anspruch auf das Werksteam hatten. Immerhin wusste man auch da, wer und was sich hinter dem Team verbirgt. Aber jetzt? Weder alte noch neue Freunde des Motorsports dürften sich unter «Stake» oder «Kick» besonders viel vorstellen können. Spoiler: Stake ist ein Anbieter von Online-Casino und Krypto-Sportwetten, Kick ist eine Streaming-Plattform – beide Unternehmen sind miteinander verbandelt und australischer Herkunft. Hausfarbe ist ein auffälliges Neon-Grün, und der hohe Anspruch zeigte sich im Motto der Auto-Präsentation: «Das ist eine Einladung in die Zukunft.»

Nicht nur Traditionalisten machen sich Sorgen um die Identität der Teams, wenn sie nur noch virtuell zuzuordnen sind. Es könnte der Anfang eines verhängnisvoll erscheinenden Trends sein. Mit der Saison 2024 ist auch der Talentschuppen von Red Bull, bisher «Toro Rosso» und «Alpha Tauri», verschwunden. Die neue Bezeichnung wurde verlängert, aber der Sinn verstümmelt, seit der Rennstall nach Wünschen der Besitzer «Visa Cash App RB Formula 1 Team» heissen soll.

Die Verzweiflung bei den Fans und den Fernsehkommentatoren ist gross, sie präferieren momentan die Abkürzung VCARB für das Gebilde. Man stelle sich nur vor, wie ein Zweikampf zwischen Daniel Ricciardo und Valtteri Bottas unter Angabe ihrer Autos geschildert werden müsste: «. . . und jetzt geht der Finne in seinem Stake F1 Team Kick Sauber am Visa Cash App RB Formula 1 vorbei.» Ganz korrekt müssten übrigens, wie in der Konstrukteurswertung üblich, noch die Motorenhersteller genannt werden. Bei RB wäre das Honda, bei Sauber ist es Ferrari. Möchte jemand so ein Wortungetüm hören?

Unter anderem im Leihtriebwerk aus Maranello liegt begründet, warum die künftigen Sauber-Mehrheitseigner von Audi noch nicht mit vollem Namen einsteigen. Den ersten Aufschlag als Werksteam in der Saison 2026 wollen sich die Ingolstädter nicht vorher verwässern lassen. Zudem braucht das im Umbau befindliche Team bis dahin eine zweistellige Millionensumme von Sponsoren für die laufenden Kosten, und grosse Geldgeber sind auch in der Formel 1 nicht so einfach zu gewinnen, wenn man nicht ganz vorne mitfährt.

Die Formel 1 ist eben eine extrem teure Branche, es braucht diese zusätzlichen Geldgeber. Ein Motorsport-Magazin kommentierte den Trend bei den Team-Namen treffend: «Der Kniefall vor der Gier.»

Wegen eines Werbeverbots muss Sauber den Zweitnamen verwenden

Die Unverwechselbarkeit von Rennstallnamen müsste unter einen besonderen Schutz gestellt werden. Denn es ist Unsinn, wenn die breite Masse nicht mehr weiss, worum es geht oder was sich hinter den Namen verbirgt. Denn so schnell, wie viele Sponsoren die Formel 1 wieder verlassen und durch andere Namen ersetzt werden, wird die Verwirrung immer grösser. Derzeit darf Stake wegen des Werbeverbots für Glücksspiel nicht in allen Ländern genannt werden, deshalb muss Sauber den Zweitnamen Kick verwenden.

Setzen sich die Aliasse inflationär durch, so hat das automatisch eine gewisse Beliebigkeit zur Folge. Als 1968 Lotus das klassische britische Racing Green aufgab, um für eine Zigarettenmarke zu Gold Leaf Lotus mit entsprechender Farbgebung zu werden, war das der Anfang der Rennwagenwerbung. Aber Lotus blieb Lotus. So wie Sauber im Übrigen immer noch Sauber ist.

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