Freitag, April 18

Er nennt sich König der Schweiz und «erobert» reihenweise herrenlose Grundstücke. Auf den Spuren einer Medienfigur.

Jonas Lauwiner liebt es aufzufallen. 2019, als er seine Krönung feierlich inszenierte. Fünf Jahre später, als er mit einem selbstgekauften DDR-Panzer auf den Bundesplatz fuhr. Oder auf der Website seines «Lauwiner Empire», wo er sich in Militäruniform mit Mitgliedern seiner sogenannten Legion bei militärischen Übungen zeigt.

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Auch in den Medien sorgt Lauwiner immer wieder für Aufsehen. So Anfang April, als er eine Reihe weiterer Grundstücke erwarb. Inzwischen gehören ihm rund 110 000 Quadratmeter Land in der ganzen Schweiz: Feld- und Quartierstrassen, Wald- und Wiesenstücke, aber auch Wohnungen und ein altes Fabrikgebäude in Burgdorf.

Lauwiners Königsfigur und sein selbsterklärtes Imperium erinnern auf den ersten Blick an den selbsternannten «König von Deutschland», Peter Fitzek, und die Bewegung der Reichsbürger. Fitzek kauft Immobilien in Deutschland, lehnt deutsche Gesetze und die deutsche Justiz ab und unterhält Kontakte zu antisemitischen russischen Sekten. Er kam mehrfach in Konflikt mit dem Gesetz, wurde verurteilt und sass in Haft. Ist Lauwiner das Schweizer Pendant des Staatsverweigerers? Oder nur ein harmloser Exzentriker?

Immer wieder Konflikte mit Anwohnern

Als Jonas Lauwiner ans Handy geht, sitzt er gerade im Auto, ist unterwegs in den Kanton Schwyz. Dort gibt es Streit, seit die Anwohner des Quellenwegs in Unteriberg erfahren haben, dass der Dorfweg dem «König» gehört. Unteriberg ist nicht der einzige Ort, wo es Konflikte gibt: 83 Strassen und Wege besitzt er in der Schweiz. Er sagt: «Meistens, wenn Anwohner erfahren, dass ich ein Grundstück in ihrer Gemeinde erworben habe, kommt es zur Krise, richtig kindisch.»

Direkt mit ihm Kontakt aufnehmen würden nur wenige, er werde von vornherein als Querulant verschrien. Das sei er nicht, betont Lauwiner. Schuld an diesem Bild sei die Berichterstattung in den Medien: «Viele Artikel, die über mich geschrieben wurden, enthalten Fehler oder Verdrehungen.» Etwa, dass er sich selbst «König von Burgdorf» nenne. Diesen Titel hätten ihm die Medien gegeben, er selbst habe sich stets als König seines «Lauwiner Empire» bezeichnet. Doch wenn es ihm passt, übernimmt er auch Erfindungen aus den Medien. Seit deutsche Medien ihn als «König der Schweiz» betitelten, nennt er sich so: «Der Titel passt. Ich besitze mittlerweile Grundstücke in neun Kantonen. Und einen König gab es in der Schweiz noch nie, also bin ich es jetzt.»

Der Traum vom eigenen Stück Land

Lauwiner kam am 15. September 1994 in Unterseen zwischen Thuner- und Brienzersee zur Welt. Sein Vater stammt aus dem Wallis, seine Mutter ist Marokkanerin. Lauwiner wuchs in durchschnittlichen Verhältnissen auf. Er habe nicht weniger, aber auch nicht mehr als andere gehabt. «Zu meinen schönsten Erinnerungen aus der Kindheit gehört der Tag, als ich einen Gameboy ausleihen durfte», so erinnert er sich. «Ich habe die ganze Nacht durchgespielt, das war der Wahnsinn!»

Schon als Kind und Jugendlicher habe ihn alles Mögliche fasziniert, erzählt Lauwiner. Die Titanic, das Römische Reich, das britische Empire oder der Weltraum begeisterten ihn. Wer ihm zuhört, bekommt den Eindruck eines Nerds mit Bubenträumen. Die er jetzt verwirklicht.

Die Idee vom eigenen Imperium kam ihm 2014. Damals hatte Lauwiner die Lehre als Automatiker abgeschlossen – heute arbeitet er in der Industrial IT und Automation für ein Pharmaunternehmen – der Lohn damals reichte knapp bis zum Ende des Monats. Er träumte von einem eigenen Stück Land, versprach sich davon Freiheit und finanzielle Sicherheit. An seinem 20. Geburtstag ging der Traum in Erfüllung: Sein Vater schenkte ihm eine kleine Wiese in der Walliser Gemeinde Leuk. Er hatte sie bei einer Auktion ersteigert. Lauwiner wollte mehr.

Eroberungen in der Schweiz und Business in der Ukraine

Aus Neugier habe er im Grundbuch von Leuk nachgeschaut, wer alles rund um seine eigene Wiese Land besitze, erzählt Lauwiner. Dabei sei er auf ein Stück Land ohne Besitzer gestossen. Das könne doch nicht sein, in der Schweiz ein Fleck Land, der niemandem gehöre! Lauwiner, der Gesetzestexte als seine Lieblingslektüre nennt (mindestens 10 bis 15 Minuten pro Tag widme er sich StGB, ZGB, OR, Waffengesetz), begann zu recherchieren und stiess auf die Dereliktion.

Mit einer Dereliktion gibt ein Eigentümer sein Grundstück auf, ohne dass es an einen neuen Eigentümer übergeht. Wer die besitzerlosen Grundstücke findet, kann sie sich gemäss Zivilgesetzbuch aneignen, manchmal für nur wenige hundert Franken. Genau das tat Lauwiner. Zuerst mit der Nachbarwiese in Leuk, dann mit immer mehr herrenlosen Grundstücken, auch in anderen Kantonen. Seinen Besitz taufte er «Lauwiner Empire». Seither wächst sein Reich, nicht nur in der Schweiz.

2017 begann er in der Ukraine Land zu erwerben. Dazu gehörten Bauland ausserhalb von Kiew sowie eine Dachwohnung in der Kleinstadt Irpin, westlich der ukrainischen Hauptstadt. Die Idee sei gewesen, Land und Immobilien zu kaufen, die wegen des damals im Donbass schwelenden Krieges stark unterbewertet waren. Sein Plan war, die Grundstücke zu einem höheren Preis zu verkaufen, wenn sich die Situation einmal entspannt hätte. Es kam anders. Die Wohnung in Irpin habe er nach Ausbruch des Krieges ohne Gewinn wieder verkauft. Weitere Projekte in der Ukraine seien sistiert.

«Eigentlich bin ich einfach ein Geschäftsmann, der Immobilien erwirbt», sagt Lauwiner. Einen Teil davon vermietet er, darunter Räumlichkeiten in der alten Fabrik bei Burgdorf. Darüber, wie viel Geld er investiert und eingenommen hat, will er nicht sprechen. Dass er weiterhin arbeitet, obwohl er angeblich von den Immobilien leben kann, begründet Lauwiner damit, dass er bodenständig bleiben wolle: «Die regelmässige Arbeit ermöglicht mir das, so bleibe ich in Kontakt mit normalen Menschen.»

Exzentrisches Hobby, Grössenwahn oder Querdenker?

So ein normaler Mensch sei auch er selbst, trotz der Königs-Persona. Er halte sich an Gesetze, bezahle Steuern, erfülle seine Pflichten. Auch Lauwiners Phantasieimperium achtet laut der Website die Schweizer Gesetze. Mit dieser Haltung unterscheidet er sich wesentlich vom deutschen Möchtegernkönig Fitzek, der sich gegen den deutschen Staat und dessen Rechtsordnung stellt. Nur eine Bürgerpflicht hat Lauwiner nicht erfüllt.

Er, der sich gerne in militärischer Ausrüstung, im Schiessstand und beim Panzerfahren zeigt, habe nicht in der Schweizer Armee gedient. Warum, will er nicht sagen. Ob er in Marokko den Militärdienst absolviert hat? Dem Herkunftsland seiner Mutter, dessen Staatsbürgerschaft er auch besitze? Lauwiner schweigt, sagt dann: «Kein Kommentar.»

Kein Schweizer Militärdienst, keine Auskunft über die Finanzen: Es gibt mehrere Themen, über die Lauwiner nicht spricht, die undurchsichtig bleiben. Warum? Hat er etwas zu verbergen?

Mit dem fiktiven Charakter in die echte Politik

Seit Anfang Jahr hat Lauwiner auch ein reales politisches Amt. Er sitzt im Stadtrat (Gemeindeparlament) von Burgdorf. Bei den Wahlen 2024 gewann er einen Sitz für seine Partei namens «König Jonas Lauwiner im Dienst für die Burgdorfer».

Mitglieder des Stadtrats sagen, dass Lauwiner einen ganz normalen Eindruck auf sie mache. An den Ratssitzungen erscheine er in Zivil und komme danach auch mit auf ein Bier. Die Königsfigur sei harmlos. Er sei halt ein Paradiesvogel, mehr nicht. In Gesprächen sei er umgänglich, aber mit pointierter politischer Meinung.

Lauwiner bezeichnet sich selber als eher bürgerlich, wovon auch sein Votum gegen eine Tempo-30-Motion der Grünen im Burgdorfer Stadtrat zeugt: «Ich bin für eine Politik des gesunden Menschenverstands, gegen zu viele Vorschriften und Verbote.»

Er liebäugelt auch mit höheren Ämtern. Als Stadtpräsident kandidierte er bereits, erfolglos. Würden ihn die Schweizer wählen, er würde auch National- oder Bundesrat werden. Sogar König mit echten Machtbefugnissen zu sein, schliesst er nicht aus, wenn sich das eine Mehrheit der Schweizer so wünschte.

Noch gibt es dieses Amt nicht. Es ist aber auch nicht explizit verboten. Was würde er machen, wenn die Schweiz formal festhalten würde, dass es hierzulande keinen König geben dürfe?

Lauwiner lacht: «Das fände ich sehr lustig, wenn nur meinetwegen so etwas verboten werden würde.» Dann würde er sich halt ein neues Hobby suchen.

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