Sonntag, November 24

Der Filmregisseur Thomas Imbach hat sich mit der Kamera auf den Weg nach Rolle gemacht, um Jean-Luc Godard zu treffen. So ist eine filmische Rêverie über das Kino und das eigene Leben entstanden.

Thomas Imbach, der grosse Einzelgänger des Schweizer Kinos, macht sich zusammen mit seinem Tonmann während der Pandemie zu Fuss auf eine Reise von Zürich nach Rolle am Genfersee. Dort hofft er sein Idol Jean-Luc Godard anzutreffen. Zunächst aber gilt es, die körperlichen Defizite zu überwinden, die richtigen Schuhe zu wählen und mit der eigenen Geschichte klarzukommen.

Beim Film «Say God Bye» handelt es sich um den Versuch eines humorvollen Selbstporträts im Schatten eines Idols und um ein Plädoyer für den Kampf gegen Windmühlen. Imbach mischt Ausschnitte aus Godard-Filmen mit eigenen Aufnahmen, insbesondere mit Filmschnipseln von der Reise mit dem Tonmann David Charap, den er liebevoll Sancho Panza nennt.

Begegnungen unterschiedlicher Art

Die beiden stretchen ihre Sehnen und Muskeln, klagen über Schmerzen, diskutieren, scherzen, zweifeln und treffen auf unterschiedliche Menschen. Auf einen Drohnenpiloten zum Beispiel oder einen Bauarbeiter, der die Islamisierung fürchtet.

Die Bilder sind beiläufig, teilweise bewusst chaotisch. Formal und stilistisch hält sich Imbach wie gewohnt nicht zurück. Man weiss nie, was als Nächstes kommt. Manchmal lehnt er sich an Godards Stilistik an, manchmal filmt er schlicht, was ihm vors Objektiv kommt. Mal überblendet er Godards Gesicht auf dem Wasser des Genfersees, mal filmt er Radfahrer, die sich darüber beschweren.

In der wilden Aneinanderreihung der Bilder entsteht eine «Rêverie», wie Imbach das nennt, ein Versuch, die Bedeutung des Kinos in scheinbar belanglosen Streifzügen neu zu entdecken. Man spürt, dass die Liebe zum Kino auch eine Abgrenzung bedeutet, eine besondere Lebensweise.

Die Pilgerfahrt zu Godard, die für Imbach auch eine Reise in die eigene vierzigjährige Filmarbeit bedeutet, öffnet einen Gedankenraum, in dem sich der Filmemacher gegen sein Vorbild behaupten muss. Immer wieder erinnern die Erlebnisse auf dem Weg an Szenen aus den Filmen Godards. Züge von heute und gestern treffen sich, die Korridore der Cinémathèque suisse gemahnen an Fluchten des Louvre, die Godard filmte. Und so weiter.

Das Kino scheint die Wirklichkeit zu besetzen. Imbach lebt gleichsam in einem Godard-Film, den er selbst realisiert. Das ist zunächst einmal ein persönliches Unterfangen. Und wer dem Filmemacher hier eine gewisse eitle Selbstbezogenheit vorwirft, hat dafür sicher Argumente.

Indem sich Imbach aber seinen eigenen Aufnahmen ausliefert, gelingt ihm ein bald heiteres, bald melancholisches Werk über einen Künstler im Banne seines Vorbilds. Damit umschifft er elegant die Fallstricke einer demütigen Hommage, seine Bewunderung für Godard verkommt weder zu verklärendem Kitsch, noch wird sie wirklich erklärt. Sie prägt Bilder und Töne aber wie ein konstantes Echo.

Die Einsamkeit des Künstlers

Imbach predigt nicht, er setzt sich Fragen und Bildern aus – als Passagier seiner eigenen Obsessionen. Am Ende dann, so viel kann verraten werden, begegnet der Filmemacher seinem Idol tatsächlich. Er klopft an die Tür in Rolle, und ihm öffnet ein höflicher, aber kurz angebundener Godard. Er bedankt sich für Geschenke (ein Blumenstrauss und Zigarren aus London) sowie für die Reise.

Ein unspektakulärer, fast ernüchternder Augenblick, dem eine eigenwillige, berührende Kraft innewohnt. Das liegt nicht nur daran, dass Godard inzwischen nicht mehr lebt. In diesen Sekunden, die Imbach verlangsamt ablaufen lässt, ist ein gegenseitiges Verständnis der beiden Künstler zu spüren. Aber auch ihre Einsamkeit. Das Leben für Kino und Kunst, so scheint es, verdammt sie dazu.

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