Im Interview erklären Kurt Boss und Kaspar Bürge von der Privatbank Baumann & Cie, warum sie Kardex gegenüber Interroll vorziehen, weshalb sie bei den Pharmaauftragsfertigern auf Siegfried setzen, wo sie Gewinne mitnehmen – und welche Titel auf ihrer Watchlist stehen.

«Der Zollkonflikt hat unser Portfolio nicht grundlegend verändert», sagen Kurt Boss und Kaspar Bürge. Die beiden sind Portfoliomanager bei Baumann & Cie – einer der wenigen verbleibenden Schweizer Privatbanken, die noch inhabergeführt sind. Zudem verwalten sie den «Baumann Aktien Schweiz Small & Mid Caps Fonds».

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Der Fokus auf Unternehmen, die von strukturellen Trends profitieren, über hohe Preissetzungsmacht verfügen und dadurch auch in einem inflationären Umfeld bestehen können gelte nach wie vor. «Was in einem Umfeld wie heute hilft, ist eine langfristige Perspektive», sagen die Fondsmanager.

Im Interview mit The Market erklären sie, warum sie Kardex gegenüber Interroll vorziehen, weshalb sie Siegfried bei den Pharmaauftragsfertigern übergewichten und wieso sie – trotz grundsätzlicher Überzeugung – bei Swissquote und Burckhardt Compression Gewinne realisiert haben. Ausserdem erläutern sie, warum sie ihre Position in Bystronic vollständig verkauft haben und welche Titel sie derzeit auf ihrer Watchlist führen.

Die Handelspolitik von US-Präsident Donald Trump sorgt derzeit für erhebliche Unsicherheit an den globalen Märkten. Wie gehen Sie als Fondsmanager mit dieser Situation um?

Bürge: Was in einem solchen Umfeld hilft, ist eine langfristige Perspektive – und die verfolgen wir ohnehin. Unser Fokus bleibt unverändert: strukturelle Trends und Unternehmen, die dafür langfristig gut positioniert sind. Konkret suchen wir nach Marktführern mit Preissetzungsmacht, die – besonders wichtig in Zeiten wie diesen – auch in einem inflationären Umfeld bestehen können. Der Handelskonflikt hat unser Portfolio daher nicht grundlegend verändert.

Trotzdem die Frage: Welche Auswirkungen hat der Zollstreit auf kleine und mittelgrosse Schweizer Unternehmen, auf die sich Ihr Schweiz Small & Mid Caps Fonds konzentriert?

Bürge: Zölle treffen kleinere Unternehmen natürlich tendenziell stärker, da ihnen meist die globalen Produktionsnetzwerke grosser Konzerne fehlen. Doch gerade die Schweiz hat zahlreiche Nischenanbieter mit Preissetzungsmacht, die auch mit solchen Herausforderungen gut umgehen können.

Boss: Schweizer Unternehmen haben sich über Jahrzehnte hinweg durch hohe Innovationskraft in vielen Branchen unersetzlich gemacht. Das wird sich trotz aktueller Unsicherheiten langfristig auszahlen.

Seit Jahren haben Nebenwerte und entsprechende Fonds einen schweren Stand. Die zentrale Frage bleibt: Wie lange hält die Durststrecke noch an?

Boss: In den vergangenen Jahren sah sich der Small- und Mid-Cap-Sektor einer Reihe neuer Herausforderungen gegenüber: zunächst die Corona-Pandemie, dann der russische Angriff auf die Ukraine, gefolgt von einem markanten Anstieg des Zinsniveaus, mit dem die Zentralbanken auf die weltweit steigende Inflation reagierten. Aktuell sorgt die erratische Wirtschaftspolitik von Donald Trump für Unsicherheit. In der Schweiz belastet zudem der feste Franken. Doch gerade Schweizer Unternehmen mit ihren starken wirtschaftlichen Burggräben überzeugen immer wieder durch ihre Fähigkeit, sich neu zu erfinden und flexibel auf veränderte Rahmenbedingungen zu reagieren.

Zu den grössten Positionen in Ihrem Fonds zählt SGS. Die Aktien des Prüfkonzerns waren lange Zeit wenig gefragt, tauchen inzwischen jedoch wieder verstärkt in Schweizer Aktienfonds auf.

Boss: Wir haben unsere Position in SGS jüngst sogar ausgebaut. Das Unternehmen ist ein Paradebeispiel für einen Profiteur langfristiger, struktureller Trends. Der Markt für Tests, Inspektionen und Zertifizierungen birgt erhebliches Wachstumspotenzial, das bislang weitgehend unterschätzt wird. Die Zollthematik könnte die Nachfrage nach SGS-Dienstleistungen sogar zusätzlich befeuern.

Inwiefern?

Bürge: Je komplexer und restriktiver das globale Handelsumfeld durch Zölle wird, desto grösser wird die Nachfrage nach Transparenz in den Lieferketten und der Bedarf nach unabhängigen Prüf-Dienstleistungen wie denen von SGS.

Was hat sich bei SGS verändert?

Boss: Dass Investoren allmählich wieder Vertrauen fassen, ist vor allem dem neu gewonnenen Vertrauen in das Management zu verdanken – ein klarer Verdienst der neuen CEO Géraldine Picaud. Sie agiert umsichtig und verfolgt realistische Zielsetzungen. Unter ihrer Führung hat sich zudem die Visibilität des Geschäfts verbessert, was am Markt positiv aufgenommen wird. Wichtig war auch, dass die diskutierte Fusion mit Bureau Veritas nicht zustande kam. So kann sich SGS weiterhin auf die eigenen Stärken konzentrieren.

Im Aktienkurs ist das wiedergewonnene Vertrauen der Anleger bislang noch nicht erkennbar.

Boss: Wie bereits erwähnt, wird das Potenzial von SGS am Markt weiterhin unterschätzt. Möglicherweise warten einige Investoren noch auf weitere Fortschritte. Wir hingegen sehen die aktuelle Zurückhaltung als attraktive Einstiegsgelegenheit.

Ebenfalls aufgestockt haben Sie beim Intralogistiker Kardex. Die Aktien haben in den letzten beiden Monaten um bis zu ein Drittel eingebüsst. Was ist passiert?

Boss: Die Ankündigung grösserer Investitionen für die kommenden zwei Jahre sowie die positive Kursentwicklung dürften einige Investoren zu Gewinnmitnahmen veranlasst haben. Die Jahreszahlen 2024 können kaum ausschlaggebend gewesen sein. Auch mit Blick auf den sehr positiven Ausblick sind in unseren Augen die Voraussetzungen für eine Kurserholung da. Der Automatisierungstrend, der wachsende Mangel an Fachkräften und das beschleunigte Reshoring sind strukturelle Entwicklungen, von denen Kardex langfristig stark profitiert.

Mit 1,5 Mrd. Fr. ist das Umsatzziel ehrgeizig, doch der Zeithorizont bis 2029 bis 2031 lässt Spielraum.

Boss: Auch deshalb dürften einige Anleger zuletzt Gewinne realisiert haben. Ab 2028 sollten die getätigten Investitionen jedoch Früchte tragen und das Umsatzwachstum weiter beschleunigen. Für uns stellen markante Kursrückgänge wie zuletzt klare Kaufgelegenheiten dar.

Wie schätzen Sie Interroll ein, den zweiten wichtigen Intralogistiker aus der Schweiz?

Boss: Interroll ist ebenfalls Teil unseres Fonds, jedoch mit einer deutlich geringeren Gewichtung. Das Unternehmen profitiert grundsätzlich von ähnlichen strukturellen Trends wie Kardex, leidet jedoch seit einiger Zeit unter der Verzögerung grösserer Projekte.

Warum trifft das Interroll stärker als Kardex?

Bürge: Interroll profitierte während Covid von Überinvestitionen im Bereich E-Commerce, leidet seither jedoch unter der dortigen Investitionszurückhaltung. Das spürte auch Kardex in der Division Mlog. Da Kardex dank der Divisionen Remstar und Autostore in kleinere Projekte involviert ist und über ein breiteres Produktspektrum sowie eine entsprechend diversifizierte Kundenbasis verfügt, konnte das Unternehmen die Auswirkungen von Verzögerungen bei Grossprojekten besser abfedern.

Boss: Dennoch sind wir überzeugt, dass die Auftragseingänge bei Interroll früher oder später wieder anziehen werden, auch wenn hier noch Geduld gefragt ist. Der «Liberation Day», an dem US-Präsident Trump die «reziproken» Zölle ankündigte, war in diesem Zusammenhang sicherlich nicht förderlich für die Investitionsbereitschaft der Kunden. Kurz- bis mittelfristig spricht die bessere Visibilität klar für Kardex.

Bei den Schweizer Pharmaauftragsfertigern setzen Sie vor allem auf Siegfried, wo Sie kürzlich ebenfalls ihre Position erhöht haben. Weshalb?

Bürge: Wir halten den Markt für Pharmaauftragsfertigung, auch CDMO genannt, grundsätzlich für sehr attraktiv. Das zunehmende Outsourcing von Entwicklung und Produktion pharmazeutischer Wirkstoffe ist ein klarer struktureller Wachstumstreiber. Zwar ist Siegfried weniger profitabel als etwa Lonza oder Bachem – vor allem aufgrund des Fokus auf den margenschwächeren Bereich der Small Molecules, was sich in einer entsprechend niedrigeren Bewertung niederschlägt. Dennoch hat das Unternehmen zuletzt vieles richtig gemacht.

Nämlich?

Bürge: Durch den Ausbau der Produktionskapazitäten – unter anderem in Spanien, China und in den USA – sowie durch die vorangetriebene Modernisierung kann Siegfried nun Skaleneffekte realisieren und die Effizienz steigern. In Kombination mit dem anhaltend starken Wachstum dürfte dies dabei helfen, margentechnisch gegenüber den anderen Schweizer CDMO aufzuholen, was sich wiederum positiv auf die Bewertung auswirken sollte.

Inficon zählt ebenfalls zu Ihren «High Convictions». Wie der gesamte Halbleitersektor haben auch diese Aktien zuletzt stark korrigiert. Sie haben kürzlich aufgestockt. Was spricht jetzt für einen Einstieg?

Bürge: Auch Inficon profitiert von langfristigen strukturellen Trends. Das Unternehmen überzeugt mit hochspezialisierten Produkten, die in anspruchsvollen Produktionsprozessen zum Einsatz kommen, verbunden mit hohen Markteintrittsbarrieren und einer starken Führerschaft in Marktnischen. Zwar verdichten sich die Hinweise, dass sich der Aufschwung im Halbleitermarkt verzögert, doch die jüngsten Zahlen zeigen eine Erholung bei den Auftragseingängen in diesem Segment. Wir sind zuversichtlich, dass sich der Aufschwung bis Ende 2025 manifestieren wird.

Sie bevorzugen Inficon gegenüber den anderen Schweizer Halbleiteraktien. Was ist der Grund dafür?

Bürge: Inficon ist sicherlich der defensivste Titel im Sektor. Selbst in schwierigen Phasen gelingt es dem Unternehmen, eine Kapitalrendite zu erzielen, die über den Kapitalkosten liegt – und somit nachhaltig Wert für die Aktionäre zu schaffen. Andererseits überzeugt VAT mit der dominanten Marktposition.

Wieso haben Sie dennoch Inficon höhergewichtet?

Gegenwärtig bevorzugen wir Inficon aufgrund der geringeren Zyklizität. Wir sehen jedoch in allen drei Schweizer Halbleiteraktien langfristig vielversprechendes Potenzial.

Das dritte Schweizer Unternehmen in diesem Segment ist Comet.

Bürge: Comet hat sich erst in den vergangenen Jahren stärker auf den Halbleitermarkt fokussiert. Punkto Profitabilität liegt das Unternehmen derzeit noch hinter Inficon und VAT. Allerdings hat Comet in den vergangenen Jahren stark in Forschung und Entwicklung investiert und innovative Produkte lanciert, die erste positive Resonanz am Markt finden. Zieht der Halbleiterzyklus wieder deutlich an, dürfte Comet am stärksten davon profitieren.

Straumann ist ebenfalls in Ihrem Fonds vertreten. Die anhaltende Schwäche in den USA belastet den Aktienkurs des Dentalunternehmens. Wie lange noch?

Boss: Die Erholung des Geschäfts in den USA hängt massgeblich von der dortigen konjunkturellen Entwicklung ab, insbesondere davon, wie sich Zölle und andere Belastungsfaktoren auf das Konsumverhalten auswirken. In Asien hingegen sehen wir weiterhin eine solide Dynamik. Die Region war in den vergangenen Jahren ein verlässlicher Wachstumstreiber für Straumann und entwickelt sich grundsätzlich positiv. Langfristig stimmen uns Faktoren wie der demografische Wandel, steigender Wohlstand und ein wachsendes ästhetisches Bewusstsein zuversichtlich.

Kommen wir zu Positionen, die Sie zuletzt reduziert haben. Darunter finden sich die Aktien von Swissquote. Sind die Titel der Onlinebank zu heiss gelaufen?

Boss: Swissquote zählt seit Langem zu unseren Kernüberzeugungen im Portfolio. Trotz einer leichten Reduktion bleiben wir in der Aktie übergewichtet. Die Performance in den vergangenen zwei Jahren war aussergewöhnlich. Angesichts des eher vorsichtigen Ausblicks des Managements und der vorhergehenden Kursrally haben wir einen Teil der Gewinne realisiert. Zudem spricht das aktuelle Bewertungsniveau für eine Phase der Konsolidierung. Dennoch sind wir überzeugt, dass Swissquote in diese Bewertung hineinwachsen kann.

Was ist an Swissquote spannend?

Boss: Swissquote hat sich als führende Onlinebank der Schweiz etabliert, was sich unter anderem in den starken Neugeldzuflüssen zeigt. Uns gefällt der konsequente Ausbau des Angebots und die hohe Innovationskraft. Initiativen wie die Partnerschaft mit PostFinance, aus der die Banking-App Yuh hervorging, haben das Geschäft zusätzlich gestärkt. Auch im Bereich Krypto hat sich Swissquote früh positioniert und bietet mittlerweile ein breites Produktangebot, ein Segment, das sich – nicht nur, aber insbesondere – in Phasen positiver Marktstimmung als sehr ertragsstark erweist.

Komplett abgestossen haben Sie die Aktien von Bystronic. Die Wachstumsstrategie des Herstellers von Blechbearbeitungsmaschinen ging nicht auf.

Boss: Bei Bystronic haben wir letztlich die Geduld verloren. Zwar hat das Management Massnahmen ergriffen, die hoffentlich mittelfristig greifen. Doch nach einer längeren Phase enttäuschender Entwicklungen war es auch eine Frage des Vertrauens, das erst wieder aufgebaut werden muss. Obschon fundamentale Argumente für ein Investment – etwa die solide Cash-Position oder strategische Optionen – vorhanden sind, haben wir uns für eine Umschichtung zugunsten von Kardex und SGS entschieden. Bei beiden Unternehmen sehen wir sowohl kurz- als auch langfristig ein klareres Potenzial.

Wo haben Sie noch verkauft oder Ihre Position reduziert?

Bürge: Bei Burckhardt Compression haben wir jüngst Gewinne realisiert. Der Spezialist für Kompressorlösungen war bis vor Kurzem eine unserer grössten Positionen. An unserer grundsätzlich positiven Einschätzung hat sich jedoch nichts geändert. Das Unternehmen ist strategisch stark positioniert, insbesondere im Kontext der Energiewende: etwa in der Wasserstoffproduktion, bei Ethylen-Vinyl-Acetat-Anwendungen für Photovoltaik oder in der Verflüssigung von Gas und dessen Transport. Besonders gut gefällt uns der wachsende Anteil des margenstarken Servicegeschäfts. Wir bleiben vom Geschäftsmodell überzeugt, haben den Kursanstieg und das höhere Bewertungsniveau aber genutzt, um Teilgewinne mitzunehmen.

Welche Titel beobachten Sie derzeit, bei denen Sie einen Einstieg oder eine Aufstockung in Erwägung ziehen?

Boss: Grundsätzlich sehen wir unser Portfolio gut positioniert. Bei Tecan prüfen wir derzeit jedoch, ob eine Aufstockung sinnvoll wäre. Die Aktien haben sich in den vergangenen Quartalen nicht zuletzt aufgrund der Marktschwäche in China unterdurchschnittlich entwickelt. Dennoch bleiben wir von den langfristigen Perspektiven des Unternehmens überzeugt.

Bürge: Ein weiterer Kandidat für eine mögliche Aufstockung ist SIG. In den Aktien sind wir bereits seit Längerem übergewichtet. Aktuell belasten juristische Unsicherheiten im Zusammenhang mit dem früheren CEO den Aktienkurs. Der Hersteller von Abfüllanlagen und Getränkekartons ist jedoch operativ gut unterwegs und hat zuletzt Marktanteile – etwa gegenüber Tetra Pak – hinzugewonnen. Nach der jüngsten Kurskorrektur erscheint die Bewertung wieder attraktiv.

Zur Person

Kurt Boss

Kurt Boss ist seit über 35 Jahren in der Finanzbranche tätig und seit 2008 Senior Portfolio Manager bei der Schweizer Privatbank Baumann & Cie, Banquiers. Er ist Teil des Kompetenzzentrums Anlagen und spezialisiert auf Schweizer Aktien. Zudem fungiert er als Fondsmanager des hauseigenen Small & Mid Caps Fonds, der gezielt in kleine und mittelgrosse Schweizer Unternehmen investiert. Vor seiner Zeit bei Baumann & Cie war Boss u.a. bei Clariden Leu und bei der Bank Sarasin & Cie tätig.

Zur Person

Kaspar Bürge

Kaspar Bürge ist seit 2022 als Portfolio- und Fondsmanager im Kompetenzzentrum Anlagen bei der Schweizer Privatbank Baumann & Cie, Banquiers tätig. Sein Schwerpunkt liegt auf Schweizer Aktien und Fonds. Er verfügt über einen Masterabschluss in Business and Economics und ist Teilnehmer des CFA-Programms. Nebenbei ist er Gründungspartner eines Unternehmens im Bereich Foto-und Videografie.

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