Freitag, Oktober 18

Elias Vogt sorgte dafür, dass in der Schweiz kaum Windräder stehen. Nun will der junge Politaktivist mit zwei Volksinitiativen und einem Referendum die Energiewende ausbremsen.

Vor ein paar Jahren waren Elias Vogt und Albert Rösti noch Verbündete: Der junge Landschaftsschützer und der damalige SVP-Präsident kämpften Seite an Seite gegen die Energiestrategie von Doris Leuthard. Vogt sammelte Unterschriften und fand in der SVP einen dankbaren Abnehmer seiner Visualisierungen, auf denen von Windrädern zugepflasterte Landschaften zu sehen waren. Man schätzte sich und war per Du – unterlag schliesslich aber im Abstimmungskampf.

Mittlerweile hat Energieminister Rösti wieder zum Sie gewechselt. Er spricht vom «Herrn Vogt». Die Distanzierung kommt nicht von ungefähr. Denn der Landschaftsschützer Vogt ist mittlerweile der vehementeste Gegner der von Rösti vertretenen Energiepolitik, und wohl auch der gefährlichste.

Dass die Windkraft in der Schweiz nicht vom Fleck kommt – Stand heute sind gerade einmal 47 Windkraftanlagen in Betrieb –, hat einiges mit dem 28-jährigen Unternehmer und Politaktivisten zu tun. Als Präsident des Verbands Freie Landschaft Schweiz (FLCH) bekämpft Vogt systematisch Windkraftprojekte in der Schweiz, er reicht Rekurse ein und mobilisiert die lokale Bevölkerung. Gebaut wird am Schluss selten – und wenn, dann meist erst mit jahrzehntelanger Verspätung. Bei seinen Gefolgsleuten gilt Vogt deshalb als Retter der Schweizer Landschaft, die Verfechter der Energiewende dagegen bezeichnen ihn abschätzig als «Nimby». Das Akronym steht für den englischen Ausdruck «not in my backyard» und beschreibt die verbreitete «Sollen doch die anderen»-Haltung.

Sprachrohr der «Nimbys»

Doch Vogts kompromisslose Haltung ist erfolgreich. Sein Verband hat Anwohnerinnen und Anwohner vernetzt, die sich gegen den Bau von Windkraftanlagen in ihrer Umgebung wehren, und tritt gleichsam als landesweites Sprachrohr der «Nimbys» auf. Vor kurzem belohnte der Bund Vogts Verband mit dem Entscheid, dass er das Verbandsbeschwerderecht erhalten soll. FLCH kann damit bei umstrittenen Projekten verlangen, dass diese auf ihre Gesetzeskonformität überprüft werden. Und der Verband muss frühzeitig in die jeweilige Projektplanung einbezogen werden.

Längst konzentrieren sich Vogts Aktivitäten auch nicht mehr auf die Blockade von Windkraftanlagen; vielmehr zielt er mittlerweile auf die Energiewende als Ganzes. So hat es Albert Rösti vor allem seinem früheren Duz-Freund zu verdanken, dass er mit dem Stromgesetz eine Zusatzschlaufe absolvieren muss. Erst ergriff bloss ein versprengtes Grüpplein von Einzelkämpfern das Referendum. Dann sicherte Vogt seine Unterstützung zu und führte mit seinem Verband das vermeintlich aussichtslose Unterfangen zum Erfolg. Seine Bürgerbewegung, die aus einem Netzwerk von rund fünfzig lokalen Vereinen besteht, sammelte am Schluss mehrere 10 000 Unterschriften, wie Vogt stolz betont. Das reichte, damit das Referendum gegen das laut Vogt «schlimmste Gesetz aller Zeiten» zustande kam.

Und Vogt wittert Morgenluft. Die Chancen, am 9. Juni einen Sieg an der Urne zu erringen, seien intakt, sagt er. «Hinter unserem Anliegen stehen Vertreter aus allen Parteien.» Bei der SVP hätten einzelne kantonale Sektionen gar beim Sammeln der Unterschriften geholfen. An den Versammlungen von FDP und Grünen wiederum hätten mehrere Sektionen ein Nein zu Röstis Stromgesetz beantragt. Das zeige, wie breit die Opposition gegen diese Vorlage sei – auch wenn die Führungen der einzelnen Parteien das Thema vom Tisch wischen möchten.

Keine Windräder im Wald

Im Abstimmungskampf zum Stromgesetz will sich Vogt gemäss eigener Aussage nicht direkt engagieren. Er belässt es bei Informationsveranstaltungen in der Deutschschweiz und der Romandie. Der Landschaftsschützer denkt bereits über den 9. Juni hinaus. Diese Woche lancierte er gleich zwei Volksinitiativen, um den Ausbau der Windkraft in der Schweiz einzuschränken. Die erste will verbieten, dass Windräder in Wäldern und am Waldrand gebaut werden können, und das auch rückwirkend, wenn die Anlagen nach dem 1. Mai 2024 gebaut werden.

Die zweite verlangt, dass die Standortgemeinden und besonders betroffene Nachbargemeinden zwingend über den Bau neuer Windräder abstimmen müssen. Vogt ringt mit den Initiativen auch um den Einfluss seines eigenen Verbands: Denn Rösti möchte mit seiner Politik die Bewilligungsverfahren straffen und die Mitsprachemöglichkeiten für grosse Energieanlagen stark einschränken – was Vogt und seine Bewegung schmerzhaft zu spüren bekommen würden.

Die beiden Initiativen könnten hierzulande allerdings auf fruchtbaren Boden stossen. In kaum einem anderen Land werden so wenige Windkraftanlagen gebaut – und nirgendwo stossen sie auf so wenig Akzeptanz wie in der hiesigen Bevölkerung. Hinzu kommt: Wenn Vogt etwas anpackt, tut er dies jeweils mit grösster Akribie und Entschlossenheit. Als Gymnasiast setzte er sich in seiner Maturaarbeit mit dem geplanten Windpark auf dem Grenchenberg auseinander und stiess auf Ungereimtheiten bei den Angaben der Behörden. Seither hat ihn das Thema Windkraft nicht mehr losgelassen.

Elias Vogt erwies sich auch anderweitig als talentiert. Im Alter von 22 Jahren realisierte er als Projektleiter bereits ein neues Leichtathletikstadion in Grenchen. Das sei wie eine Doktorarbeit gewesen, sagt Vogt, der sich nach der Matura, die er landesweit als Bester seines Jahrgangs abschloss, zum Primarlehrer ausbilden liess. Ein Jahr davor hatte er für das Grenchner Stadtpräsidium kandidiert und dabei 24 Prozent der Stimmen geholt.

Derzeit ist Vogt daran, ein über 100-jähriges Hotel auf dem Chasseral zu einem Zentrum für die Landschaft zu etablieren – das Gebäude soll bald der Ausbildung und dem kulturellen Austausch von landschaftsbegeisterten Menschen dienen. Zu der Immobilie gekommen ist der Grenchner vor einem Jahr spontan. Asiatische Investoren wollten das Hotel kaufen, worauf Vogt in kurzer Zeit einheimische Investoren zusammentrommelte und es schliesslich erwarb.

Vogt rüttelt mit diesen Aktivitäten nicht zuletzt auch an der Meinungsführerschaft der traditionellen Organisationen des Landschaftsschutzes. Die Stiftung für Landschaftsschutz (SLS) geht denn auch gegenüber Vogt auf Distanz. Man sei im Gegensatz zum Verband Freie Landschaft Schweiz nicht generell gegen den Ausbau der Windkraft, betont der SLS-Präsident Kurt Fluri. Auch spreche er sich dagegen aus, die Gemeindemitsprache für Energieanlagen auf Bundesebene zu regeln. Noch habe der Stiftungsrat aber keine Position zu den Initiativen bezogen. Der frühere FDP-Nationalrat zollt Vogt jedoch Respekt: Dieser sei «ein grosser Idealist», der sein gesamtes Leben dem Landschaftsschutz unterordne.

Am Freitag wird der Politaktivist Vogt erstmals in der «Arena» auftreten – und dort vor der Abschaffung des Naturschutzes und der direkten Demokratie warnen. Es dürfte nur eine Frage der Zeit sein, bis Vogt auch zum Rededuell mit Bundesrat Albert Rösti antreten wird. Ob die beiden sich dann siezen oder duzen, wird man sehen.

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