Der grandiose Marcus Signer als Privatdetektiv und viel guter Stoff: Eigentlich müsste die Serie «Maloney» überzeugen. Eigentlich.
«Und wie schlafen Sie?», fragt die renommierteste Schlafmedizinerin der Stadt. «Meischtens i horizontaler Laag unger mim Schriibtisch», sagt der Mann im braunen Leder-Trenchcoat. «Übermässiger Koffein- oder Alkoholkonsum?» – «Wenn möglech, ja», antwortet Philip Maloney.
Bisher war der bekannteste Privatdetektiv der Schweiz bloss Rauch und Stimme. Ein Stück eidgenössische Antiidentität, eine Prise Sonntagmorgen und eine grosse Erfolgsgeschichte für das Schweizer Radio. Nun soll er auch noch auf die grosse Leinwand. Denn das bekannteste Schweizer Hörspiel nach dem Kasperlitheater wurde als TV-Serie verfilmt. Zudem laufen die ersten Folgen aneinandergereiht und unter dem Titel «Maloney – Die ersten drei haarsträubenden Fälle» im Kino.
Nach dem Erfolg der Walliser Krimikomödie «Tschugger» ist der Zeitpunkt dafür ideal. Immerhin das. Im Übrigen hat «Maloney» einige Probleme, die sich auch in einem doppelten Whisky nicht auflösen. Zum Beispiel die Tatsache, dass der obige Dialog einer der besten überhaupt ist.
Eine perfekte Wahl
Vor zwei Jahren starb der Schauspieler Michael Schacht, dessen Stimme Philip Maloney war. Wenn Schacht sprach, konnte man Maloneys Whisky-Atem durchs Radio riechen, sah das zu früh verwitterte Gesicht und die zigarettenvergilbten Zähne vor sich. Selten hatte eine Stimme derart viel Körper. Einen neuen Maloney kann es darum, zumindest im Tonstudio, nicht geben. Doch trotz mehr als 400 Folgen und 30 Jahren Produktion ist die Figur noch immer beliebt. Die Idee, das Medium zu wechseln, war also naheliegend.
Mit dem Schauspieler Marcus Signer hatten die Filmemacher grosses Glück: Schachts zurückgelassener Trenchcoat passt ihm, als wäre er ein Leben lang in die genau richtige Form gewachsen. Denn Maloney, dieser sarkastische Einzelgänger, ruppig und besserwisserisch und eben doch, wenn es zählt, «ä liebä Siech», das ist eine Signer-Figur.
Eine, wie sie auch der Protagonist der Verfilmung von Pedro Lenz’ «Dr Goalie bin ig» (2014) war. Ein Verlierer, dem das Glück zwischen den Fingern verrinnt; umso schneller, je besser er es meint. Oder zuletzt Bundespolizist Kägi in der SRF-Serie «Wilder». Ein Anarchist, eingebettet ins Staatssystem. Hart, verlebt und verloren, wenn er kein schier unmögliches Ziel hat, an dem er sich abarbeiten kann. Für den Goalie bekam Signer den Schweizer Filmpreis, für den Kägi den Schweizer Fernsehfilmpreis.
Vieles wäre gut
Auch bei Maloneys Gegenspieler hat man die richtige Wahl getroffen. Der Berner Stefan Kurt, der etwa den Papa Moll spielte, verkörpert den trotteligen, schadenfrohen Polizisten, der den Erkenntnissen immer ein Feixen hinterher ist, genau richtig.
Dass man bei Set und Requisiten allein auf die Optik, nicht aber auf das Jahrzehnt geachtet hat, verleiht der TV-Serie die gleiche Zeitlosigkeit, wie sie auch das Hörspiel besass. Die bunten Telefone haben Kabel, die Autos verfügen noch nicht über die immergleiche Normhässlichkeit der letzten drei Jahrzehnte. Bezahlt aber wird Maloney in nagelneuen Tausendernoten, man gendert, und bei der Polizei wird mit Beamer und Touchscreens gearbeitet.
«Maloney» hat ein Problem, mit dem man bei einer Hörbuchverfilmung eigentlich nicht rechnen würde: Haarsträubend sind nicht die Fälle, sondern die Dialoge. «Sind Sie bewaffnet?», fragt eine Bodyguard. «Nur mit Schirm, Charme und Maloney», muss Signer antworten.
«Schirm, Charme und Maloney»
Die Figuren sprechen zwar Schweizer Dialekt, allerdings entlang einer hochdeutschen Grammatik und Syntax. Als hätte man die Texte in Schriftsprache abgegeben – ohne den Darstellern den nötigen Freiraum zuzugestehen, den Drehbuchtext so zu verformen, dass er ihnen korrekt in den Mund passt.
«Na wart, du Spanner», ruft etwa eine schlafwandelnde Klientin Maloneys, während sie zum Angriff ansetzt. Wäre sie eine Deutsche, klänge das immer noch etwas nach Proberaum am Schultheater, aber es würde immerhin sprachlich funktionieren. Eine Zürcher Schlafwandlerin dagegen ruft vielleicht: «Wart du nur, du Spanner.» Oder, im Eifer des Gefechts, einfach nur: «Du Spanner!»
Signer, der als Maloney immer wieder die vierte Wand durchbricht, rettet viel holprigen Text damit, dass er Blicke sprechen lässt. Man gewinnt auch den Eindruck, dass er am eigenen Text geschliffen hat. Aber nicht das gesamte Ensemble verfügt über sein Talent. Und auch gestandene Schauspieler können die Sache nicht immer retten. Gilles Tschudi zum Beispiel, der als Michael Frick bei der Sonntagabend-Schmonzette «Lüthi & Blanc» den Basler Dialekt zur Sprache der Schweizer Schurken gemacht hat, kommt die Ehre zu, den Detektiv als Erster beim Namen zu nennen. Man hat sich für diese Zeile entschieden: «Ah, Maloney, Philip Maloney. Mir kenne uns.»
Im Wallis können sie es
Dass die Sache mit den natürlich klingenden Dialogen auf Schweizerdeutsch machbar wäre, bewies zuletzt «Tschugger». Müsste man vielleicht das Walliserdeutsch zum offiziellen Schweizer Filmdialekt machen?
Bei «Maloney» dominiert Berndeutsch. Gesprochen allerdings von Detektiv und Polizist, also jenen beiden Figuren, die auch in ihren Dialogen am stärksten sind. Der Dialekt passt ebenso zum etwas zu langsamen Polizisten wie zum vom Leben verschrammten Detektiv. Maloney braucht diese selbstbewusste Polo-Hofer-Abgewetztheit. Wenn hingegen zu viele Nebendarsteller vor der Kamera stehen, beginnt die Serie bald nach Embracher Liebhabertheater zu klingen.
Eine sentimentale Karikatur
Ein weiteres Problem von Maloney ist der unbedingte Wille, niemanden zu enttäuschen. Man hat versucht, dem beliebten Stoff gerecht zu werden, indem man ihn kaum neu bestickt, sondern vielmehr über alles Neue drüberspannt.
Eine erfolgreiche Geschichte zu übernehmen, verlangt ein feines Gespür dafür, wie viel Wiedererkennungswert als Hommage ans Original nötig ist und ab wann das neue Projekt dadurch zur sentimentalen Karikatur verkommt. Die Einstiegsmusik beizubehalten, war eine gute Idee. Aber gerade weil sie den perfekten Maloney gefunden hat, hätte die Regie Mut beweisen und die alte Geschichte mit einer eigenen Handschrift weiterschreiben können.
Den Protagonisten am Ende der beiden ersten Folgen «So geit das», sagen zu lassen, wäre nicht nötig gewesen und wirkt aufgesetzt. Ebenso, dass der Polizist den hochdeutschen Satz «Üble Sache, Maloney» in den Mund gelegt bekam.
Dass man dann auch noch versucht, ausgerechnet mit diesem doch eigentlich so unschweizerisch allgemeingültigen Stoff um jeden Preis an der eidgenössischen Volksseele zu rühren, hilft auch nicht. Da freut sich der Polizist, dass es ihm noch auf die Spätausgabe von «Meteo» nach Hause reicht. Und Maloney murrt über die Beamten: «Mit öich geits äbe nid besser, nume lenger.» Immerhin bei Wander wird man sich über diesen Ovomaltine-Spruch bestimmt freuen.
Erst mit der dritten – und für die Kinoversion letzten – Folge wird es besser. Maloney wacht unter einem falschen Schreibtisch auf, und ab da läuft sehr vieles richtig. Die Figuren gewinnen an Schärfe und Tiefe, die Dialoge gelingen öfter. Vielleicht hat man sich etwas warmgelaufen. Vor allem aber dürfte es daran liegen, dass das Drehbuch für diese Folge laut Credits in anderen Händen lag. Die erste Staffel «Maloney» verfügt über zehn Folgen. Wenn deren Qualität weiter steigt, könnten die Dialoge bis zum Staffelfinale glaubwürdig werden. Sonst bleibt nur, den Ton auszuschalten. Aber: So geit das äbä nid.
«Maloney – die ersten drei haarsträubenden Fälle» läuft jetzt im Kino. Ab Januar zeigt SRF die zehn Folgen der ersten Staffel.