Montag, August 18

Er war nicht nur der legendäre Moderator des Schlagerfestivals von Sanremo und Entdecker zahlreicher Talente – mit dem Tod von Pippo Baudo gehen 60 Jahre italienischer TV-Geschichte zu Ende.

Was ist der Unterschied zwischen einem Schweizer Kräuterbonbon und Pippo Baudo? Die Satzform. «Wer hat’s erfunden?», fragt der bekannte Werbeslogan für Ricola. Baudo seinerseits verzichtete stets auf das Fragezeichen und antwortete gleich selbstbewusst: «L’ho inventato io!», ich hab’s erfunden (wobei sich seine Aussage natürlich nicht auf die Bonbons bezog).

Optimieren Sie Ihre Browsereinstellungen

NZZ.ch benötigt JavaScript für wichtige Funktionen. Ihr Browser oder Adblocker verhindert dies momentan.

Bitte passen Sie die Einstellungen an.

«L’ho inventato io» – in den 1970er und 1980er Jahren sei der Spruch jedenfalls zum «repräsentativsten Slogan für Baudo» geworden, schreibt die Plattform «Il Post» zum Hinschied der 89-jährigen TV-Ikone. Baudo ist am Samstag in Rom verstorben.

Die Redewendung lebt weiter und steht für den enormen Einfluss, den der 1936 in Sizilien geborene Baudo auf Generationen von Sängern, Komikern und Unterhaltungskünstlern ausübte, indem er ihnen erste Auftritte vor grossem Publikum ermöglichte und damit die Chance gab, berühmt zu werden.

Trauer – von Pausini bis Mattarella

Entsprechend gross ist die Dankbarkeit, die sich jetzt in die zahllosen Kondolenzbezeugungen nach seinem Tod mischt. «Danke, Pippo», schreibt etwa die bekannte Schlagersängerin Laura Pausini und beschreibt Baudo als den Mann, der vor 32 Jahren ihr Leben verändert habe, «indem er mich mit nur 18 Jahren unter den neuen Stimmen von Sanremo 93 ausgewählt hat und mich seitdem nie mehr verlassen hat, nie».

Die Anteilnahme geht indessen weit über das Showbusiness hinaus. Politiker von links bis rechts verneigen sich vor Baudo, und selbst Staatspräsident Sergio Mattarella gab auf X seiner Trauer über den Tod des «Erneuerers des Fernsehens» Ausdruck und erinnerte an dessen «Professionalität, Kultur, Eleganz und aussergewöhnliche Fähigkeit, den Geschmack und die Erwartungen der italienischen Fernsehzuschauer zu verstehen». Die «Repubblica» kürte ihn am Sonntag gar zum «letzten König des Fernsehens».

Ausserhalb Italiens ist so viel Anteilnahme schwer zu verstehen. Baudo ist ein ganz und gar italienisches Phänomen, das mit der Omnipräsenz des Fernsehens im Alltag und mit dem ausgesprochenen Faible der Italiener für Musik und Unterhaltung zu erklären ist. In einem Land, wo das ganze öffentliche Leben mitunter Züge einer Operette hat, spielen Stars wie Baudo eine andere, zentralere Rolle als anderswo. Allerdings ist der Grat zwischen solidem Entertainment, wie es eine Figur wie Baudo verkörperte, und Trash, wie er auch zum italienischen Fernsehalltag gehört, sehr schmal.

Der Entdecker von Beppe Grillo

Nach einem Studium der Rechtswissenschaften in Catania findet Baudo rasch den Weg in die Unterhaltungsbranche. Wichtige Leute an den Schaltstellen werden auf seine Begabung und sein Auge für taugliche Unterhaltungsmusik aufmerksam und bieten ihm die besten Sendeplätze an. Volle 13 Mal leitet er das Schlagerfestival von Sanremo und haucht ihm neues Leben ein. 2007 moderiert er Sanremo zusammen mit der Italo-Schweizerin Michelle Hunziker.

Als künstlerischer Direktor ist Baudo nicht nur Moderator des einwöchigen Mammutanlasses, sondern wählt auch die Sängerinnen und Sänger aus – was ihm besonderes Gewicht verleiht. Ein kurzes Gastspiel gibt er zwischen 1987 und 1989 auch beim Berlusconi-Fernsehen, nachdem er sich mit dem damaligen Chef der öffentlichrechtlichen RAI überworfen hat. Seine Karriere beendet er wieder bei RAI.

«Er war eine freundliche Person», erinnert sich im «Corriere della Sera» der Publizist und frühere Politiker Walter Veltroni, «er machte keinen Lärm, um in die Häuser der Menschen zu kommen, er machte Spektakel, ohne herumzuschreien, er verband mit Fingerspitzengefühl Hohes und Niedriges.»

Entdeckt hat Baudo übrigens auch Beppe Grillo, den Komiker und späteren Gründer der linkspopulistischen Bewegung Cinque Stelle. Er sieht ihn 1977 in einem Mailänder Kabarett und holt ihn auf die TV-Bühne. «Lieber Pippo», schreibt Grillo am Sonntag auf X: «Jetzt, wo du vor dem Allmächtigen erscheinst, versuche nicht zu sagen: ‹Ich habe ihn entdeckt.›»

Exit mobile version