Denis Van Weynbergh hat einen grosse Traum: Er will als erster Belgier die härteste Segelregatta der Welt beenden. Als einziger Amateur im Feld fährt er den Profis weit hinterher – schafft er es trotzdem?

Justine Mettraux befindet sich in den Skiferien. Die Romande, die die Vendée Globe bei der ersten Teilnahme auf Rang 8 und als schnellste Frau beendet hat, unternimmt zusammen mit ihrem Segelteam Skitouren. Jean Le Cam, der Doyen des Hochseesegelns, ist dabei, seine Rennjacht nach seiner sechsten Teilnahme zu reparieren. Und Charlie Dalin, der diesjährige Sieger der härtesten Segelregatta der Welt, postet auf den sozialen Netzwerken Bilder davon, wie er über die Skipisten der französischen Alpen carvt.

Optimieren Sie Ihre Browsereinstellungen

NZZ.ch benötigt JavaScript für wichtige Funktionen. Ihr Browser oder Adblocker verhindert dies momentan.

Bitte passen Sie die Einstellungen an.

Während die Konkurrenz sich von der Solo-Weltumsegelung erholt, ist Denis Van Weynbergh im Stress. Ende der vergangenen Woche befindet sich der 57-jährige Belgier noch gut 400 Kilometer vom Ziel in Les Sables-d’Olonne entfernt in der Biskaya. Er ist abgeschlagen Letzter im Feld, Rang 33. Der vorletzte Segler ist schon vor Tagen angekommen.

Als der Sieger Dalin Les Sables-d’Olonne in der Rekordzeit von 64 Tagen erreicht hatte, befand sich Van Weynbergh noch im Südpolarmeer – 17 000 Kilometer betrug damals sein Rückstand. Dann, in der Biskaya, als das Ziel auch für Van Weynbergh greifbar nahe ist, dümpelt seine Jacht in einer Flaute. Und auf dem geplanten Kurs zieht ein Sturm auf. Auch das noch. Schafft er es trotzdem rechtzeitig, oder fällt er aus der Wertung, weil er den Kontrollschluss verpasst?

Van Weynbergh ist im vergangenen November mit einem grossen Traum auf den Atlantik hinaus gesegelt: Er will als erster Belgier überhaupt die Vendée Globe beenden. Er war in seinem Leben schon vieles, arbeitete als Segellehrer, als Journalist für ein Segelmagazin, danach machte er sich mit einem Kurierdienst selbständig. Nur Segelprofi, das war Van Weynbergh noch nie – er ist der einzige Amateur im Feld der Vendée Globe.

Van Weynbergh wohnt zeitweise auf seiner Jacht

2017 setzte Van Weynbergh alles auf eine Karte und verkaufte sein Unternehmen. Mit dem Geld kaufte er sich das Boot, mit dem der Ungar Nandor Fa die Vendée Globe 2016/17 in 94 Tagen beendet hatte. Van Weynbergh wusste schon beim Kauf, dass seine Jacht keine Spitzenplatzierung zulassen würde. Ankommen, das war immer das einzige Ziel.

Kritiker monierten, sein Team sei zu klein, das Boot zu langsam, die Konkurrenz zu stark. Sein Team besteht aus freiwilligen Helfern – im Gegensatz zu den Spitzenseglern, welche professionelle Equipen mit allerlei Spezialisten unterhalten. In einem Interview auf der Website der Vendée Globe sagte Van Weynbergh vor einigen Wochen: «Als ich zum ersten Mal von meinem Traum zu sprechen begann, da hat mir jeder gesagt, dass das unmöglich sei.» Das habe ihn nur noch mehr motiviert.

Für die Erfüllung seines Traums nahm der Vater von zwei Söhnen auch Unannehmlichkeiten in Kauf; während zweier Jahre wohnte er auf seinem Boot, um die Miete zu sparen. Sein Budget betrug zwei Millionen Euro, ein Bruchteil der fünf und mehr Millionen, welche die Konkurrenz zur Verfügung hat. Trotzdem schafft er es, sich für die Vendée Globe zu qualifizieren, darf in Les Sables-d’Olonne an den Start. Doch bald beginnen die Probleme.

Lebensmittelvergiftung auf hoher See

Früh im Rennen leidet Van Weynbergh an einer Lebensmittelvergiftung. Ihm ist schlecht, er hat Durchfall, übergibt sich. Aber nicht nur sein Körper, auch die Technik des Bootes streikt. Mehrfach fällt der Hydrogenerator aus, der mit einem Propeller im Wasser Strom erzeugt. Jedes Mal muss Van Weynbergh das Gerät an Bord holen, es von Algen befreien.

Dann funktioniert der Autopilot nicht mehr; Van Weynbergh muss im Indischen Ozean auf den 29 Meter hohen Mast klettern und sagt darüber zum «Spiegel»: «Ich wurde furchtbar durchgeschaukelt, fühlte mich hilflos. Es läuft mir kalt den Rücken hinunter, wenn ich daran denke.» Und ganz am Schluss, kurz vor dem Ziel, reisst auch noch das Grosssegel. Und es herrscht Flaute. Um sich abzulenken, hört er House-Musik und liest Bücher: «Aber nichts, das mit Wasser oder Segeln zu tun hat.»

Van Weynbergh sitzt Mitte letzter Woche auf seinem Boot und veröffentlicht auf Instagram ein Video. Darin sagt er: «Ich fühle mich wie ein Gefangener, ich möchte nach Hause.» Stunden und Tage vergehen. Van Weynbergh wird klar, dass er den Kontrollschluss verpassen wird. Er wird kein Preisgeld erhalten, darf sich nicht «Finisher» der Vendée Globe nennen.

Er sorgt doch noch für eine Premiere

Van Weynbergh erreicht das Ziel in Les Sables-d’Olonne am vergangenen Samstag, 53 Tage nach dem Sieger und einen einzigen Tag nach dem Kontrollschluss. Auf der Hafenmauer stehen Freunde, Konkurrenten, Teammitglieder, sie bejubeln ihn und zünden Seenotfackeln an. Im Ziel sagt er, er hoffe, die Vendée Globe sei «nicht für alle so kompliziert» gewesen. «Sonst verstehe ich nicht, warum manche Segler zurückkehren.» Van Weynbergh lacht und weint gleichzeitig, als er das sagt.

Er sagt, obwohl er das Zeitlimit verpasst habe, fühle er sich «wie auf einer Wolke». «Mein grosser Traum ist in Erfüllung gegangen.» Er habe jede Sekunde gezweifelt, ob er es schaffen würde.

Van Weynbergh schaffte es zwar nicht, als erster Belgier die Vendée Globe zu beenden, aber für eine Premiere hat er doch noch gesorgt. Noch nie an diesem Rennen ist jemand trotz verpasstem Kontrollschluss noch ins Ziel gekommen.

Über die Zeitlimite, die ihm die Krönung seines Abenteuers verwehrt hat, sagt Van Weynbergh: «Es ist blöd, es ist gemein, aber es ist, wie es ist.» Ob er die Vendée Globe noch einmal in Angriff nehmen wird, lässt er offen.

Exit mobile version