Mittwoch, April 23

Klaus Schwab weist die Whistleblower-Vorwürfe in einer Stellungnahme zurück. Der Gründer des Weltwirtschaftsforums darf das WEF-Gelände in Genf derzeit nicht mehr betreten. Der Interimspräsident Peter Brabeck-Letmathe und der CEO Börge Brende haben die Macht übernommen.

Nach dem abrupten Rücktritt des WEF-Gründers Klaus Schwab als Vorsitzender des Stiftungsrats des Weltwirtschaftsforums (WEF) am Ostersonntag spitzen sich die Ereignisse am Mittwoch zu. Nachdem der Stiftungsrat öffentlich eine Untersuchung gegen seinen zurückgetretenen Präsidenten bekanntgegeben hat, geht Schwab in die Gegenoffensive.

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Schwab hat sich in einer ausführlichen Stellungnahme geäussert: Er sieht sich vom Stiftungsrat getäuscht und bezeichnet sich als Opfer einer Schmutzkampagne. Zudem hat er Anzeige gegen Unbekannt wegen Diffamierung erhoben.

Schwab wehrt sich gegen Vorwürfe

Hintergrund der Untersuchung sind neue Vorwürfe, die in einem anonymen Whistleblower-Brief erhoben wurden. Der Brief, den das «Wall Street Journal» am Dienstagabend publik machte, stammt angeblich von derzeitigen und ehemaligen Mitarbeitenden des WEF und wirft Schwab und seiner Ehefrau Hilde vor, Mittel der Organisation für private Zwecke verwendet zu haben. Genannt werden unter anderem Luxusreisen, die private Nutzung einer WEF-Villa, Massagen auf WEF-Kosten und das Abheben von Bargeld durch Mitarbeitende für Klaus Schwab.

Schwab betont, dass er das Forum mit einem persönlichen Kredit gegründet habe und danach Millionen aus seinem Privatvermögen und Preisgelder in Stiftungen eingebracht habe. Auf Entschädigungen, die ihm zugestanden wären, etwa einen Sonderbonus von 5 Millionen Franken, habe er verzichtet, und seine Frau habe für das Forum unentgeltlich gearbeitet, seit sie 1973 als Mitarbeiterin zurückgetreten sei.

Im Alltag habe er als Chef des WEF lediglich Dienstleistungen wie Transport und Sicherheitsdienste erhalten. Über notwendige Reisen habe er selber entschieden, diese hätten immer dem Forum gedient. Auf Reisen bezogene private Leistungen habe er jeweils zurückerstattet.

Schwab wird auch vorgeworfen, er habe Mitarbeiter gebeten, für private Zwecke Tausende von Dollars von Bancomaten abzuheben. «Das ist eine glatte Lüge», sagt Schwab dazu. Auch die Nutzung einer Villa auf dem WEF-Gelände für private Zwecke weist Schwab von sich.

Vorwürfe, er habe bei der Erstellung des jährlich erscheinenden Wettbewerbsberichts vor Jahren in Prozesse eingegriffen, bezeichnet der WEF-Gründer als Diffamierung seiner intellektuellen Integrität. Und auch die Anschuldigung, Berichte über sexuelle Belästigungen nicht ernst genommen zu haben, kann Schwab nicht nachvollziehen. Er ergänzt, dass er seit 2015 gar nicht mehr für die operative Leitung zuständig gewesen sei. Die Geschäftsleitung sei in der Verantwortung des CEO Börge Brende gelegen.

Schwab stört sich besonders daran, dass er vor der neuen Untersuchung nicht angehört worden sei. Sein Vorwurf geht an Thomas Buberl, Chef des Versicherers Axa und Vorsitzender des Audit-and-Risk-Ausschusses im WEF-Stiftungsrat. Buberl habe «trotz dem anonymen und verleumderischen Charakter» des Briefs eine externe Anwaltskanzlei beauftragt und die übrigen Mitglieder des WEF-Stiftungsrats informiert.

Dieser ist ein sehr international zusammengesetztes Gremium von mehr als zwei Dutzend Führungskräften aus Wirtschaft und Politik. Neben der EZB-Präsidentin Christine Lagarde oder Königin Rania von Jordanien sitzen etwa auch der ehemalige US-Vizepräsident Al Gore, der Blackrock-Chef Larry Fink oder die Accenture-Chefin Julie Sweet im Stiftungsrat.

Der Gründer erhält Hausverbot

Der Bruch zwischen Schwab und dem Stiftungsrat, den er über Jahre selbst zusammengestellt hatte, geht einher mit einem Machtkampf, bei dem langjährige Loyalitäten nicht mehr gelten. Nach Informationen der NZZ soll dem WEF-Gründer für den Hauptsitz in Cologny bei Genf sogar ein Hausverbot auferlegt worden sein. Zudem sei es ihm aufgrund der laufenden Untersuchung verboten, seine früheren Mitarbeitenden zu kontaktieren und auf seine Unterlagen zuzugreifen.

Das WEF will sich zum Hausverbot nicht äussern. Am Mittwoch teilte die Medienstelle in einem Statement aber mit, dass der Stiftungsrat die Entscheidung, gegen Schwab eine unabhängige Untersuchung einzuleiten, «einstimmig» getroffen habe. Dies sei «nach Rücksprache mit externen Rechtsberatern und im Einklang mit den treuhänderischen Pflichten des Forums» geschehen.

Die Medienstelle hält fest: «Das Forum nimmt diese Vorwürfe ernst, betont jedoch, dass sie unbewiesen bleiben, und wartet das Ergebnis der Untersuchung ab, um weitere Stellungnahmen abzugeben.» Unter dem Interimsvorsitz von Peter Brabeck-Letmathe und der fortgesetzten Führung des Präsidenten und CEO Börge Brende bleibe das Forum jedoch seiner Mission und seinen Aufgaben «uneingeschränkt verpflichtet».

Die Macht beim WEF liegt nun offensichtlich nicht mehr bei Schwab, sondern beim Interimspräsidenten Brabeck-Letmathe und bei Brende, den Schwab jahrelang gefördert hatte. Brende hat erst kürzlich eine Reorganisation des Forums verfügt, über die Schwab laut Informationen der NZZ nicht informiert war.

Der Gründer hadert mit seinem Schicksal. In seiner ausführlichen Stellungnahme erläutert er, wie er das WEF 1971 als gemeinnützige Stiftung gegründet habe. Nach seiner Emeritierung als Professor habe er sich voll und ganz der Entwicklung des WEF gewidmet.

Viele Jahre lang wurde die Arbeit der Schwabs sehr geschätzt. Doch seit «mindestens zehn Monaten» gebe es eine koordinierte Kampagne gegen ihn und seine Familie, schreibt der WEF-Gründer. Im Sommer 2024 veröffentlichte das «Wall Street Journal» einen ausführlichen Bericht, der dem WEF und Klaus Schwab schwere Vorwürfe machte. Ehemalige Mitarbeitende berichteten von toxischer Arbeitsplatzkultur, Diskriminierung oder sexuellen und rassistischen Kommentaren.

Das WEF veröffentlichte damals ein Statement, in dem die Berichterstattung als «nachweislich falsche Behauptungen» bezeichnet wurde und in dem es hiess, dass sich die Werte des Forums auch in der tatsächlichen Arbeitskultur widerspiegeln würden. Damals hatte Schwab noch die volle Unterstützung seines Stiftungsrats. Ein Jahr später ist die Situation eine andere.

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